Voll­tref­fer im Heim­spiel

Die Eissportanlage in Kloten ist für die Identität der Stadt zentral, gelegen ist sie jedoch peripher – und hatte bisher wenig Bezug zu ihrer Umgebung. Dank der neuen Eis- und Eventhalle hat sich das geändert: Die Architekten nutzten die pragmatische Entwurfsaufgabe als Chance, um innen wie aussen neue räumliche Qualitäten zu schaffen.

Publikationsdatum
15-08-2023

Umgangssprachlich bezeichnet der Begriff «Eiszeit» zwei unterschiedliche klimatische Phänomene: entweder ein ganzes Eiszeitalter oder eine von mehreren Kaltzeiten (Glazialen), die während eines Eiszeitalters abwechselnd mit sogenannten Warmzeiten (Zwischenglazialen) auftreten. Gemäss aktuellen Forschungserkenntnissen dauerten die letzten Eiszeitalter, die die Erde geprägt haben, zwischen 18 und 300 Mio. Jahre.

In der Welt des Eissports sind Zeitrechnung und Fachbegriffe allerdings nochmal anders. So verspricht eine Publikation der Stadt Kloten kürzere und häufigere Eiszeiten, nämlich jährlich von August/September bis März/April – und meint damit die Betriebszeiten der Schluefweg Arena und der neuen Schluefweg Halle. Letztere wird im August dieses Jahres eingeweiht und tritt somit diesen Spätsommer ihre erste Eiszeit an.

Die neue Halle ist das Ergebnis eines Planerwahlverfahrens, den das Team um PST Architekten 2018 für sich entschieden hat. Die Aufgabe bestand darin, das im Osten des bestehenden Stadions liegende Ausseneisfeld durch eine Eishalle zu ersetzen, die ganzjährig genutzt werden kann. Neben sportlichen Aktivitäten – die neue Halle steht dem Nachwuchs aus dem Klub, Familien und Schulklassen offen – sollten hier auch Events aller Art stattfinden können, etwa Konzerte und Grossveranstaltungen für bis zu 2000 Personen. Das nun realisierte Siegerprojekt leistet jedoch viel mehr als reine Zweckerfüllung: Dem Entwurfsteam gelang es, aus den pragmatischen Vorgaben einen funktionalen und ästhetischen Mehrwert zu generieren. Durch eine geschickte Disposition des Neubaus wurden zusätzliche Räume und räumliche Zusammenhänge geschaffen, die nicht nur die bestehende Arena, sondern auch die Umgebung aufwerten – zum Beispiel dient das Dach der neuen Halle als Terrasse, die sowohl der Arena als auch einem breiteren Publikum zugutekommt. Notwendige Infrastrukturen wie Fluchttreppen oder Lüftungsrohre setzte das Planungsteam ebenso konsequent wie feinfühlig als Gestaltungsmittel ein.

Treppen, Treppen, Treppen

Die neue Halle ist an das deutlich höhere bestehende Gebäude angedockt. Sie steht auf dem Niveau des Schluefwegs und scheint, von dort aus betrachtet, aus lauter Treppen zu bestehen. Ein Aufstieg nördlich des Volumens führt auf eine Zwischenebene, wo sich der Publikumseingang befindet; gleich daneben lädt eine breite, repräsentative Kaskadentreppe dazu ein, auf das Dach des Neubaus hinaufzusteigen; eine zweite, etwas schmalere Freitreppe befindet sich auch auf der Südseite der neuen Halle; und nicht weniger als sieben Stahltreppen reihen sich wie eine haushohe, schräge Schraffur vor der mehrheitlich geschlossenen, blechverkleideten Fassade. Der Anblick hat etwas Surreales, ist aber trotzdem stimmig, denn im Grunde ist das ganze Stadion eine Art städtebauliches Alien – eine hochmoderne Sportanlage irgendwo zwischen Wald und Villenviertel, ein für die Identität der Stadt Kloten absolut zentrales Gebäude an einer spärlich erschlossenen, peripheren Lage.

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Die erstaunliche Vielzahl von Treppen resultiert aus einer besonderen Qualität des Neubaus. Dem Entwurfsteam gelang es, die neue Halle so an den bestehenden Bau zu fügen, dass ihr begehbares Dach auf die Ebene des Publikumsrundgangs der Arena zu liegen kommt. Die Möglichkeit, von dort aus ebenerdig auf die Dachterrasse zu gelangen, ist eine echte Aufwertung für die Arena, hatte aber zur Folge, dass die Entfluchtung der Terrasse für eine Menschenmenge von bis zu 3000 Personen auszulegen war. Das Entwurfsteam nutzte die geforderten Fluchttreppen als Gestaltungsmittel, mit einer doppelten Wirkung: Einerseits lässt die Reihung der Treppenläufe selbst an ruhigen Tagen erahnen, welche Publikumsmassen sich zuweilen hier einfinden, anderseits verleiht sie dem grossen Bau eine feinere Massstäblichkeit. Im Übrigen ist die Terrasse nicht nur von der Arena her zugänglich, sondern auch von aussen, und steht als vielfältig nutzbarer öffentlicher Raum zur Verfügung.

Holz über dem Eis

Man betritt die neue Halle von Norden her – das ­Publikum über einen erhöhten Eingang, der sich an der Nahtstelle zur grossen Arena auf der Ebene der Stehtribüne und des Restaurants befindet, die Sportlerinnen und Sportler über einen Zugang zur Eis­fläche ebenerdig vom Schluefweg aus. Weil die maximalen Abmessungen des Neubaus beschränkt waren – nicht nur seitlich durch den Waldabstand, sondern vor allem auch oben durch die Ebene der Dachterrasse und unten durch das Dach der darunter liegenden Tiefgarage –, musste das Tragwerk stark optimiert werden (vgl. «Holzfachwerk im Korsett»). Auch hier machte das Entwurfsteam aus der Not eine Tugend: In enger Zusammenarbeit mit dem Holzbauingenieur Walter Bieler und den Fachplanern seitens Technik Amstein&Walthert entstand ein Innenraum, in dem die Dachkonstruktion aus monumentalen Holzfachwerkträgern und die darin integrierte, sichtbar geführte Gebäudetechnik zu einem harmonischen Gesamten zusammenfinden.

Die neue Halle ist funktional angelegt und ermöglicht darüber hinaus Synergien zwischen Bestand und Neubau. Unter den Treppen eingelagert finden sich die Versorgungsräume für die Gastronomie, diverse Lagerräume und eine Schiessanlage. Eine Treppe über zwei Geschosse verbindet mittig die zwei Eisfelder. Das Restaurant ist auf der nördlichen Schmalseite des Eisfelds platziert, mit Sicht auf das Eis und einer Aussenterrasse zum Freibad hin; dies schafft an der Längsseite Platz für grosszügige neue Teamgarderoben, Schiedsrichter- und Trainergarderoben sowie Sanitäranlagen, die sowohl der alten als auch der neuen Halle zugutekommen.

Nicht zuletzt trägt die neue Halle dazu bei, die bestehende Arena städtebaulich besser in ihren Standort zu integrieren. Das Volumen fügt sich selbstverständlich in den Hang und verbindet den bestehenden Bau mit der Topografie. Die auf der Nordseite angeordneten Publikumsnutzungen – Eingang, Restaurant – liegen am Scharnier zur ebenfalls auf dieser Seite ­liegenden Badeanstalt, sodass die räumlichen und funktionalen Zusammenhänge zwischen den beiden Sportstätten besser zur Geltung kommen. Und im Inneren scheint das eindrückliche moderne Holztragwerk der Waldhütte und den Baumwipfeln draussen vor der Tür eine leise Reverenz zu erweisen.

Spitzensport in Waldidylle

 

Ursprünglich hiess das Eishockeystadion in Kloten schlicht «Waldstadion»: Als der Eishockeyverein EHC Kloten Anfang der 1950er-Jahre in seine südlich des Bahnhofs gelegene neue Eisbahnanlage zog, stand sie mitten im Wald. Zuvor hatte der Verein auf dem Nägelimoosweiher trainiert und gespielt, aber weil dieser im Winter nicht zuverlässig genug zufror, leistete man sich eine neue Eisbahnanlage mit Natureis.

 

In den folgenden Jahrzehnten wurde die Sportstätte laufend ausgebaut. 1977 erneuerte und überdachte man die Tribüne; 1982 folgten Garderoben, ein Restaurant, eine zweite Tribüne, eine Tiefgarage sowie eine zweite, offene Eisfläche auf der Ostseite; weitere 15 Jahre später wurde das Stadion zu einer der modernsten Anlagen der Schweiz umgebaut. Der offizielle Name lautete nun «Stadion Schluefweg», in Anlehnung an die unscheinbare Sackgasse, an deren Ende das Gebäude steht. Seither zieht die Sportstätte – die man nicht nur für Hockey, sondern auch für Eiskunstlauf, Curling, Wettkämpfe und Meisterschaftsspiele nutzt – Sportbegeisterte aus der ganzen Region an.

 

In den letzten Jahrzehnten erlebte die Arena, in der 2014 der Schweizer Meister im Eishockey gekürt wurde, mehrere Namenswechsel: Zunächst erwarb die Kolping Krankenkassen AG die Namensrechte, dann die Swiss International Airlines und schliesslich – bis mindestens 2024 – die Stimo Generalunternehmung AG. Dennoch heisst die Gesamtanlage, die neben der Arena auch diverse weitere Einrichtungen umfasst, weiterhin auch «Schluefweg Arena».

 

Im Laufe der Zeit hat sich die Siedlungsfläche von Kloten weiter ausgedehnt. In unmittelbarer Nachbarschaft des Stadions haben sich das Freibad Kloten und ein Seilpark angesiedelt, sodass der Ort ganzjährig gut frequentiert ist. Zur guten Erreichbarkeit trägt die Nähe zum Flughafen und zur Autobahn A1 bei. Diese Kriterien trugen zum Entscheid bei, die Anlage ein weiteres Mal zu erweitern: Sollte das Eisfeld einmal nicht belegt sein, kann das Stadion auch für Veranstaltungen mit mehreren Tausend Personen genutzt werden. Dennoch ist die Anlage weiterhin, ihrem ursprünglichen Namen entsprechend, auf drei Seiten von Wald umgeben – eine ungewohnt idyllische Lage für eine derart prominente Sportstätte.

Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 25/2023 «Baukunst für den Eissport».

Schluefweg Halle, Kloten

 

Bauherrschaft
Stadt Kloten Liegen­schaften, Kloten; Stadt Kloten, Freizeit+Sport, Kloten

ARGE ENB 2. EISFELD

 

Architektur
Pfister Schiess Tropeano Architekten, Zürich

 

Holzbauingenieur
Walter Bieler Holzbauingenieur, Bonaduz

 

Massivbauingenieur
Bänziger Partner Bauingenieure, St.Gallen

 

HLKS-Planung
Amstein+Walthert, Zürich

 

E/GA-Planung
Amstein+Walthert, Zürich


Bauphysik/Akustik
Amstein+Walthert, Zürich


Brandschutz
Amstein+Walthert, Zürich

 

Subplaner von PST
Baumanagement/Bau­leitung: Demmel&Partner Baumanagement, Zürich

 

Kunst am Bau
Stadt Kloten/Architekten

 

Signaletikplanung
Schriftatelier Dennis Flachsmann, Zürich

 

Gastroplanung
Flückiger Food Systems, Glattbrugg

 

Vergabeform
Planerwahlverfahren, 2018

 

Planung
Mai 2018 bis Mai 2021 (Spatenstich); Ausführung bis März 2023

 

Fertigstellung
30. März 2023

 

Grundfläche (SIA 416)
10430 m2

 

Volumen (SIA 416)
49500 m3

 

Baukosten (BKP 2)
31000000 CHF

 

Nutzungen
Event- und Eissporthalle

 

Holz
Schweizer Fichte, Esche und (Bau-)Buche

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