Ei­ne Bau­aus­stel­lung ist es erst, wenn ge­baut wird

Pandemiebedingt musste die Schlusspräsentation der IBA Basel 2020 letztes Jahr verschoben werden. Nun bekommt die Öffentlichkeit die Ergebnisse der länderübergreifenden Arbeit ab Ende April 2021 zu sehen. Was bleibt nach zehn Jahren Ausnahmezustand? War eine Internationale Bauausstellung das richtige Instrument für die Metropolitanregion Basel?

Publikationsdatum
23-04-2021

Die Internationale Bauausstellung IBA Basel 2020 geht im Sommer 2021 zu Ende. Was bleibt? Eine spektakuläre neue Rheinbrücke oder eine architektonisch beeindruckende interkulturelle Begegnungsstätte sicher nicht. Vergangene Bauausstellungen haben in diese Richtung vorgelegt und international bekannte Gebäude, ja ganze Stadtteile geschaffen. Als erste IBA gilt die Wohnanlage Mathildenhöhe in Darmstadt, die 1901 fertiggestellt wurde. Auch die Weissenhofsiedlung in Stuttgart zählt zu den bekannten Beispielen für das Neue Bauen. Sie war Teil einer Bauausstellung, die der Deutsche Werkbund 1927 mit der Stadt Stuttgart ausrichtete. 2013 machte die IBA Hamburg mit 70 baulichen, kulturellen, sozialen und ökologischen Projekten auf sich aufmerksam. Traditionell ist eine IBA eine Leistungsschau der Architektur, die auf gesellschaft­liche Problemlagen reagiert.

Aber ist eine Bauausstellung nur dann eine Bauausstellung, wenn man etwas Gebautes sieht? Die Verantwortlichen der IBA Basel 2020 werden nicht müde zu betonen, dass in den letzten Jahren vor allem viele ­Prozesse definiert und die länderübergreifende Zusammenarbeit verbessert wurden. Nur im wörtlichen Sinn sichtbar ist das leider nicht.

Der Städtebau- und Raumplanungsexperte Angelus Eisinger ist Mitglied im Kuratorium der IBA Basel 2020. Seine Gedanken erläutert er im Gespräch mit TEC21.

In den letzten 100 Jahren hat sich die Ausrichtung einer Internationalen Bauausstellung verändert. IBAs unterscheiden sich thematisch und strukturell, gemeinsam ist ihnen noch die zeitliche Begrenzung und die Konzentration aller Kräfte, Mittel und der öffentlichen Aufmerksamkeit auf den jeweils vorgegebenen Zeitraum. Die IBA Emscher Park (1989 –1999) war die erste, die nicht mehr automatisch gesellschaftliche Probleme an sich thematisiert hat, sondern Strukturfragen einer Region. Sie trat mit dem Ziel an, dem zentralen Ruhrgebiet mit seinem industriellen Niedergang Impulse für einen konzeptuellen Strukturwandel zu geben.

Die IBA Basel 2020 hat sich zu Beginn selbst als eine auf zehn Jahre angelegte grenzüberschreitende Regionalentwicklung definiert, die zu einer Steigerung der Lebensqualität sowie der touristischen und wirtschaftlichen Attraktivität der gesamten Region beitragen möchte. Von Bauen steht in dieser Definition nichts. Der Schwerpunkt lag und liegt auf der internationalen Kooperation in grösseren zusammenhängenden Räumen. Wären die Errungenschaften unter einem anderen ­Namen anders wahrgenommen worden? Zum Beispiel als Regionale, als Gartenschau oder als Modellvorhaben? Es ist unbestritten, dass vor allem die Landschaftsprojekte der IBA Basel Fahrt aufgenommen haben.

Mehr Mut zu informellen Prozessen

Im Bericht «Megatrends und Raumentwicklung Schweiz» hat der Rat für Raumordnung 18 Empfehlungen formuliert. Eine davon lautet: «Reallabore für Zukunftstechnologien» zulassen. Eric Jakob, Direktion für Standortförderung des SECO, bestätigte in einem Referat an der Swissbau 2020: «Wir sind der Meinung, dass Prozesse in der Schweiz zu langsam sind.»1 Innovative Ideen sollten schnell umgesetzt werden können. Es gebe noch zu viele Hindernisse: Restriktive Regulierungen und eine gewisse Risiko-Aversion zählen dazu. Hier könnten Experimentierräume helfen. Informelle Prozesse sind also durchaus erwünscht. Ein Gegenargument wäre: Greift man zu oft auf informelle Prozesse zurück, besteht die Gefahr, dass das Besondere normal wird und an Innovationskraft verliert.

Warum hat man sich in Basel schlussendlich für eine Internationale Bauausstellung entschieden? Ausschlaggebend waren nach Aussage von Dr. Maria Lezzi, Direktorin des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE), besonders zwei Punkte: Die internationale Stahlkraft einer IBA sollte helfen, der Region Basel den nötigen Schub zu verleihen. Ausserdem wurde die IBA dank ihrer trinationalen Ausrichtung durch EU-Interreg-Fördergelder unterstützt.

Die länderübergreifende Komponente könnte aber durchaus auch dem Umstand geschuldet sein, dass der Kanton Basel-Stadt in den 2000er-Jahren auf städtischem Gebiet keine Expansionsmöglichkeiten mehr hatte und die Zusammenarbeit mit dem Kanton Basel-Landschaft lange Zeit nicht die beste war. In den stadtnahen Gebieten in Frankreich und Deutschland gab und gibt es aber Freiräume. Dieses gewagte Kon­strukt der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit birgt gewisse Risiken. Allein wegen der unterschied­lichen Wirtschaftskräfte und Verwaltungssysteme ­sowie der drei verschiedenen politischen Systeme mit unterschiedlichen Wahlrhythmen wird die Koordination extrem anspruchsvoll.

In der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und der Definition der Prozesse konnte das IBA-Team punkten. Bleibt zu hoffen, dass die Erfolge nicht nur von den beteiligten Personen und deren guten Beziehungen zueinander abhängig sind, sondern dass die Projektarbeit fortgesetzt und die Prozesse im Sinn der IBA weitergeführt werden. Dann wird die IBA 2020 Basel langfristig ein gutes Beispiel für andere Grenzregionen sein. Möchte man im internationalen Kontext zunehmend zusammen planen und bauen, ist es vielleicht an der Zeit, über neue grenzüberschreitende und zeitlich flexiblere Formate nachzudenken.

TEC21 sprach mit ARE-Direktorin Dr. Maria Lezzi und IBA-Geschäftsführerin Monica Linder-Guarnaccia über Erwartungen, Erfolge, Erkenntnisse und künftige Entwicklungen des Experimentierraums Basel.

Sollte es also tatsächlich das Instrument IBA bzw. allein der Begriff «Bauausstellung» sein, der nach aussen die falschen Erwartungen geweckt hat? Diesen Eindruck zu korrigieren ist unter anderem die Aufgabe der Ausstellung «IBA Basel Expo». Dem IBA-Team wird es jedoch nicht einfach gemacht. Aufgrund der aktuellen Pandemielage können die Ergebnisse und Erfolge nicht wie geplant präsentiert werden. Möglicherweise wird sich die IBA Basel 2020 noch eine Weile den Vorwurf gefallen lassen müssen, dass die internationale Strahlkraft fehle.

TEC21 hat kontinuierlich über Entstehung, Etablierung und Fortschritte der Internationalen Bauausstellung IBA Basel 2020 berichtet. Die Inhalte aus den Ausgaben TEC21 38–39/2016 «IBA Basel 2020 – der Stand der Dinge» und TEC21 1–2/2020 «Basel 2020: die andere IBA» sowie viele weitere Artikel sind im E-Dossier Basel gebündelt.

Raumlabore

 

Regionale 2025
Die derzeit im Limmattal stattfindende Regionale 2025 versteht sich als grosse Projektschau und richtet ihr Augenmerk auf drei Entwicklungsfelder. Jedes Projekt ist einem dieser Themen zugeordnet. Unter dem Titel «Freiraum» geht es darum, die natürlichen Längs- und Quer­elemente der Landschaft sowie die zahlreichen Freizeit- und Sportanlagen zu verknüpfen, um so den Freiraum des Limmattals zu sichern. «Erneuerung» betrifft die Stadtentwicklung, die Infrastruktur und die Mobilität, die gemeinde- und kantonsübergreifend stattfindet. Zudem muss die Verkehrsentwicklung regionalen und na­tionalen Ansprüchen genügen. Die Projekte im Themenfeld «Zusammenleben» möchten Anliegen und Befindlichkeiten der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen aufnehmen, um sich gemeinsam weiterzuentwickeln.

 

Hinter der Regionale 2025 steht der Verein Regionale Projektschau Limmattal. Er wurde 2015 ge­grün­det und wird von 16 Limmattaler Gemeinden und Städten zwischen Baden und Zürich sowie von den ­Kantonen Aargau und Zürich getragen.

 

Modellregionen
Der Bund unterstützt von 2020 bis 2024 bereits zum vierten Mal Vorhaben von Gemeinden, Regionen, Agglomerationen und Kantonen mit rund 3.9 Mio. Franken. Die Modellvorhaben geben den lokalen, regionalen und kantonalen Akteuren einen Anreiz, neuartige Lösungen zu entwickeln und in der Praxis zu erproben. Weitere Regionen und Gemeinden können von den Erfolgen und von den Schwierigkeiten lernen. Für die vierte Generation von Modellvorhaben hat der Bund fünf Themenschwerpunkte festgelegt: «Digitalisierung für die Grundversorgung nutzen», «Integrale Entwicklungsstrategien fördern», «Landschaft ist mehr wert», «Siedlungen, die kurze Wege, Bewegung und Begegnung fördern» und «Demographischer Wandel: Wohn- und Lebensraum für morgen».

 

Gartenschau
In Deutschland und Österreich wird gern das Instrument der Landes- oder Bundesgartenschauen eingesetzt. In Nordrhein-Westfalen gab es bereits 1970 eine Landes­gartenschau. Durch die Gartenschauen sollen die Lebensqualität und das ökologische Klima in den Städten verbessert werden. Häufig dienen sie auch stadt- bzw. regionalpolitischen Entwicklungszielen. Zuletzt nutzte die Stadt Heilbronn (D) die Chance, Teile des Stadtgebiets um- und neu zu gestalten. Die Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn war somit die erste BUGA in Kombination mit einer Stadtausstellung.

 

Auch in der Grenzregion Basel fanden schon Landesgartenschauen statt: 1983 in Lörrach – mit dem Landschaftspark «Grütt» entstand ein grenznahes Erholungsgebiet – und 1999 in Weil am Rhein – der Dreiländergarten wird heute als grenzüberschreitende grüne Lunge bezeichnet. In der Schweiz gab es mit der «Grün 80» ein vergleichbares Format. Sie fand 1980 in Münchenstein BL statt und war die zweite Ausstellung für Garten- und Landschaftsbau in der Schweiz. Heute wird das Gelände von der Genossenschaft Migros Basel unterhalten.

Anmerkungen
1 Swissbau 2020, Referat Eric Jakob, Leiter für Standortförderung SECO: «Weshalb experimentieren im Raum? Überlegungen und Erfahrungen des Bundes aus Modellvorhaben und weiteren Instrumenten».
 

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