Bau­en im Be­stand for­dert Hand­werks­kunst

Das Architektursymposium an der appli-tech Luzern, 1. Februar 2018, stand unter dem Motto: «Weiterbauen – Weiterdenken».

Publikationsdatum
06-02-2018
Revision
07-02-2018

Ein Blick zurück kann zukunftsweisend sein. Beim Weiterbauen im Bestand und bei Sanierungen begegnen Planer und Bauunternehmer nicht selten vergessenen Gestaltungsarten und Techniken, die aufzunehmen und weiterzuführen hohe Ansprüche an die Beteiligten stellt. Architektursprachen früherer Zeiten können als Vorbilder für heute dienen, ihre Qualitäten lassen sich aber auch in die Zukunft führen.

Bei der «appli-tech», der vom 31. Januar bis 2. Februar 2018 zum siebten Mal veranstalteten Fachmesse für die Maler- und Gipserbranche, Trockenbau und Dämmung, präsentierten auf 15 000 m2 in der Messe Luzern 150 Aussteller Produkte und Dienstleistungen; vier Sonderschauen stellten praxisnah neue Trends und Technologien der Branche vor. Es ging um das Bauen mit Lehm, die Digitalisierung im Bau, Asbest in der Praxis und «die letzten 10 mm» – Verputze für den Innen- und Aussenbereich. Schliesslich stehen bei Arbeit von Malern und Gipsern Verputze, Strukturen und Farben sowie um deren Wirkung an Fassaden-, Wand- und Deckenflächen im Mittelpunkt.

Von der Vergangenheit für die Zukunft lernen

Im Rahmen dieser Fachmesse fand am 1. Februar ein Architektursymposium unter dem Titel «Weiterbauen – Weiterdenken» statt, das althergebrachte Gestaltungsweisen und handwerkliche Techniken als Lernstücke für die Jetztzeit thematisierte. Das Gespräch leitete Martin Tschanz, Architekt und Dozent an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW Winterthur. Sein Credo: «Wer durch die Begegnung und in der intensiven Auseinandersetzung mit heute ungewohnten Gestaltungsweisen und Handwerkstechniken die eigenen Routinen immer wieder hinterfragt, dem erschliessen sich nicht nur spannende alte und neue Lernfelder, sondern es eröffnen sich auch überraschende Perspektiven für die Zukunft.» Die drei anschliessend zum Thema Architektur gehaltenen Referate basierten durchgehend auf eigenen Arbeiten der Referierenden und wirkten so authentisch und persönlich gefärbt.

Die von Martin Tschanz so treffend umschriebene Haltung durchzog insbesondere die Ausführungen des ersten Referenten, Architekt Martin Boesch (Zürich). Er plädierte überzeugend dafür, sich auf jede Architekturaufgabe unvoreingenommen neu einzulassen. Vorab beim Weiterbauen im Bestand sei das Spezifische und Einzigartige eines Gebäudes oder einer Überbauung hervorzuheben. Boesch zeigte unterschiedlichste Beispiele wie etwa städtebauliche Studien (alter Hafen Triest, Italien), bauliche Erneuerungen (Tonhalle Zürich und Theater Baden) sowie die Sanierungsarbeiten an der Hardbrücke in Zürich. Die von Boesch genannte wesentlichste Regel für den Umgang mit Bestehendem überzeugt: «Der Zweifel sei treuer Begleiter.»

Die Vorträge von Architektin Annette Helle (Zürich) und Architekt Jitse van den Berg (Brüssel) umkreisten ebenfalls die Themen Weiterbauen, Umbau und Sanierung. Sie demonstrierten, dass ein kreativer Umgang mit Vorhandenem in diesem Bereich neue Chancen eröffnen kann und damit zu ausserordentlichen Lösungen führt. Bestehende Bauten lassen sich um- und weiterdenken, etwa so, wie es die Umnutzung des ehemaligen Gefängnisses in Hasselt (Belgien) zu einer zeitgemässen Universität eindrücklich zeigt.

Der Präsident des SIA, Architekt Stefan Cadosch, betonte zum Schluss nochmals, dass für die Zukunft bauen vor allem auch bedeute, die Vergangenheit zu verstehen. Und gleichzeitig sei es klar, dass die Ziele einer künftig notwendigen energieeffizienten Lebensweise nur mit beschleunigtem Um- und Weiterbau des Gebäudebestands zu erreichen sind. Gemäss Statistik stünden derzeit in der Schweiz 1,46 Millionen Gebäude. Ein bedeutender Teil davon wurde noch vor 1980 erstellt – diese Bauwerke seien nur selten energetisch fit. Das heisst, sie entsprechen kaum je dem energiepolitischen Ziel der Energiestrategie 2050. Bei einer derzeitigen Renovationsrate von 0,9% würde es rund hundert Jahre dauern, diesen Bestand zu modernisieren – ideal wäre gemäss Cadosch eine Rate von 2 bis 3 %, also mehr als das Doppelte.

Insbesondere freute er sich deshalb über die Resultate des im Vorfeld dieser Fachmesse ausgeschriebenen Wettbewerbs «Fifties reloaded» der zeigt, wie interdisziplinäre Teams aus Handwerk und Planung auf die Herausforderungen des Bauens im Bestand überraschende, stringente und richtungsweisende Antworten geben (Wettbewerbsergebnis hier). Gekonntes Handwerk und Gestaltungswillen haben sich in den zwölf vorgelegten Projekten eindrücklich und sinnvoll verbunden.
 

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