«Was Ar­chi­tek­ten zeich­nen, kann man mit Holz bau­en»

Interview mit Hermann Blumer

Der Holzbauingenieur im Gespräch über zweifelnde Bauherrschaften und was es braucht, um sie vom Holzbau zu überzeugen.

Publikationsdatum
12-01-2021

TEC21: Herr Blumer, Sie sind leidenschaftlich hart­näckig, was die Ausführung von Holzkonstruktionen betrifft. Half das auch beim Tragwerk des Bank­gebäudes in Stavanger?

Hermann Blumer: In diesem Fall sollte das Trag­werk nicht in Holz gebaut werden. Für die Bau­herrschaft schien es sicherer und wirtschaft­licher, in Beton zu bauen. Selbst der Holzbauer war nicht davon überzeugt, dass das von uns vorgeschlagene archi­tektonische Konzept in Holz umsetzbar sei. Es ist in der Tat eine verzwickte Konstruktion – grenzwertig in den Abmessungen und Dimensionen. Nicht weil das Gebäude für Holz so aussergewöhnlich hoch ist. Vielmehr waren die Auskragungen weit und schlank, sodass sie anfällig für Schwingungen und Deforma­tionen waren. Diese statischen Aspekte und die in Norwegen strengen Brandschutzauflagen mit REI90 waren anfangs kaum zu lösen.

Sie fanden dennoch Argumente, die die Skeptiker überzeugten.

Mein Grundsatz ist: Was die Architekten zeichnen, das kann man mit Holz bauen. Mit meinem Erfüllungszwang nehme ich den architektonischen Entwurf und das entsprechende Konzept entgegen und versuche dann – manchmal monatelang – eine Konstruktion zu finden, die dieses architektonische Bild stützt. Dazu brauche ich Intuition und die entscheidende Eingebung, von der ich ausgehen kann, dass sie meistens auch tatsächlich erscheint (lacht). Aber es braucht Zeit, die konzeptionellen Lösungs­ansätze zu finden.
Da helfen Vorgängerprojekte wie das Tamedia-Gebäude in Zürich, bei dessen Tragwerk wir Verbindungen mit Holzdübeln entwickelten, die wir auch hier in einer ähnlichen Form wieder einsetzten. Letztlich ausschlaggebend waren aber ein Kosten­vergleich mit einer Betonvariante, die nicht wesentlich günstiger war, und ein Mock-up, an dem wir alles testeten, was als kritisch in der Ausführung galt. Die Kehrtwende beim Holzbauer und der Bauherrschaft war nicht vorauszusehen. Aber sie erfolgte.

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Es ist nicht ganz einfach, wenn man sich mit seinen Tragwerken ausserhalb des Normbereichs bewegt.

Das ist nicht entscheidend. Die Frage ist vielmehr, wie verschaffe ich mir die Grundlagen, auch ausserhalb normierter Bereiche abgesichert zu konstruieren. Da können Versuche und Experimente, wie wir sie für das Tamedia-Gebäude oder für das Centre Pompidou in Metz durchgeführt haben, helfen.

Aber eine Bauherrschaft, die nicht überzeugt ist vom Projekt, wird kaum Versuche bezahlen.

Das war auch in Stavanger teilweise der Fall. Das Mock-up hat sie bezahlt. Nicht aber die Versuche – die bezahlen wir selber und verbuchen sie unter Weiterbildung und Forschung. Es ist natürlich schon so, dass eine Umsetzung einer Holzkonstruktion gegen die Bedenken der Bauherrschaft nur mühsam gelingt. Ausser das Planerteam ist hartnäckig und hält mit Leidenschaft an seiner Idee fest. Dabei können durchaus neuartige Projekte entstehen. Dafür lohnt es sich, immer wieder Zeit und Geld zu investieren. Und Betreuungsarbeit bei externen Ingenieuren, damit auch sie künftig in der Lage sind, solche Holztragwerke zu erstellen.
Ob dies nun Grossprojekte wie das in Stavanger sind oder kleine Bijous wie der Emma-Kunz-Pavillon in Waldstatt. Nicht nur haben wir am Schluss ein Vorauswissen, das uns bei neuen Projekten wie­derum Weiterentwicklungen ermöglicht. Auch die Bauherrschaft ist schliesslich zufrieden – der Bankdirektor entschuldigte sich während der Eröffnungsfeier ganz offiziell bei uns, dass er an uns gezweifelt habe. Auch er wisse es nun besser und habe durch unsere Beharrlichkeit und Ausdauer einen Hauptsitz er­halten, der weltweit positives Aufsehen erregt – ein unbezahlbares Renommee.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 5/2021 «Holztragwerke mit Charakter»

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