Un­ter der Ober­flä­che

Beim Bau einer Küche ist die Verwendung von Verbundmaterialien mit Blick auf den schonenden Einsatz von Ressourcen zu überdenken. Ein Anfang ist gemacht. 

Publikationsdatum
10-04-2024

Begriffe wie graue Energie, Kreislaufwirtschaft und Bestandsschutz definieren die Qualität, an der Bauwerke gemessen werden. Obwohl dies genauso für die Planung von Wohnbauten gilt, scheint die Küche noch häufig von derartigen Ansprüchen ausgenommen zu sein. Bei der Betrachtung der preisgekrönten Beispiele wird deutlich, dass der Küche in Privat­häusern ein hoher Wert beigemessen wird: Als Bühne des privaten und gesellschaftlichen Lebens verdichtet sich hier der Gestaltungsanspruch. 

In einigen Projekten verweisen verführerisch grosszügige Entwürfe einen überlegten Umgang mit Ressourcen in die zweite Reihe. Die Verwendung von Naturmaterialien wie Holz und Stein deutet zwar auf eine Aufmerksamkeit gegenüber dem Ursprung der Baustoffe hin, sie täuscht allerdings nicht darüber hinweg, dass ungewöhnliche Kubaturen, raumhohe Verblendungen und veredelte Oberflächen mehr Beachtung finden als ein angemessener Mate­rialverbrauch. Die Halbwertzeit von Innenausbauten, die einer Zeitströmung unterliegen, ist begrenzter als die der verwendeten Materialien. 

Rezept für Kreislaufwirtschaft

An anderer Stelle stehen die Probleme der Standardküche in Mietwohnungen. Die Gestaltung basiert in erster Linie auf einer pflegeleichten Form- und Materialwahl. Hier sind beschichtete Oberflächen immer noch an der Tagesordnung. Kunststoffe und nicht wiederverwendbare Holzwerkstoffe spielen eine grosse Rolle. 

Weitere Beiträge zum Thema Küche finden sich in TEC21 7/2024 «Ein Gruss aus der Küche»

Das Verkleben der unterschiedlichen Schichten bietet dem Eindringen von Feuchtigkeit und damit Bakterien oder Schimmel Paroli, verhindert aber ein sortenreines Recyc­ling, wie es zum Beispiel mit Küchenelementen aus Stahl möglich ist. Die höhere Erstinvestition blockiert die breitflächige Verwendung langlebiger und kreislauffähiger Materialien.

Mit einigem planerischen Aufwand und entsprechendem Engagement der Bauherrschaft ist es inzwischen möglich, bereits verwendete Kücheneinbauteile aus Stahl auszubauen und erneut in den Kreislauf zu bringen, wie ein Beispiel im Basler Lysbüchelareal zeigtusätzlich zu einem schonenden Umgang mit Raum und Materialien ist auch der Energieverbrauch in einer Küche zu hinterfragen. Solange sich Herd und Backofen möglichst schnell erwärmen, sind unsere oberflächlichen Wünsche erfüllt. Und solange das Wasser aus dem Hahn sprudelt und nach Gebrauch wieder verschwindet, ebenso. 

Tendenzen aus der Lehre

Im Rahmen einer Semesteraufgabe haben sich Studierende des Fachbereichs Innenarchitektur an der Fachhochschule Detmold mit diesen Problematiken beschäftigt. Zentrales Element des hypothetischen Entwurfs «Wall of Water» ist eine Wand, die zur einen Seite als Bad und zur anderen als Küche ausgeformt ist. Die Wasserleitungen, die für gewöhnlich in einem Schacht verschwinden, sind hier sichtbar gemacht und prägen die Gestaltung. 

Weitere Beiträge zum Thema Kreislaufwirtschaft finden sich in unserem digitalen Dossier.

Über Messstellen wäre der Wasserverbrauch ablesbar und dadurch kontrollierbar. Das Trinkwasser könnte per ­Tastendruck mit Sprudel angereichert, gekühlt oder erhitzt aus der Leitung fliessen. So wären zusätzliche Gerätschaften samt Platz- und Energieverbrauch überflüssig. In einem geschlossenen System würde das Brauchwasser aufgefangen, gefiltert und zur Bewässerung von Küchenkräutern weiterverwendet werden. 

Bauphysikalisch wären noch einige Hürden zu nehmen, bis dieser Entwurf tragfähig ist – Stichwort Kondenswasser und Wärmeisolierung. Auch beeinflusst der sparsamere Umgang mit dem Wasser in der Küche nur geringfügig die Wasserverschwendung in privaten Haushalten. 

Bemerkenswert ist aber, wenn Studierende nicht zuerst über grosszügige Küchenbereiche und raffiniert geformte Kochinseln nachdenken, sondern unseren Wasserverbrauch hinterfragen und ins Rampenlicht stellen. Anstatt die Bedeutung der Küche als Statussymbol zu fördern, bringen Fragen nach einem sorg­fältigen Umgang mit den Ressourcen Raum, Material und Energie die Küchenplanung voran.

Studienprojekt «Kochen.Leben»


Entwurf
Studierende Innenarchitektur Detmolder Schule für Gestaltung, WS 2020/21,
Anna Otterpohl, Sarah Dann, Pia Willig, Detmold


Auslobung Wettbewerb
Der Kreis Anja Schaible Stiftung, Leonberg (D) 


Lehrstuhl
Entwerfen, Schwerpunkt Wohnen, Prof. Sandra Bruns, Detmolder Schule für ­Gestaltung, Technische Hochschule Ostwest­falen-Lippe (OWL)

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