«Low Emis­si­on | No Emis­si­on» – We­ge zum nach­hal­ti­gen Bau­en

Wie geht nachhaltiges Bauen? Was sind die Zielkonflikte auf dem Weg dorthin mit denen sich die an der Planung und am Bau Beteiligten auseinandersetzen müssen? Die SIA-Fachtagung «Low Emission | No Emission», die Ende November stattfindet, widmet sich diesen Fragen und präsentiert und diskutiert interdisziplinäre Lösungsansätze.

Publikationsdatum
02-10-2023

«Low Emission | No Emission» das könnte man auch als Weg zu Netto-Null lesen – von High über Low bis zu No Emission. Nur: Die Zahlen sind nach wie vor beeindruckend. Im Jahr 2021 verursachte etwa die Bauwirtschaft 11 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente – eben so viel die fossilen Heizungen in der Schweiz. Und über 80 % des gesamten Abfalls stammt von der Bauwirtschaft.

Positiv an diesen immens grossen Zahlen ist einzig, dass der Ausstoss der Gebäude mittelfristig sinkt: dank deren verbesserten Energieeffizienz sowie dem zunehmenden Ersatz von Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen und erneuerbare Energien. Dennoch muss das Bauen und die Bauwirtschaft nachhaltiger werden. Denn die Erreichung von Netto-Null bis spätestens 2050 ist zwingend.

Das Ziel ist also klar, nur der Weg dorthin nicht. Denn nachhaltiges Bauen bedeutet sich nicht nur mit ökologischen, sondern auch sozialen und ökonomischen Faktoren auseinanderzusetzten. Auch mögliche Zielkonflikte sind nicht auszuschliessen wie nachhaltige Energieerzeugung versus Biodiversitätsverlust und Landschaftsschutz, Verdichtung versus Bauen im Bestand, Ökologie versus Ökonomie – wobei die Aufzählung nicht abschliessend ist.

Interdisziplinäre Lösungsansätze für Netto-Null

Die SIA-Fachtagung «Low Emission | No Emission», die Ende November 2023 in Solothurn stattfindet, diskutiert aktuelle Fragestellungen der Bauwirtschaft bezüglich des Netto-Null-Ziels unter Berücksichtigung dieser Zielkonflikte und präsentiert interdisziplinäre Lösungsansätze. Zudem werden Projekte vorgestellt, die auch einen Blick über den Schweizer Tellerrand hinaus erlauben. Beispielsweise stellt Astrid Renate Van Veen, Projektleiterin und Senior Architect bei Snøhetta, das Powerhouse Brattørkaia vor und lässt die Teilnehmenden einen Blick hinter die Kulissen werfen, wie ein Plusenergiegebäude entsteht. Das Bürogebäude in Trondheim, Norwegen, erzeugt im Durchschnitt zweimal mehr Strom, als es an elektrischer Energie pro Tag verbraucht. Der Überschuss wird den Nachbargebäuden und den Elektrobussen der Stadt, E-Autos und Booten über ein lokales Netzwerk zur Verfügung gestellt.

«Gebäudetyp E» für eine innovativere Planung?

Ein zweiter Input aus dem Ausland gibt Florian Dilg vom Büro Architektur Zwingel/Dilg und Mitglied der Bayrischen Architektenkammer. Innovative Planung werde derzeit durch ein enges Korsett an Normen eingeschränkt, so die Ansicht der Bayerischen Architektenkammer. Daher schlägt sie die Einführung eines «Gebäudetyps E» vor. Damit sollen fachkundige Planende und Bauherrschaften im Rahmen dieses Gebäudetyps die Freiheit erhalten, ihr Projekt auf den eigentlichen Kern der Schutzziele der Bayerischen Bauordnung (Standsicherheit, Brandschutz, gesunde Lebensverhältnisse und Umweltschutz) zu reduzieren. Der Gebäudetyp «E» kennzeichne Gebäude mit einer reduzierten Einhaltung von Normen. Das könne ein Weg dafür sein, nachhaltiger und gleichzeitig einfacher zu bauen, so die Beweggründe der Kammer. Florian Dilg schildert an der Fachtagung die Idee der Initiative mit den notwendigen rechtlichen Änderungen und zeigt die Chancen für den Neubau und das Arbeiten mit dem Bestand.

Nachhaltigkeit als Ganzes betrachtet

Ein weiteres spannendes Praxisbeispiel für nachhaltiges Bauen, das an der Tagung vorgestellt wird, ist das Bürogebäude mit dem Name HORTUS – House of Research, Technology, Utopia and Sustainability. Der geplante Bau auf dem BaseLink Areal in Allschwil bei Basel verantworten Senn, Herzog & de Meuron und ZPF Ingenieure gemeinsam. Das Gebäude setzt einen neuen Standard für Nachhaltigkeit: Es zahlt die graue Bauenergie zurück und ist bereits nach rund dreissig Jahren energiepositiv. Ausserdem wird es aus einem ungewöhnlichen Mix aus Naturmaterialien konstruiert und die Energieernte über Photovoltaik maximiert. Die Referenten erklären an der Fachtagung, warum es ihnen wichtig ist, die Nachhaltigkeit als Ganzes zu betrachten, denn «ein leeres Gebäude kann letztendlich nicht nachhaltig sein, egal wie gut es gebaut ist», so Nadia Sanchez von Senn.

Die drei Beispiele sind nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Programm der SIA-Fachtagung Low Emission | No Emission, die mit weiteren spannenden Referaten und Einblicken in das nachhaltige Bauen punktet. Entsprechend der Komplexität der Problemstellungen sind zum ersten Mal alle SIA-Berufsgruppen in die Organisation der Tagung involviert. Das Programm richtet sich an alle Berufsgattungen, die an Planung und Bau beteiligt sind – von Planenden bis zu Bauherrschaften und Investoren. Denn nachhaltiges Bauen fordert insbesondere auch interdisziplinäre Fachkompetenz.

Die SIA-Fachtagung «Low Emission | No Emission» findet am 23. November 2023 in der ehemaligen Cellulose Attisholz AG in Attisholz, Solothurn, statt. Sie wird zum ersten Mal von allen SIA-Berufsgruppen, Architektur (BGA), Ingenieurbau (BGI), Technik (BGT) und Umwelt (BGU), organisiert.

 

Weitere Informationen wie Programm und Anmeldung gibts hier.

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