An­spruchs­vol­le In­stand­set­zung von Stahl­brü­cken

120 Beteiligte konnte Felix Wenk, Professor für Erhaltung im Bauwesen der Hochschule Rapperswil, im Frühjahr zu einem Seminar an der HSR über die Instandsetzung von Stahlbrücken begrüssen.

Publikationsdatum
08-11-2018
Revision
08-11-2018

Stahlbrücken entstanden oft um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert und sind nun Gegenstand von Instandsetzungen, um den aktuellen Anforderungen zu genügen. Neben der üblichen Korrosionsschutzerneuerung sind es vielfältige Bauaufgaben, die anspruchsvolle und manchmal einzigartige technische Umsetzungen erforderlich machen. Der materielle und oft auch immaterielle Wert der stählernen Bauwerke kann so erhalten bleiben. Sechs Referenten zeigten an fünf Beispielen – davon eine Projektarbeit im Masterstudium der HSR –, wie dies gelingen kann.

Rheinbrücke Reichenau

Die genietete Fachwerkbrücke mit einem vierfachen Strebenwerk ist in den Inventaren der kantonalen Denkmalpflege und der historischen Verkehrswege der Schweiz aufgezeichnet. Daher wurden sämtliche Massnahmen in Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege des Kantons Graubünden geplant und umgesetzt.

Pieder Hendry von Conzett Bronzini Partner erläuterte die Massnahmen, die erforderlich waren, damit die Strassenbrücke für die nächsten 40 Jahre ihren Zweck erfüllt. Die nachträglich aufgebrachte und undichte Leichtbetonfahrbahnplatte wurde durch eine orthotrope Stahlfahrbahn ersetzt. Auch die Fahrbahnübergänge, die Abdichtung und der Belag wurden ausgetauscht. Der bestehende, bleihaltige Korrosionsschutz wich einem neuen, sechsschichtigen Anstrich. Ertüchtigte Widerlager verbessern die horizontale Stabilität, und zusätzliche Winkelprofile verstärken einzelne Druckdiagonalen der inneren Fachwerke gegen Knicken. 

43313:Strassenbrücke Valendas

Thomas Ekwall stellte die Strassenbrücke bei Valendas vor, die er zusammen mit Flückiger + Bosshard als Ingenieurgemeinschaft instandsetzte.Die 61.1 m weit gespannte, gusseiserne Fachwerkbrücke von 1903 ist eine Zufahrtsbrücke zum Bahnhof Valendas-Sagogn der Rhätischen Bahn. Ohne den Charakter der Brücke zu verändern, konnte sie für die nächsten 70 Jahre aufgefrischt und ihre zulässige Verkehrslast von bisher 9 t auf 18 t erhöht werden. Die bestehende Fahrbahnplatte liessen die Ingenieure abbrechen und durch eine GFK-Holzplatte ersetzen. Um eine ausreichende horizontale Stabilität der Brücke während der eingehausten Bauphase zur Erneuerung des Korrosionsschutzes zu erreichen, wurde ein Windverband montiert. Er blieb als permanente Ergänzung auch nach Bauabschluss bestehen, steift die Tragkonstruktion insgesamt aus und verstärkt sie zugleich. Um den Auswirkungen einer stetigen Hangverschiebung entgegenzuwirken und die Vorlandbrücke aus Naturstein zu erhalten, hob man die Brücke schliesslich an und verschob sie um 20 cm in Längsrichtung. Unkonventionell drehte man dabei das statische System der Brücke: Das verschiebliche und das feste Lager wurden vertauscht. Auch dies reduzierte die Anfälligkeit gegenüber Hangverschiebungen. Trotz dem hohen Aufwand waren die Instandsetzungsarbeiten dennoch effizienter und wirtschaftlicher als ein Ersatzneubau. 

Haggenbrücke St. Gallen

Felix Gisler von Basler & Hofmannvertiefte den Einblick in die Instandsetzungsarbeitenan der Haggenbrücke bei St. Gallen von 2009 bis 2010. Die in 75 m Höhe über die Sitter führende Brücke wurde vom Luzerner Bauingenieur Rudolf Dick gebaut und 1937 eröffnet. Sie war so filigran gebaut, dass sie schwingungsanfällig war. Auch nach Nachbesserungen konnte sie nur mit Ausnahmegenehmigung befahren werden und diente von Beginn an vor allem als Fuss- und Veloverbindung zwischen den beiden Gemeinden St. Gallen und Stein im Kanton Appenzell Ausserrhoden. Der Volksmund nannte die Brücke passend «Ganggelibrogg» (vgl.TEC21 24/2011).Da sie als Zeuge der St. Galler Industriebaukunst gilt – die Fachwerkbrücke ist im schweizerischen Inventar der Kulturgüter als Objekt von nationaler Bedeutung eingetragen –, sollte die Leichtigkeit der Konstruktion aus Denkmalschutzgründen mit der Instandsetzung nicht verunklärt werden. Eine orthotrope Stahlplatte mit einem Gussasphaltbelag ersetzt die Fahrbahnplatte aus Beton. Die Gewichtsreduktion und der Verbund der neuen Stahlplatte mit den Obergurten verbessern das statische Verhalten bzw. die Steifigkeit deutlich. Dennoch mussten einige Druck- und Zugstreben verstärkt oder gar ergänzt werden. Auch massgeschneiderte Schwingungsdämpfer waren notwendig.

Zur Erneuerung des Korrosionsschutzes wurde die Brücke etappenweise eingehaust. Dies verhinderte eine massive Zusatzbelastung der filigranen Pfeiler infolge Windlasten. Teilweise erfolgte der Korrosionsschutz auch im Freikletterverfahren. Zehn Fachkräfte mit einer Kletterausbildung für Arbeiten am hängenden Seil führten die Erneuerung aus. 

Eisenbahnbrücke Turbenthal-Wila

Uwe Dux, MSc Ing. der HSR Rapperswil, stellte seine Projektarbeit über die Eisenbahnbrücke Turbental-Wila vor. Die beiden Fachwerkträger der genieteten, schiefwinklig gelagerten Stahlbrücke liegen um ein Feld versetzt zueinander. In der Regel sind solche Brücken robuste Konstruktionen, die die stetig wachsenden Bahnlasten aufzunehmen vermögen. Die Erfahrung bestätigt, dass nicht die Tragsicherheit, sondern oftmals die Ermüdungssicherheit Anlass für Instandsetzungs- oder Verstärkungsmassnahmen gibt. Die gefährdeten Bauteile sind jeweils die Quer- und Längsträger. Das liegt vor allem daran, dass diese Bauteile infolge der einzelnen Zugachsen viel mehr Spannungswechsel erfahren als die seitlichen Fachwerkträger. Diese werden durch einzelne Spannungswechsel belastet, die auf der gesamten Zugkomposition basieren.

Mittels Dehnmessstreifen und Schwingungssensoren vermass Dux in Zusammenarbeit mit der Empa die Untergurte der Hauptträger und die Querträger unter Normalverkehrsbetrieb. Mithilfe der Originalpläne und eines Rechenprogramms konnten die Messdaten nachvollzogen und derErmüdungsnachweis erbracht werden.

Birsbrücke Münchenstein

DieBirsbrücke im basellandschaftlichen Münchenstein erlangte im Jahr 1891 durch das schlimmste Eisenbahnunglück der Schweiz traurige Berühmtheit. Ein Personenzug mit zwei Lokomotiven stürzte in das Hochwasser der Birs, weil die damalige Brücke während der Überfahrt in sich zusammenbrach. Christoph Gemperle, Chefingenieur bei Gruner Wepfund Professor an der ZHAW Winterthur, sowieElyas Ghafoori von der Empa Dübendorf stellten die Nachfolgebrücke von 1895 vor.Sie trägt das Erbgut einer neuen Verordnung in sich und ist Zeugin der Anpassung statischer Berechnungen. BeiErhaltungsmassnahmen werden neue Verfahren interessant, die den Brückenbetrieb während der Instandsetzung nicht beeinträchtigen. Die Brücke wurde in einem Grossversuch mit vorgespannten, faserverstärkten Kunststofflamellen aus Carbon verstärkt. Nieten an den Stahlträgern liessen eine übliche Verklebung der Lamellen nicht zu. Stattdessen wurden die Lamellen an den Flanschen der Querträger festgeklemmt. Computersimulationen, Laborversuche und Erprobungen vor Ort sowie eine Messkampagnewaren ebenfalls Teil der Arbeiten.Zu vertretbaren Kosten konnte das Bauwerk sicher verstärkt und ertüchtigt werden.

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