Ein neuer Blick auf alte Grenzen
Editorial TEC21 15/2021
Das Thema der 17. Architekturbiennale Venedig lautet: «How will we live together?» Mögliche Antworten hängen eng von Strukturen ab. Dazu gehören auch Landesgrenzen – das Thema des Schweizer Pavillons. Seine Kuratoren haben zwei Touren entlang der Schweizer Grenze unternommen und decken in Workshops, Videoaufnahmen und Modellen Tiefgreifendes zwischen den Zeilen auf: die Gesellschaft im Spiegel ihrer Wahrnehmung und Befindlichkeit. Grenzen werden zum Stückwerk aus nationalen Identitäten oder aus von Alltagsgewohnheiten unterspülten Barrieren bis zu sich weitenden Territorien multinationaler Regionen.
Das Projekt schärft durch die aneinandergereihten Fragmente den Blick auf essenzielle Zusammenhänge. Doch die an ein Kollektiv gerichtete, fast spielerisch anmutende Frage nach dem Zusammenleben ist in Wirklichkeit gewaltig und fragil. Wer bestimmt die Mitglieder der Gruppe, die mit «wir» gemeint sind? Wer legt das Regelwerk für die Visionen fest, und wie frei ist ihre Entwicklung?
Die Ausgangslage bilden die heterogene gesellschaftliche Zusammensetzung, sich auflösende oder sich verhärtende wirtschaftliche, politische und religiöse Ideen sowie die Abhängigkeiten und Machtgefüge unter Ländern und Menschen. Was ist also mit denjenigen, die sich der Herausforderung verweigern, weil sie an fairen Rahmenbedingungen zweifeln? Oder denjenigen, die zu arm sind, um an der grossen Umformung der Welt teilzunehmen? Gibt es unter diesen Voraussetzungen überhaupt einen Konsens für das «How» im Biennale-Thema? Es geht um viel – in letzter Konsequenz um die Ressourcenverteilung und die Macht, mit zukünftigen Gewinnern und Verlierern.
Weitere Infos zu dieser Ausgabe finden Sie hier. Alle Beiträge von TEC21 und espazium.ch zur 17. Architekturbiennale Venedig finden Sie in unserem digitalen Dossier.