Holz­fach­werk im Kor­sett

Das Eishockeystadion in Kloten hat einen ergänzenden Bau erhalten, dessen Tragwerk den Rhythmus des Bestands aufnimmt. Die Fixpunkte sind für den Hauptträger so einschränkend, dass der Holzfachwerkträger mit Stahlstangen verstärkt werden musste. Eine aufwendige Lösung, die sich aber ästhetisch, geometrisch und statisch gelohnt hat.

Publikationsdatum
04-08-2023

Waldstadion, Kolping Arena, Swiss Arena, Stimo Arena – Schluefweg. Die Geschichte des Schluefweg-Eis­hockeystadions in Kloten hat bis heute viele Episoden geschrieben ­­– nicht nur in der Namensgebung und sportlich, sondern auch baugeschichtlich. Schritt für Schritt wurde das Stadion, das 1952 inmitten des Hardwalds gebaut wurde, erweitert. Der Nutzungsauslastung angepasst, wuchs es mit. Vor allem durch die Überdachung im Jahr 1977 und durch die 1997 vervollständigte Tribüne rund um das Eisfeld waren mehr als 7600 Zuschauende während der Spiele vor der Witterung geschützt. In den folgenden 25 Jahren waren kaum bauliche Verände­rungen mehr notwendig. Einzig 2008 erhielt der Innenausbau wegen der in der Schweiz ausgetragenen Eis­hockey-Weltmeisterschaft über der Eisfläche einen Videowürfel, und 2020 liess man die Stadionbeleuchtung von Halogen- auf LED-Scheinwerfer umrüsten. Nach 40-jährigem Betrieb bedurfte das Ausseneisfeld aber dringend einer Instandsetzung. Die Bodenplatte war undicht, und tropfendes Wasser gelangte in die darunter liegende Tiefgarage. Die Eisaufbereitung führte zu hohen Energiekosten, und ein Teil der technischen und betrieblichen Einrichtungen hatte ihre Lebens­dauer in Bezug auf Effizienz und Funktionstüchtigkeit überschritten. Eine partielle bauliche Instandsetzung war aus Kostengründen nicht mehr sinnvoll, weshalb man einen Komplettersatz des Aussenfeldes vorsah. Als logischer nächster Schritt der Erweiterungsepisoden des Schluefwegs sollte das zweite Eisfeld gedeckt werden. Für diesen Anbau bzw. für diese Erweiterung der Anlage führte die Bauherrschaft 2018 ein Planerwahlverfahren durch, das PST Architekten zusammen mit Bauingenieur Walter Bieler und Amstein + Walthert für sich entscheiden konnten. Dabei war vor allem ein nachhaltiges Projekt gefordert.

Ersatzneubau an Bestand

Wo seit 1982 das zweite Aussenfeld lag, steht nun die zweite Eishalle (vgl. «Volltreffer im Heimspiel»). Die neue Halle grenzt direkt an die bestehende Arena und übernimmt deren inneren Rhythmus – das Tragwerkraster mit seinen Betonpfeilern im Abstand von 8 m setzt sich fort. Verschiedene Höhenkoten waren vorgegeben, damit die Verflechtung von Alt und Neu über Korridore, Durchgänge und Treppenanlagen gut funktionierte. So sind beispielsweise die obere und die untere Kote der Hauptträger unverschiebliche Fixpunkte. Das ergab für den Holzbauingenieur Walter Bieler ein geometrisch äusserst enges Korsett, in das er die Hauptträger der Halle hineinplatzieren musste: «Diese statisch als einfache Balken funktionierender Binder mit einer derart grossen Spannweite in einer solch reduzierten statischen Höhe zu ermöglichen, bedingte Spezialkonstruktionen.» Und nicht nur das, infolge des vielschichtig benutzten eingeschränkten Raums musste in der Ebene der Tragwerke auch die Gebäudetechnik inklusive der grossformatigen Lüftungsrohre installiert werden. Mit ein Grund, weshalb gewichtsreduzierte und mit «nutzbaren» Öffnungen versehene Fachwerke an dieser Stelle das wirkungsvollste Tragsystem sind.

Gedrungene Fachwerkträger

Das auf eine Nutzungsdauer von 80 Jahren ausgelegte Haupttragwerk der Eishalle ist Dach und Decke zugleich. Als Decke überspannt es das neue Eisfeld mit 35.6 m, und als Dach ist es hoch belastet: Es ist begehbar ausgeführt, und es kann sich eine Menschenmenge von 3000 Personen darauf befinden. Auch Zelte können aufgestellt werden. Für deren Auf- und Abbau kommt ein Fahrzeug mit einer maximalen Achslast von 1.64 t zum Einsatz. Und im Winter hat es Platz für ein Kunsteisfeld. Entsprechend diesen Einwirkungen ist das primäre Tragwerk alles andere als filigran – es zeigt, was es zu tragen hat.

Es besteht aus acht Fachwerkträgern, die alle 8 m angeordnet sind. Sie lagern gelenkig auf Pendel­stützen, deren Stützfüsse wiederum gelenkig auf dem Sockel des Untergeschosses aus einer konventionellen Stahl­betonkonstruktion montiert sind. Während die alte Halle typischerweise mit einer Stahlkonstruktion überspannt ist, zeigt sich das Haupttragwerk der neuen Halle aber in Holzbauweise. «Das ist», so Bieler, «un­typisch für solche Räume mit diesen Spannweiten.» Doch sei der Einsatz von Holz der ausschlaggebende Pluspunkt des Projekts bezüglich der Ökologie und das überzeugende Kriterium bei der Vergabe gewesen. Alles in allem erfüllen Holzfachwerke die statischen, funktionalen, geometrischen und insbesondere ökologischen Anforderungen am besten – ja gar vollumfänglich.

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Die Fachwerke sind jeweils als Zwillingsträger hergestellt worden und bestehen aus einem Diagonalstrebenzug ohne Pfosten, der sich neunmal im Zickzack zwischen den beiden Gurten zieht. Der ganze Träger wurde in der Werkstatt vormontiert und danach als jeweils ein ganzes, über 35 m langes Stück auf die Baustelle transportiert – Abmontieren von Schildern, Abdecken von Verkehrsinseln und minutiöses Manövrieren inklusive. Da die statische Höhe der Träger mit 3.34 m beim Auflager bis 3.62 m in Feldmitte sehr reduziert war, war aber eine reine Holzkonstruktion nicht möglich, zumal sie zur Steifigkeitserhöhung nicht in den Bestand eingespannt werden konnte. Dieser war auf solch hohe Zusatzlasten nicht ausgelegt. ­Deshalb sind nun der Ober- und der Untergurt mit kunstharz­eingeklebten Gewindestangen (Durchmesser 50 mm) als eine Art schlaffe Bewehrung verstärkt. Dank der Stahlfläche, die mit einem 20-mal höheren E-Modul in die Berechnung des Trägheitsmomentes des 78 cm breiten Holzquerschnitts einfliesst, steigt die Steifigkeit des Trägers. So biegt sich der um 50 mm überhöht konstruierte Träger bei voller Nutzlast von 5 kN/m2 (typische Flächenlast für Balkone) nur 14 mm durch. Wichtig war, die Untergurte über die ganze Länge mit einer separaten unten abschliessenden Schicht zu versehen. Diese 19 mm dicke Holzplatte mit Stössen überträgt keine Lasten, sondern sorgt dafür, dass keine Feuchtigkeit in der Fuge zwischen den beiden Zwillingsträgern aufsteigen kann. Sonst würde der Träger weicher und infolgedessen mehr durchbiegen. Festigkeit und Traglast erhöhend waren aber die mit Esche materialisierten zwei letzten Diagonalstäbe bei den Auflagern. Nur aus Laubholz können sie die enorm hohen Schnittkräfte aufnehmen. Alle anderen, weniger belasteten Tragelemente sind aus Fichte, ­allerdings mit einer extrahohen Festigkeitsklasse.

Die Hauptträger sind teilweise mit der darüber liegenden Decke aus 80 mm starken Brettsperrholzplatten über Pressschrauben statisch fest verbunden: Sechs der acht Träger in Feldmitte über einem Drittel der Spannweite ohne die beiden Randträger mit der geringeren Lasteinflusszone bilden somit in diesen Bereichen konstruktiv einen Plattenbalken, wobei die gesamte Decke als Scheibe funktioniert und die horizontalen Lasten bzw. Erdbebenkräfte abträgt. Dafür war insbesondere auch ein horizontal liegender Riegel notwendig, der alle Träger im Auflagerbereich miteinander verbindet, statisch zusammenschliesst und die Aussteifung in Gebäudelängsrichtung gewährleistet. Alle weiteren anzunehmenden Erdbebeneinwirkungen werden über die Stahlbetonkerne und -wände abgeleitet.

Auf Brand bemessen und schwingend

Weil es sich beim Neubau um ein Gebäude mittlerer Höhe handelt und die Hauptträger der Halle zugleich die Träger des Ausseneventplatzes sind, musste das Holztragwerk gemäss den Brandschutzanforderungen einen Feuerwiderstand von R60 erfüllen. Diese Auslegung auf nur 60 Minuten scheint im ersten Augenblick relativ tief. Doch die Fluchtwege sind zahlreich und direkt, sodass R90 nicht notwendig war. Bei R60 hat man aber ebenfalls bereits die Auflage, die Holzkonstruktion nicht nur vorerst kalt, sondern danach auch warm zu bemessen. In diesem Verfahren nimmt man an, dass die Temperatur in der Konstruktion über die Zeit hinweg ansteigt und sich somit die Festigkeit des Holzes reduziert. Mit dem Abbrand von etwa 0.7 mm/min und den entsprechend statisch bereits gegebenen Abmessungen des Holzträgerquerschnittes konnten die Anforderungen erfüllt werden.

Nicht erfüllt hingegen wurden die Schwingungskri­terien. Die Werte der Eigenfrequenz waren in der Bemessung von Anfang an massgebend, denn die gedrungene Trägerhöhe erlaubte es nicht, die notwendige Steifigkeit des Trägers zu erreichen. Mithilfe des Experten Dr. Daniel Gsell von  Ziegler Consultants erfuhr Bieler, welche Eigenfrequenzen bei der Holzkonstruktion zu erwarten waren. Dabei wurde deutlich, dass die Schlankheit des Trägers mit der kleinen statischen Höhe von durchschnittlich 3.5 m zu der grossen Spannweite von 35.6 m mit einem geringen Wert von 1/10 sehr hoch ist und damit für dynamische Bemessungen beziehungsweise für die Schwingungen matchentscheidend war. Bewegt sich eine erwachsene Person normalen Schrittes über die Dachfläche, entstehen minimale Schwingungen. Diese sind für andere, sich ebenfalls auf dem Dach ­befindende Personen faktisch nicht spürbar. Rennt hingegen eine Person über die Dachfläche, so können die erzeugten Schwingungen – je nach Sensibilität von übrigen Personen – wahrgenommen werden. Man beschloss daher, dynamische Beanspruchungen zu verbieten. Tanzende oder hüpfende Personen sind auf der Dachterrasse nicht erlaubt. Denn die zum Beispiel durch Musik ausgelösten synchronen Bewegungen können die Eigenfrequenz treffen und ein Aufschaukeln (Resonanz) ermöglichen. Die Tragsicherheit ist zwar jederzeit gewährleistet, aber das Tragwerk selbst kann beschädigt werden, wenn es durch die synchrone Bewegung einer sehr grossen Menschenmenge in Schwingung gebracht wird. Das Verbot ist nun auch in der Nutzungsvereinbarung festgehalten.

Klarheit ergibt Vielseitigkeit

Die Hauptträger trotz den Hürden und Herausforderungen bezüglich Brand und Schwingungen konsequent in Holz auszuführen, ist bemerkenswert, weil es letztlich in mancherlei Hinsicht einen Mehrwert schafft. Es werden nicht nur ökologische Aspekte, Anforderungen und Wünsche erfüllt, sondern es wird auch der räumliche Eindruck aufgewertet – zumal neben den Haupttrag­elementen auch die Innenausbauten wie Wandausfachungen zwischen den Stützen in Holzwerkstoff – in diesem Fall OSB-Platten – umgesetzt sind. Dank dieser Stringenz in Holz besticht die neue Halle am Schluefweg mit einer bemerkenswerten Klarheit, die ihr zugleich aber auch eine vielseitige Nutzungsmöglichkeit verleiht. Genau deshalb eignet sich der Raum sowohl uneingeschränkt als Wettkampfhalle für leistungsorientierte Mannschafts- oder Einzelsportarten als auch als stilvoller Saal für gediegene und feierliche Events. Die klare Gestaltung ermöglicht optimale Sichtverhältnisse, was für das Geschehen auf dem Eis von grosser Bedeutung ist. Gleichzeitig bewirken die gelochten Platten, die in den Wänden und an den Decken montiert wurden, eine angenehme Akustik sowohl während des Spiel- als auch während des Eventbetriebs. Die Hauptträger bieten den repräsentativen Rahmen dafür. Bieler sagt es treffend: «Mit den gedrungenen, robusten, aber dennoch eleganten Holzbindern entstanden edle Reitrosse.»

Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 25/2023 «Baukunst für den Eissport».

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