«Auf Au­gen­hö­he mit der Ar­chi­tek­tur»

Szenografie

Das Museum Altes Zeughaus Solothurn wurde umgebaut und die Dauerausstellung erneuertDer Szenograf Roger Aeschbach erklärt, welche Struktur- und Wahrnehmungsebenen die Realisierung einer Ausstellung erschweren können.

Publikationsdatum
11-08-2017
Revision
14-08-2017

TEC21: Herr Aeschbach, Hand aufs Herz – kennen Sie den Unterschied zwischen einer Halbarte und einer Hellebarde?
Roger Aeschbach: Historiker sprechen von der Halbarte. Soweit mir bekannt, ist «Hellebarde» aber kein Fachbegriff. Warum fragen Sie?

TEC21: Sie haben die Waffen- und Wehrausstellung im Alten Zeughaus von Solothurn gestaltet. Was muss ein Szenograf über die Exponate selbst wissen?
Roger Aeschbach: Nicht jedes Detail, aber wichtige Fachkenntnisse fliessen selbstverständlich in das Präsentationskonzept ein. Beispielsweise waffengeschichtlich bedeutende Entwicklungen oder Personen, die dazu Hauptimpulse gegeben haben. Das Besondere an dieser Gestaltungsaufgabe war, dass man daraus ein historisches Designmuseum entwickeln konnte. Die Elemente der Inszenierung sind insofern die Objekte selbst sowie ihre Gestaltung, Funktion und die Materialbearbeitung.

TEC21: Eine Waffe dient kriegerischen Absichten. Hatten Sie keine Bedenken, die Besucher unmittelbar beim Eintritt ins Museum damit zu konfrontieren?
Roger Aeschbach: Der Auftakt muss sich aus den Objekten und dem Handwerk ergeben, das hinter jedem Einzelstück steckt. Denn diese sind direkt mit dem Ausstellungsort und seiner Entstehung verbunden. Wir stehen nicht in einem klassischen Kunstmuseum, sondern im Zeughaus, das seit jeher ein Massenspeicher für Waffen ist. Dazu hatten wir ursprünglich eine noch konfrontativere Situation für die Besuchenden ausgedacht, bei der alle Kanonen auf denselben Punkt gerichtet worden wären. Aber beim Herumschieben haben wir gemerkt, dass es nicht funktioniert.
Die Konfrontationsebene wird im Ausstellungsverlauf jedoch zugunsten einer eher repräsentierenden Perspektive aufgelöst. Denn die Zeughäuser sind traditionell auch zu Repräsentationszwecken benutzt worden, etwa mit dem Vorführen der Waffen von Adligen. Der Ursprung eines Wehrmuseums steckt also bereits im Zeughaus drin. Aus der historischen Architektur des Hauses wird ein weiterer Erzählstrang geknüpft, da die Räumlichkeiten ihrerseits beeindrucken und sich zur Vermittlung in dieser Ausstellung bestens eignen.

TEC21: Wie gingen Sie vor, um die Objekte in diesem selbstbewussten und lokal verankerten Gebäude angemessen zu präsentieren?
Roger Aeschbach: Die Wertschätzung des Zeughauses und die Wahrnehmung der Räume in der Bevölkerung sind besonders. Daher hatte man auch in der Politik Angst vor einer Verunstaltung. Unser Ziel war, den ursprünglichen Charakter des Rohen auch in der Art der Vermittlung und Inszenierung zu bewahren. Das Haus und die Objekte transportieren schon so viel Inhalt, dass wir auditive und visuelle Medien zurückhaltend eingesetzt haben. Doch das Haus soll nicht nur für Solothurn zentral bleiben, sondern auch ausserhalb stärker wahrgenommen werden. Daher war der Inhalt, die Wehrgeschichte der jüngeren Neuzeit, auf zeitgenössischere Art als bisher zu kommunizieren. Das Kuratorium gab zudem vor, das Zeughaus nun mit den Themen Konflikt und Konfliktbewältigung in der Museumslandschaft Schweiz zu positionieren.

TEC21: Die inhaltliche Neuausrichtung wurde für einen Studienauftrag unter Szenografen genutzt. Wie sind Sie mit der räumlichen Ausgangssituation umgegangen?
Roger Aeschbach: Es ist eine heikle Aufgabe, etwas Neues in derart wunderschöne Räume hinein zu planen. Aber bei allem Respekt braucht es manchmal den gestalterischen Bruch. Wir haben beispielsweise die verspiegelten Kabinen vorgeschlagen, damit die Vermittlung in räumlicher und inhaltlicher Distanz zum Zeughaus passieren kann. Die Wettbewerbsaufgabe bestand darin, vier solcher Themenräume zu entwerfen.

TEC21: Hatten Sie freie Hand, den Wettbewerbsentwurf eins zu eins zu realisieren?
Roger Aeschbach: Es ist erstaunlich, wie nah das Resultat am anfänglichen Entwurf bleiben konnte. Aus den vier Themenkammern im zweiten Ausstellungsgeschoss sind jedoch drei geworden. Die Reduktion ist zwar thematisch begründet, hat aber die räumliche Situation mit Sichtachsen und Lichteinfall eindeutig verbessert. Der Dialog mit den Kuratoren hat während des gesamten Umsetzungsprozesses gut geklappt, was für die komplexen räumlichen Interventionen vorteilhaft war. In unserem Berufsfeld ist der kontinuierliche Austausch jedoch üblich. Bereits in der Wettbewerbsphase diskutieren die Teilnehmer ein- bis zweimal mit den Kuratoren, damit die allenfalls länger dauernde Zusammenarbeit erprobt werden kann.

TEC21: Auf welche Periode ist eine solche Dauerausstellung konzipiert?
Roger Aeschbach: Die Gestaltung im Zeughaus kann im Prinzip für die nächsten 20 Jahre funktionieren. Auf eine Zeitlosigkeit in Gestaltung, Materialisierung, Vermitt­lung und Medieneinsatz wurde darum hoher Wert gelegt. Das heisst aber nicht, dass alles so bleiben muss: Ob etwa die Spiegelkabinen dem künftigen Zeitgeist gefallen, darf hinterfragt werden. Anpassungen der Einbauten sind bereits angedacht und können an den gewählten Bausystemen leicht vorgenommen werden.

TEC21: Wie hat der architektonische Erneuerungsprozess in Ihre Arbeit eingewirkt?
Roger Aeschbach: Im Zeughaus hat auch die Denkmalpflege bei der Raumgestaltung mitgeredet. Weil jede zusätzliche Partei die Komplexität erhöht und das Projekt erschwert, sind die Zuständigkeiten und das Management der Schnittstellen im Umsetzungsprozess wesentlich.

TEC21: Wie gut hat das beim Zeughaus geklappt?
Roger Aeschbach: Die interne Koordination funktionierte sehr gut. Dennoch ist unsere Arbeit meistens strukturell bedingt konfliktreich. Die Abläufe in der Museumsgestaltung und im Hochbau funktionieren anders. Ausstellungs- und Architekturprojekt sind richtigerweise organisatorisch bis hin zum Auftraggeber getrennt. Allerdings entsteht fast immer eine Zeitverschiebung zwischen den Ausführungsprogrammen. Die haustechnischen Anschlüsse erzeugen sehr schnell Druck: Kaum skizzieren wir den Gestaltungsentwurf, sind bereits definitive Anschlüsse festzulegen.

TEC21: Würde eine enge Zusammenarbeit zwischen Architekt und Ausstellungsgestalter die Situation verbessern?
Roger Aeschbach: Ich habe unterschiedliche Konstellationen in der Projektorganisation erlebt. Aber selbst wenn wir zum Planungsteam gehören, das einen Architek­turwettbewerb gewinnt, erfolgt die Ausführung in zwei Leistungsgruppen und läuft über verschiedene Budgets. Das Strukturproblem bleibt. Die Realisierung von Museen und Ausstellungs­bauten ist jedoch hochspezifisch und fällt daher aus der Norm. Das Bauen von Schul- und Verwaltungsgebäu­den lässt sich im Vergleich dazu leichter standar­disieren. Zudem ist die Zusammenarbeit zwischen Architekt und Gestalter auch im Alltag mit Stolpersteinen versehen.

TEC21: Was ist schwierig?
Roger Aeschbach: Eigentlich sollte eine Zusammenarbeit auf Augenhöhe möglich sein. Beide Disziplinen kennen sich mit Raumgestaltung aus; teilweise kann man gegenseitig von den unterschiedlichen Erfahrungen im Museumsbau profitieren. Schwierig wird es, wenn es um die Kontrolle über die Gesamtaufgabe geht.

TEC21: Verstricken sich Gestalter und Architekt im Gärtleindenken?
Roger Aeschbach: Architekten bauen schöne Räume, wenn sie ein Museum planen. Die Szenografen dagegen kommu­nizieren. Diese beiden Denkhaltungen können sehr verschieden und schwer vereinbar sein. Daher würde eine flexible Haltung im Ausführungsprozess die Zusammenarbeit sicher verbessern. Leider werden aber viele Museen so bestellt, dass die Signatur des Architekten erkennbar ist. Die Kehrseite davon ist, dass niemand zu fragen wagt, ob überhaupt etwas an die Wände aufgehängt werden darf. Wichtig ist daher, dass der Museumsbetreiber ein echtes Mitspracherecht im Bauprozess erhält.

Das Interview führten Paul Knüsel, Redaktor Umwelt/Energie, und Hella Schindel, Redaktorin Architektur/Innenarchitektur.
 

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