«BIM in den Dienst der Ar­chi­tek­tur stel­len»

Im Jahr 2017 gewannen die beiden Teams bunq/GD und JSAA/LRS das Auswahlver­fahren für die beiden «Stadtstücke» der Kaserne Les Vernets, das den Einsatz von BIM bereits in der Vor­projektphase erfordert. Geschichte einer Ausbildung, die viele Fragen zur Zukunft des Berufs aufwirft.

Publikationsdatum
21-05-2019

Marc Frochaux: Wie verlief Ihre Ausbildung im Bereich BIM?

Amaury Delorme: Es war eine auto­didaktische Ausbildung, basierend auf Erfahrungen, die ich in anderen Büros oder während des Studiums gesammelt habe. In der Tat ermöglicht das Know-how in der 3-D-Modellierung den Übergang zu BIM. In unserer Situation müssen wir die Methoden des Bauherrn, also die eines Totalunternehmers, anwenden, und der Lead ist nicht bei uns. Der TU definiert verschiedene Einstellungen und Vorgaben. Dank der in anderen Projekten gesammelten Erfahrung können wir mit der Entwicklung unserer eigenen Methoden beginnen.

Philippe von Bergen: Mit BIM werden neue Dienstleistungen benötigt: Man muss also verschiedene Einstellungen  definieren, die zwar für das General­unternehmen nützlich sind, aber in der Arbeit des Architekten nicht geschätzt werden. Die Arbeit des Bauzeichners oder sogar des Architekten befindet sich in einem tief greifenden Wandel.

Was sind das konkret für neue Aufgaben?

Delorme: Wir haben den Bauherrn um ein BIM-Pflichtenheft gebeten und dann ein Template erstellt, mit dem wir alle Elemente unseres Modells mit den inte­grierten Informationen in das IFC-Format exportieren können. In einem zweiten Schritt haben wir die fünf Investoren unseres Stadtstücks auf die beiden Büros JSAA und LRS aufgeteilt. Schliesslich wurde das Projekt auf einer ge­meinsamen Grundlage konzipiert, wobei 12 Arbeitsdateien, die über eine BIM-Cloud ausgetauscht werden, mit­einander verknüpft sind. All dies er­fordert viel Arbeit am Organigramm und am Verzeichnisbaum, um gemeinsam die Elemente festzulegen, die sich ­wiederholen müssen, und diejenigen, die sich nicht wiederholen dürfen.

Bruno Da Cruz: Eine weitere heikle  Aufgabe besteht darin, eine Informa­tionsüberflutung zu vermeiden. Dank allen Grundeinstellungen wird der gewünschte Detaillierungsgrad definiert – un­abhängig von den Erwartungen des Unternehmens. Um wieder einen ge­wissen Arbeitskomfort erreichen zu können, mussten wir die Grundeinstellungen vereinfachen, bis wir eine neu­trale ­gra­fische Sprache gefunden hatte, wie zum Beispiel ein weisses Modell.

Glauben Sie, dass Sie durch diese wichtige Vorlaufarbeit Zeit bei der Ausführung sparen werden?

Jean-Paul Jaccaud: Das zwingt uns vor allem, schnelle Entscheidungen zu treffen. Diese Auffassung steht im Einklang mit der Vision von General- oder Totalunternehmern, die offensichtlich ein grosses Interesse daran haben, so schnell wie möglich zu handeln. Sie passt we­ni­ger zur Vision des Architekten, der in erster Linie auf die Qualität achtet. Wir erleben einen Wandel im Bauwesen, wobei das Bauen vermehrt als Prozess gesehen wird, der die Vorstellungen von Form und ­Qualität verdrängt. BIM ist eine Methode, die perfekt zu dieser Vision passt.

Julien Grisel: Alles hängt von dem in der Vorprojektphase definierten Detaillierungsgrad ab. Dies ist auch das Hauptthema bei den Verhandlungen mit dem Totalunternehmern. Wird er nicht genau definiert, kann dies für die Optimierung eines Projekts sprechen. Ist der Kern klar definiert, kann das Projekt mit BIM später verfeinert oder sogar verändert werden, um einfache und elegante kon­struktive Lösungen zu finden. Wird dieser Detaillierungsgrad jedoch zu schnell festgelegt, ist es zu aufwendig, Änderungen am Projekt vorzunehmen, da in diesem Fall alle Einstellungen neu definiert werden müssen. Ein gewisses Mass an Unbestimmtheit ist für die Entwicklung eines Projekts wichtig und liegt schlussendlich auch im Interesse des Investors.

Was hindert Sie daran, einen Genauigkeitsgrad, der den Anforderungen des Vorprojekts entspricht, selbst zu bestimmen?

Rolf Seiler: Das Problem ist nicht so sehr das Werkzeug, sondern die Beziehung zum Bauunternehmen. Die BIM-Methode als Werkzeug und Methode ist sehr interessant. Wenn wir die Richtung der Arbeiten selber vorgeben, kann während der Ausführungsphase die Möglichkeit einer Vernetzung des Modells mit einer Datenbank sehr vorteilhaft sein. Allerdings sind Architekten in Bezug auf die BIM-Methode derzeit sehr zurückhaltend, auch an den Schulen. Wir schaufeln dabei unser eigenes Grab, denn wir Architekten sollten bei dieser Technik Vorreiter sein, damit die Bauherren unsere Methoden anwenden.

Cécile Aubecq: Die Ausbildung unserer eigenen BIM-Manager stellt eine echte Herausforderung dar. Sich in den Schulen der Generalunternehmer ausbilden zu lassen, bedeutet, den Bock zum Gärtner zu machen, um es unverblümt zu sagen. Wir müssen die BIM-Methode aus der Sicht des Architekten wieder an ihren richtigen Platz bringen. Anderenfalls wird es ein Kampf mit ungleichen Waffen bleiben.

Wie berechnen Sie Ihre Leistungen?

von Bergen: Der Totalunternehmer berücksichtigt einige der von uns erbrachten Dienstleistungen nicht, wie z. B. die Einführung der vorgeschriebenen BIM-Einstellungen. Wenn wir uns freiwillig dafür entscheiden, weil wir das Projekt leiten, könnten wir dank dem BIM-Tool und der vereinfachten Koordination für unsere Dienst­leistungen gerecht entlöhnt werden.

Seiler: Es gäbe einen Weg, die Kosten für diese Dienste zurückzuerhalten: nämlich durch den Weiterverkauf des BIM-Modells an den Bauherrn, sobald das Projekt abgeschlossen ist. Dies ist bereits geschehen: Diese Transaktion könnte die Konzeptionskosten decken.

Sollte mit dem Übergang zu BIM der Standardvertrag, der die Rollen und Verantwortlichkeiten von Architekten und Unternehmen definiert, geändert werden?

Jaccaud: Im Gegensatz zu dem, was man erwarten könnte, ist es nicht immer einfach, die BIM-Methode unseren Stammkunden anzubieten, da sie oft das traditionelle Verfahren bevorzugen. Aus vertraglicher Sicht haben wir jedoch keine Möglichkeit, dies durchzusetzen: Der aktuelle Architektenvertrag SIA 1002 berücksichtigt die BIM-Methode nicht, und die Beschreibung der Phasen steht im Widerspruch zu einer Vision der Integration dieser Methode. Ein entscheidender Aspekt der BIM-Methode ist die Frage nach einer zentralen Kontrollstelle. In einer traditionellen SIA-Betriebsstruktur mit Sternenstruktur sind multidisziplinäre Teams jedoch relativ unabhängig voneinander. Bisher zeigten die Bauherren kein Interesse daran, diese Rolle zu übernehmen. Die Einzigen, die dieses Recht derzeit in Anspruch nehmen können, sind die General- oder Totalunternehmer. Im Hinblick auf die Überarbeitung des SIA-Vertrags wäre es nun interessant, den Prozess aus der Sicht der Architekten zu beschreiben, die die Richtung der Arbeiten vorgeben ­wollen: den Prozess, den Übergang zur BIM-Methode, die Struktur und die Einbeziehung der verschiedenen Auftragnehmer. Wenn wir diese Gelegenheit hätten, müssten wir das Projekt nicht gänzlich durchbestimmen. Sobald dieses aber unter Dach und Fach ist, könnten wir das Beste aus einer Methode machen, die in der Tat viel leisten kann.

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Ilôt A

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
Ciguë, CIEPP, CODHA, FVGLS, SCHG

Totalunternehmung
Losinger Marazzi

Architektur
bunq architectes et GD architectes

Tragkonstruktion
BG Ingénieurs conseils

HLKS
BG Ingénieurs conseils

Brandschutz
Amstein + Walthert

Landschaftsarchitektur
Atelier Descombes Rampini

BIM-Manager / BIM-Koordination
Losinger Marazzi

Facts & Figures


Gebäudevolumen
295 000 m3 (SIA 416)

Geschossfläche
7260 m2

Energielabel
Minergie-Eco

Planung
2017–2019

Ausführung
2020–2023


Ilôt B

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
CIEPP, CPEG, La Mobilière, FVGLS, SCHG

Totalunternehmung
Losinger Marazzi

Architektur
JSAA-LRS Architectes Associés

Tragkonstruktion
Perreten et Milleret

HLKS
Amstein + Walthert

Landschaftsarchitektur
Atelier Descombes Rampini

BIM-Manager / BIM-Koordination
Losinger Marazzi

Facts & Figures


Gebäudevolumen
255 000 m3 (SIA 416)

Energielabel
Minergie-Eco

Planung
2017–2020

Ausführung
2021–2024

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