Kul­tur­denk­mal auf dem Im­mo­bi­li­en­markt

Thomas Manns kalifornische Villa – vom Abriss bedroht?

Sein Domizil in Pacific Palisades, Kalifornien, liess Thomas Mann vom Architekten Julius Ralph Davidson bauen. Hier entstanden einige seiner Hauptwerke. Nun steht das Haus zum Verkauf – doch der Makler verschweigt seine Geschichte und preist das ausbaufähige Grundstück.

Publikationsdatum
01-09-2016
Revision
02-09-2016

Von den vielen Intellektuellen, die vor dem Dritten Reich in die USA geflüchtet waren, war Thomas Mann fast der einzige, der sich ein eigenes Haus bauen liess. Der Architekt Julius Ralph Davidson errichtete es 1941. Thomas Mann lebte darin von 1942 bis zu seiner Übersiedlung in die Schweiz 1952; hier schrieb er zahlreiche seiner Bücher, etwa «Joseph, der Ernährer» (1943), «Doktor Faustus» (1947) und Teile der «Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull» (1954).

Nun steht die Acht-Zimmer-­Villa am San Remo Drive 1550 zum zweiten Mal seit 2012 zum Verkauf. Das hinter gros­sen Bäumen vollkommen verdeckt auf einem riesigen Areal gelegene Haus wird für knapp 15 Millionen Dollar angeboten – doch in den Unterlagen des Immobilienmaklers ist weder der Architekt noch der weltberühmte Auftraggeber erwähnt.

Massgeschneidert für die Grossfamilie mit Genie 

Das Haus mit den sieben Palmen war der Lieblingsort des Schriftstellers, und er erwähnte es später immer wieder. Wie genau er an den deutschen, 1923 nach Los Angeles ausgewanderten Architekten Julius Ralph Davidson gelangte, ist unbekannt. Richard Neutra hatte den Auftrag unbedingt haben wollen und war verärgert, dass Mann sich nicht darauf einliess – was wiederum zu einem gespannten Verhältnis zwischen den befreundeten Ehefrau­en von Neutra und Davidson führte.

Davidson baute ein zweistöckiges Gebäude im International Style. Die Schlafzimmer sind im Obergeschoss an einer schmalen Terrasse mit Pergola angelegt, im unteren Bereich sind die repräsentativen Räume untergebracht. Am Ende des L-förmigen Grundrisses lag das Arbeitszimmer des Nobelpreisträgers, zu dem dieser vom Wohn-und Esszimmer aus entweichen konnte; von hier aus wiederum gelangte er über eine innenliegende Treppe in sein Schlafzimmer. Dieses war mit einer Trennwand gegen den Familienbetrieb abgeschirmt.

Das ganze Gebäude ist auf den Lebensstil der Familie Mann zugeschnitten und ermöglichte einen hohen Schutz der  Privatsphäre. So ist auch der Eingangsbereich durch die Position des Gebäudes deutlich vom privaten Garten getrennt.

Das Haus ist – soweit man das anhand der Immobilien-Dokumentation im Vergleich mit den ­historischen Fotos und Plänen beurteilen kann – von aussen immer noch weitgehend intakt. Zwei halb­runde Zubauten gegen den Garten und der Pool sind nicht original; das  Innere – das nicht von Davidson stammte, sondern vom Innenarchitekten Paul Huldschinsky – wurde verändert.

Aussen modern, innen konservativ

Diese Modifikationen sind für die Integrität des Baus und seinem Wert als deutsches Kulturdenkmal jedoch nicht abträglich, denn ein Kontrast zwischen Innen und Aussen hat immer bestanden: Katia Mann hatte sich heimelige Innenräume vorgestellt, während Thomas Mann von der modernen Architektur überzeugt war. Dies mag auch der Grund dafür gewesen sein, dass keine historischen Fotos von den Innen­räumen existieren und Neutra als Architekt nicht infrage gekommen wäre. Denn abgesehen von seinen Starallüren hätte er es nie zuge­lassen, dass Innen und Aussen in unterschiedlichen Architektursprachen gehalten sind. 

Dass hier ein deutsches Kulturdenkmal bedroht ist, sollte den deutschen Staat zum Handeln veranlassen – und möglicherweise auch die Schweiz, denn Mann fühlte sich zeitlebens eng mit ihr verbunden und ist auch in der Schweiz begraben. Die Zeichen für das Haus stehen allerdings nicht gut: Die Heimlichtuerei der Immobilienmakler und die Ankündigung, es handle sich hier um ein ausbaufähiges Grundstück mit einem Haus, das aufgeteilt oder an das angebaut werden könne, lässt einen baldigen Abriss oder eine irreversible Veränderung befürchten.

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