«‹Neu vor alt› kann aus wirt­schaft­li­cher War­te be­trach­tet ei­ne at­trak­ti­ve Op­ti­on sein»

Interview mit dem Projektleiter des Neubaus der Spitallammsperre

Der Projektleiter des Neubaus der Spitallammsperre der KWO, Benno Schwegler, führte während der Abschlussarbeiten über die Baustelle und stand für Fragen zur Verfügung.

Publikationsdatum
07-05-2025

Herr Schwegler, weshalb kam man von der anfänglich angedachten Instandsetzung der bestehenden Talsperre ab und entschloss sich zu einem Neubau? 

Benno Schwegler: Ursprünglich hatten die KWO vorgesehen, die Sanierung der alten Staumauer im Zuge einer Erhöhung der Mauer für die Vergrösserung des Grimselsees zu realisieren. Das Projekt verzögerte sich aber jahrelang aufgrund mehrerer Einsprachen von Umweltverbänden, die bis vor Bundesgericht gelangten. Irgendwann mahnten auch die Aufsichts­behörden wegen des Risses unterhalb der Mauerkrone zum Handeln und wir mussten uns deshalb für eine Alter­native entscheiden. Die KWO haben dann mehrere Varianten geprüft, auch den Teilabbruch der Mauer. 

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Am Grimselsee entstand eine neue Bogenstaumauer direkt vor der alten Spitallammsperre von 1932. Diese bleibt bestehen und wird beidseits eingestaut. Der Neubau bleibt vorerst ein Etappenziel; eine spätere Versenkung der alten Sperre ist bereits projektiert.

Allerdings hätte hierfür der Grimselsee während mehrerer Jahre leer bleiben müssen, was nicht wirtschaftlich und in der gegenwärtigen Lage mit Blick auf die Energieversorgung sicher auch nicht sinnvoll gewesen wäre. Wir haben uns dann entschlossen, unmittelbar vor die alte eine neue Mauer zu bauen. So konnten wir das Wasser im See während der ganzen Zeit für die Stromproduktion nutzen. Der Mauerbau direkt vor der alten und innerhalb der bestehenden Anlagen barg einige Herausforderungen für uns. Aber wir haben das gut gemeistert.

Gab es grosse Widerstände gegen einen Neubau?

Nein, keine. Die neue Mauer ist mit 113 Meter praktisch gleich hoch wie die alte. Es wird keine Landschaft oder keine Naturfläche zusätzlich beeinträchtigt, daher gab es auch keinen Widerstand. Wir haben uns bemüht, für die Anwohner in den Dörfern die Lastwagenfahrten durch geschicktes Materialmanagement auf einem möglichst tiefen Niveau zu halten.

Viele Staumauern werden aufgrund ihres Alters in den nächsten Jahrzehnten instand gesetzt werden müssen. Ist aus Ihrer Sicht mit der nun gemachten Erfahrung ein solches Konzept «Neu vor alt» auch für andere Projekte empfehlenswert?

Ich denke, das kann man nicht generell sagen und muss für jedes Projekt einzeln geprüft werden. Es ist richtig, dass viele Staumauern in der Schweiz bereits ein beträchtliches Alter haben. Aber das allein ist noch kein Kriterium. Die Mauer an der Seeuferegg, die zweite Mauer, die den Grimselsee staut, ist gleich alt wie die Staumauer Spitallamm. Und diese macht uns wegen der unterschiedlichen Bauweise keine Probleme. Ebenso wenig jene am Gelmersee, die auch zur selben Zeit gebaut wurde. «Neu vor alt» kann aber sicher aus wirtschaftlicher Warte betrachtet eine attraktive Option sein, wenn wichtige Rand­bedingungen, wie zum Beispiel die Topografie, stimmen.

220 000 m3 Beton wurden verbaut. Woher kamen die Zuschlagstoffe?

Rund ein Drittel der notwendigen Zuschlagstoffe wurde aus dem im Projekt angefallenen Ausbruchmaterial aufbereitet. Dabei haben wir rund 160 000 t Material aus dem Fundament­aushub und vom Ausbruch der Stollen wiederverwendet und im Kieswerk aufbereiten lassen. Für die Herstellung der restlichen Zuschlagstoffe haben wir weiter unten am Grimselpass, beim Räterichsbodensee, eine alte Gesteinsdeponie vom Bau des Kraftwerks Grimsel 2 geöffnet, aus der wir rund 350 000 t Rohmaterial gewinnen konnten. Unterhalb des Räterichs­bodensees stand darum das grosse Kieswerk, in dem wir das Material gleich vor Ort aufbereitet haben. Mit den kurzen Distanzen zur Bau­stelle konnten wir Transporte stark minimieren.

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