Der Kli­ma­wan­del for­dert die Wald­wirt­schaft

Der trockene Sommer 2018 setzte den Wäldern in Europa zu. Die Förster hüten sich aber davor, von einem neuen «Waldsterben» zu sprechen. Um die Herausforderungen anzugehen, sind neue Kooperationen nötig, befanden die Delegierten der Union of European Foresters.

Publikationsdatum
27-08-2019

Zum ersten Mal überhaupt hat die Schweiz die Delegierten der Union of European Foresters (UEF) für das Governing Council Meeting nach Maienfeld an das Bildungszentrum für Wald, Holz, Bau und Gestaltung eingeladen. Als europäische Dachorganisation der nationalen Berufsverbände vertritt die UEF die Interessen der Forstleute. Der Fachverein Wald des SIA ist Mitglied der UEF und organisierte im Rahmen des Treffens eine Fachtagung zum Thema «Innovation im Wald in Zeiten des Klimawandels».

Die Wahl des Themas war ein Volltreffer. Nach dem trockenen Sommer 2018 zeigen sich an den Waldbäumen nun immer mehr die Folgen der letztjährigen Dürre – in der Schweiz ebenso wie in ande­ren Teilen Europas. In seinem Begrüssungsreferat erinnerte Josef Hess, Forstingenieur und Regierungsrat im Kanton Obwalden so­wie Prä­sident der Konferenz für Wald, ­Wildtiere und Landschaft der ­Kantonsregierungen, daran, wie die Schweizer Politik im 19. Jahrhundert als Reaktion auf die Übernutzung des Walds ein wirksames Forstgesetz erliess. Allmählich habe sich der Waldzustand verbessert. Nun sei der Wald durch neue Gefahren wie den Klimawandel bedroht, sagte Hess. Gefährdet seien vor allem die Ökosystemleistungen, von denen die Gesellschaft profitiere, betonte er.

Europäische Vielfalt der Problemlage

Danach präsentierten die Dele­gierten die drängendsten Probleme in ihren Ländern. Die deutschen Försterinnen und Förster ringen mit EU-Vorschriften, die Buchenwälder aus Naturschutzgründen bewahren wollen, obwohl der Klimawandel eine andere Richtung vorgibt. In Polen und der Ukraine sind grosse Flächen durch Borkenkäfer bedroht. In den französischen Savoyen ist das Laubholz auf dem Vormarsch, während die Sägereien noch komplett auf Nadelholz ausgerichtet sind.

In Österreich sind viele Privatwald­besitzer ungeduldig und wollen wissen, auf welche Baumarten sie bei der Holzproduktion setzen sollen. In Albanien übernutzt die Bevölkerung den Wald und schlägt illegal Holz. In Schweden und Finnland gerät die Forstwirtschaft in den Augen einer klimabewussten Öffentlichkeit zunehmend unter Druck. Dabei sind die Förster der Ansicht, dass gerade die Forstwirtschaft mit der Nutzung des nachwachsenden Rohstoffs Holz einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leiste.

Die Auslegeordnung der forstlichen Befindlichkeiten machte deutlich, wie unterschiedlich die Situation in Europa ist. Jean-Philippe Hagmann sammelte die Inputs aus den Ländern. Hagmann ist Experte für radikale Innovation und unterrichtet im Studiengang Produktdesign an der Höheren Fachhochschule Südostschweiz ibW zum Thema «Innovations- und Projektmanagement».

Innovationen ermöglichen

Nach einer Bewertung der Herausforderungen durch die Teilnehmenden wählte Hagmann sieben Themen aus, über die man anschliessend in Kleingruppen diskutierte. Beim Thema der unter Druck stehenden Buchenwälder, die sich aus Sicht des Naturschutzes aufgrund des Klimawandels in eine unerwünschte Richtung entwickeln, setzte sich in der Gruppe die Meinung durch, dass die Förster auf die dynamische Entwicklung der Baumartenverschiebung hinweisen und auf eine Än­derung der Ziele pochen müssen. Gleichzeitig sollen sie aber glaubwürdig aufzeigen, dass sie es mit dem Schutz der Biodiversität ernst meinen.

Etwa ein Dutzend Studierende der Höheren Fachschule Südostschweiz, Abteilung Gestaltung mischten sich während des Workshops unter die europäische Försterschar und brachten ihre Ideen ein. Den Bogen zurück zur forstlichen Welt schlug Harald Bugmann, Professor für Waldökologie an der ETH Zürich, der in seinem Schluss­re­ferat dafür plädierte, die Herausforderun­gen vorausschauend anzugehen. Ein zentrales Element für den Erfolg ortet er in einer Kooperation zwischen der Wissenschaft und der forstlichen Praxis.

Es gelte zu akzep­tieren, dass die heutigen Baum­arten nicht mehr an ihre jetzigen Standorte angepasst seien. Fremdländische Baumarten könnten deshalb nützlich oder sogar nötig sein. Laut Bugmann wird die Nachfrage nach Waldprodukten und damit auch der Druck auf den Wald zunehmen. Wollten die Länder die Klimaschutzziele erreichen, so sei dies ohne eine Bioökonomie einschliesslich der Nutzung der Wälder nicht machbar, ist er überzeugt.

Die wichtigsten Erkenntnisse der Fachtagung: Die Exponenten der Waldwirtschaft und die Förster sind verunsichert und unschlüssig, wie sie auf den Klimawandel reagieren sollen. Neue Ideen gepaart mit Pioniergeist sind nötig. Zentral ist zudem, wie es den Waldfachleuten gelingt, mit wichtigen Interessengruppen wie dem Naturschutz zusammenzuarbeiten, und ob sie den Wald in einer Art und Weise bewirtschaften, damit die gesamte Gesellschaft davon profitiert.

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