Nach­hal­tig ge­stal­ten

Norman Foster Solar Award 2013

Der Solarpreis war lange Zeit eine Leistungsschau der technischen Möglichkeiten. Als eine der Kategorien des Solarpreises setzt der Norman Foster Solar Award den Fokus auf die Gestaltung von nachhaltigen Gebäuden. Viridén + Partner und die Arbeitsgemeinschaft Lamoth Raoseta Soh Architekten mit dem Atelier Adrian Christen sind die beiden diesjährigen Gewinner des Awards.

Publikationsdatum
14-11-2013
Revision
01-09-2015

Der erste Norman Foster Solar Award 2013 geht an Vidirén + Partner. Das Zürcher Büro hat ein Mehrfamilienhaus mit drei Ladenlokalen aus dem Jahr 1962 elegant in die energetische Zukunft katapultiert. Das Projekt in Romanshorn macht die monokristalline PV-Anlage zum Bestandteil der Fassade und die energiespendende Hülle zum architektonischen Thema.

Die Strategie ist ähnlich wie beim ersten Rang im Wettbewerb für das neue Verwaltungsgebäude des Amts für Energie und Umwelt in Basel. Die Nachhaltigkeit des Umbaus von Viridén + Partner beschränkt sich jedoch nicht auf die Hülle: Dank einer Erweiterung konnte die Anzahl der Wohnungen erhöht werden. Die Verdichtung ist enorm: Wo einst sechs Wohnungen auf 1517 m2 Energiebezugsfläche verteilt waren, sind es heute deren 22 auf 2361 m2.

Die Architekten rangen dem Zweispänner einen sehr effizienten Regelgrundriss ab, der bis zu fünf Wohnungen auf einem Geschoss ermöglicht. Neben den energetischen Aspekten klingt hier auch der Begriff der Suffizienz an. Mit ­ihrem vorbildlichen Umbau weisen Viridén + Partner nach, dass eine nachhaltige Sanierung an den meisten Orten in der Schweiz möglich ist, denn Romanshorn verschwindet im Winter für lange Zeit im Nebel des Bodensees.

Zu oft werden Gebäude aus den 1960er-Jahren vorschnell abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Der Erhalt von Tragwerken gehört ebenso zu den Visionen einer nachhaltigen Gesellschaft wie der geringe Energieverbrauch und eine sorgfältige Gestaltung. Oder wie es im Bericht zum Solarpreis heisst: «Das sanierte MFH beweist überzeugend, wie die heutige Solararchitektur auch städtische Orts- und Stras­senbilder erheblich aufwerten kann.» 

Low-Tech mit direktem Gewinn

Einen ganz anderen Weg haben Lamoth Raoseta Soh Architekten aus Wilen SZ in Zusammenarbeit mit dem Atelier Adrian Christen aus Steffisburg eingeschlagen. Für ihre Sanierung eines Mehrfamilienhauses in Thun erhalten sie den zweiten Norman Foster Solar Award des Jahres 2013. Der Bauherr wollte das Gebäude von 1947 zum Nullenergiehaus umbauen. Die Architekten gingen noch einen Schritt weiter und planten mit einem Minimum an Technik ein Plusenergiehaus.

Das sanierte Gebäude nutzt die Wärme der Sonne auf mehrere Arten, direkt und indirekt. Die PV-Anlage auf dem Dach erzeugt mehr Strom, als die Bewohnenden benötigen. Der Überschuss wird ins Stromnetz eingespeist. Vakuumkollektoren in der Brüstung des neu erstellten Dachaufbaus erwärmen das Brauchwasser für die drei Wohneinheiten. Sollte die Sonnenenergie nicht ausreichen, kann das Wasser auch mit einer Stückholzheizung im Keller erhitzt werden.

Das Haus speichert die Energie der Sonne aber auch ganz direkt: Gegen Süden öffnet es sich und fängt im Winter jeden Sonnenstrahl ein. Der Churer Architekt Andrea Rüedi hat mit seinen experimentellen Gebäuden die Grundlagen für dieses System gelegt: Ein enger Raster von Holzbalken schafft in den Decken genügend Fläche, um die Energie aufzunehmen. Böden mit viel Masse speichern die Wärme und geben sie phasenverzögert an den Raum ab.

Der ursprüngliche Grundriss des Hauses mit den kammerartigen Zimmern musste geöffnet werden, damit die Wärme zirkulieren kann. Eine zentrale Heizanlage ist nicht eingebaut: Analog zur Warmwasseraufbereitung können die Wohnungen mit einem Stückholzofen separat beheizt werden. Auch hier schwingt die Suffizienz im Hintergrund mit – allerdings bedeutet dies bei diesem Haus keine Beschränkung im Platz, sondern den Verzicht auf technische Hilfsmittel. Wenn es kalt wird, legen die Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses einfach ein Stück Holz nach. Wird die Luft schlecht, öffnen sie die Fenster.

Der Norman Foster Solar Award zeichnet dieses Jahr zwei Sanierungen aus, die unterschiedliche Richtungen einschlagen. Beide Projekte weisen aber den Weg aus Automatismen, die in der Diskussion um nachhaltiges Bauen beinahe reflexmässig auftauchen: die technische Aufrüstung und der voreilige Abriss. Für diese Überlegungen haben beide Gebäude die Auszeichnung verdient.

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