Die Zu­kunft liegt aus­ser­halb der Kom­fort­zo­ne

Die Entwicklung um die LHO bewegt die Gemüter. Leider fehlt in der aktuellen Debatte teils das Sachverständnis. Eine chronologische ­Aufarbeitung und ein Blick auf mögliche Perspektiven sind vonnöten.

Publikationsdatum
23-05-2019

Die Ordnungen für Leistungen und Honorare (LHO) sind zweifelsohne die bedeutendsten Vertrags- und Verständigungsnormen der Bauplanungsbranche. In der aktuellen Diskussion geht aber oft vergessen, dass sie nicht bloss aus einer Berechnungsformel, sondern hauptsächlich aus allgemeinen Vertragsbedingungen und Leistungsbeschrieben bestehen.

Manch einem erfahrenen Berufskollegen mag die der­zeitige «Un-Ordnung» bekannt vorkommen. Derselbe Schauplatz, wir schreiben das Jahr 2002: Die Wettbewerbskommission (Weko) hielt damals den SIA dazu an, das Kostentarifmodell zurückzuziehen. Es folgte eine Revision der LHO; die langjährige Honorarformel wurde durch eine Zeitaufwandformel ersetzt.

Diese fand in den folgenden rund zehn Jahren landläufig An­wendung – in Verbindung mit den Honorarempfehlungen der Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren (KBOB) entstand so eine Orientierungshilfe zur Honorarabschätzung. Auch mit der Revision der LHO im Jahr 2014 erfuhr das Modell nur geringfügige Anpassungen, die Berechnungsmodalität blieb dieselbe.

Im Jahr 2015 allerdings sehen sich der SIA und die KBOB einer erneuten Weko-Rüge ausgesetzt. Bemängelt wird, dass sowohl das Zeitaufwandmodell als auch die Honorarempfehlungen eine unzulässige Wettbewerbsabrede darstellen. Dar­aufhin zieht die KBOB ihre Honorarempfehlungen per Ende 2017 zurück, während das Zeitaufwandmodell des SIA weiterhin bestehen bleibt.

Als Konsequenz teilt die Weko dem SIA mit, sie habe Voruntersuchungen zur Kartellrechtskonformität der LHO eingeleitet. Im November 2018 beschliesst der SIA, die Artikel 1 bis 6 der LHO mittels Loslösung vom Zeitaufwandmodell zu retten und während einer Übergangsfrist Weko-konforme Kalkula­tionshilfen zur Bestimmung von statischen Kenngrössen (Quantile des Zeitaufwands) zu publizieren.

Zurück in die Gegenwart, April 2019. Die Delegiertenversammlung des SIA beschliesst, die zeitweiligen Kalkulationshilfen bis zum Ablauf der gewährten Übergangsfrist Ende 2019 bestehen zu lassen und die Artikel 1 bis 6 der LHO 102, 103, 105 und 108 anschliessend neu zu publizieren. Sie trifft damit einen richtigen Entscheid.

Konkret steht der Branche noch bis Ende 2019 eine Übergangslösung mit Kalkulationshilfe zur Verfügung, ab Beginn des Jahres 2020 dann eine auf die Artikel 1 bis 6 reduzierte LHO. Was bleibt, sind die ­bekannten allgemeinen Vertrags­bedingungen und die seit gut 15 Jahren praxiserprobten Leistungsbeschriebe. Für unbestimmte Zeit fehlen wird einzig eine vereins­seitige Empfehlung zur Zeitaufwand­berechnung nach den Baukosten.

Mit welchen neuen Herausforderungen wird die Branche also ab Beginn des kommenden Jahres konfrontiert werden? Nun, genauso wenig, wie einst die KBOB eine individuelle Kostendeckung durch die empfohlenen Honoraransätze garantierte, sicherte das Modell des SIA je eine Deckung des projektspezifisch anfallenden Zeitaufwands zu. Auch bis anhin liess sich – trotz aller Empfehlungen und Modelle – die eigene Verantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg eines Auftrags nicht abschieben.

Das bevorstehende Auslaufen der Zeitaufwandformel stellt also keine existenzielle Bedrohung dar, zumal ihre Verwendung als Orientierungshilfe nach wie vor zulässig ist und das Modell gar vertraglich vereinbart werden kann. Vielmehr entsteht dar­aus eine ­Chance, sich von gewissen Fesseln zu befreien und an einer zukunftsfähigen Lösung zu arbeiten. Diese Gelegenheit wird gegenwärtig von den ordentlichen LHO-Kommissionen und einer Expertengruppe wahrgenommen.

Sicherlich bedeuten diese Veränderungen je nach gängiger Praxis eine Umstellung im eigenen Büro. Für diejenigen, die sich bisher stark an Honorarempfehlungen und am Zeitaufwandmodell orientiert haben, mag das gar einem Schritt aus der Komfortzone gleichkommen.

Die Ablösung der Leistungsbeschriebe vom Zeitaufwandmodell und damit von den Leistungsprozenten bringt überdies aber bedeutende Vorteile und Möglichkeiten mit sich: Ohne ein Modellkorsett lassen sich beispielsweise Leistungen viel besser an Kunden-, Projekt- und ­Prozessbedürfnisse anpassen und ­technologische Entwicklungen genauer adaptieren. Ohne direkte Verbindung zwischen Baukosten und ­Zeitaufwand können auch Planungsleistungen zu kostengünstigen Lösungen gebührend vergütet werden.

Kurzum: Die derzeitige Entwicklung schafft neuen Raum sowohl für eine angemessene Vergütung von kreativ oder kulturell geprägten Prozessen als auch für effiziente und produktive Planungsleistungen.

Weitere Beiträge zum Thema LHO finden sich in unserem digitalen Dossier

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