«Das Kon­zept wur­de dau­ernd hin­ter­fragt»

Interview mit Hauke Möller, Pfister Schiess Tropeano und Partner Architekten

Publikationsdatum
24-05-2018
Revision
29-05-2018
Zur Restaurierung des Hamel-Gebäudes in Arbon sprach Judit Solt mit Hauke Möller, Pfister Schiess Tropeano & Partner Architekten.

TEC21: Herr Möller, woher stammten die Backsteine, mit denen das Hamel-Gebäude ursprünglich gebaut wurde?
Hauke Möller: Unser Bauleiter Christian Witzig aus Kreuzlingen berichtete während der Bauphase: «Die Backsteine kommen mit grösster Wahrscheinlichkeit aus der Ziegelei Noppelsgut in Kreuzlingen, damals noch Emmishofen. Dies erzählte mir der alte Baumeister Rolf Uhler aus Kreuzlingen, dessen Grossvater an­scheinend den Hamel gebaut hat. Damals gab es keine Lkw, man such­te Transportwege für das Material an den Eisenbahnlinien – und die Eisenbahnlinie Kreuzlingen–Arbon existierte schon. Die Ziegelei brannte 1917 ab und wurde nicht wieder auf­gebaut. Heute existiert nur noch der Ziegeleiweiher, aus dem seinerzeit der Ton für die Ziegel gewonnen wurde. Noch heute stehen in Kreuzlingen einige Gebäude aus diesen Steinen. Der Besitzer hiess Thomas Würtenberger; seine beiden Söhne wurden relativ bekannte Künstler und hatten kein Interesse, die Ziegelei zu übernehmen.»

TEC21: An der Westfassade mussten teilweise neue Steine eingesetzt werden. Wo kommen diese her?
Hauke Möller: Es handelt sich um Spezial­anfertigungen, also um einen Sonderbrand, angefertigt durch Firma Keller Ziegeleien im Werk Frick. Die bestehenden Fassadensteine wurden hinsichtlich Qualität und Far­be analysiert; anschliessend hat man einige Musterriemen im Labor erstellt und vor Ort geprüft. Vom Favoriten wurden einige Steine an einer beschädigten Stelle in den bestehenden Mauerverband eingemauert, bemustert und freigegeben, unter anderem auch durch das Amt für Denkmalpflege.

TEC21: Worauf mussten Sie besonders achten?
Hauke Möller: Eine Schwierigkeit bei der optischen Beurteilung der neuen Steine ist, dass die alte Oberfläche sich nach über 100 Jahren Witterungseinflüssen und teils mechanischer Beanspruchung stark vom rekonstruierten Ursprungsstein unterscheidet. In solchen Fällen wählt man häufig eine dunklere, quasi vorpatinierte Oberfläche, um die Patina der Originalsubstanz zu imitieren. Im Gegensatz dazu haben wir uns entschieden, die Unterschiede zwi­schen Alt und Neu zu zeigen.
Eine weitere Herausforderung war die Angleichung des Fugenbilds: Die ursprünglichen Steine wurden sehr viel handwerklicher produziert und variierten stärker in den Grössen, was mit den Fugenbreiten ausgeglichen wurde. Daher galt es, ein durchschnittliches industriell gefertigtes Steinformat zu finden – eine Gratwanderung, denn die Fugen wirken schnell zu breit oder zu schmal. Das Fugenmaterial wurde vor Ort per Hand abgemischt: 16 Teile gewaschener Sand 0 bis 4 mm, 5 Teile hydraulischer Kalk, 2 Teile Zement.

TEC21: Weshalb wurden die beschädigten Steine hydrophobiert?
Hauke Möller: Wir hatten es hier nicht mit einem zweischaligen Mauerwerk zu tun, in dem die Feuchtigkeit in der Hinterlüftungsebene abtrocknen kann. Deshalb bestand die Gefahr, dass das Mauerwerk an den beschädigten Stellen Wasser zieht; insbesondere wurde die harte, schützende Ober­fläche, die beim Brennen der Steine entsteht, durch den Freilegungsprozess an vielen Stellen beschädigt. Der mine­ralische, atmende Wandaufbau mit neuer mineralischer Innendämmung wurde daher an bestimmten Aussen­flächen mit einer hydrophoben, dampfdurchlässigen Schutzlasur versehen.

TEC21: Kann man eine so differenzierte Intervention in die historische Sub­stanz überhaupt planen?
Hauke Möller: Man muss sich die gesamte Fassadensanierung als eine Planung in Etappen vorstellen, Hand in Hand mit der Bauleitung bzw. Ausführung vor Ort koordiniert. Dabei gab es viele unbekannte Faktoren; nach den einzelnen Fassadenrückbauten und Freilegungen mussten wir die vorgefundene Situation unter Beiziehung der erforderlichen Fachspezialisten neu beurteilen. Zunächst haben wir den Zustand und die Massnahmen in Form von detaillierten Ansichtszeichnun­gen «kartiert». Mithilfe dieser Zeichnungen wurden die Massnahmen unter Berücksichtigung der Projektziele festge­legt; das zuvor erstellte Restaurierungskonzept wurde dabei immer wieder hinterfragt und, wenn erforderlich, in eine neue konzeptionelle Richtung gelenkt.
 

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