«Wir brau­chen stan­dar­di­sier­te Pro­zes­se und ska­lier­ba­re Pro­duk­te»

Altholz aus Rückbauten ist eine noch spärlich genutzte Ressource, auf die wir in Zukunft angewiesen sind. Was man wo und wie wiederverwenden oder wiederverwerten kann, ist Forschungsgegenstand eines Projekts der Berner Fachhochschule.

Data di pubblicazione
09-10-2025

Herr Thömen, warum ist die Wiederverwendung oder das Recycling von Holz wichtig?

Dr. Heiko Thömen: Ich möchte ihre Frage ergänzen mit: «…obwohl Holz im Gegensatz zu seltenen Erden, Kunststoffen oder Aluminium nachwächst.» Und in der Tat muss man sich fragen: Ist es richtig, auf Holz die gleichen Prinzipien anzuwenden? Holz ist von Natur aus Teil eines geschlossenen Kohlenstoffkreislaufs. Es muss also weitere Gründe geben für das Bemühen, auch den Lebenszyklus von Holz zu verlängern.

Wo liegen diese Gründe?

Die Nachfrage nach Holz steigt. Das hängt vor allem damit zusammen, dass immer mehr Anwendungen gefragt sind: Der Holzbau boomt, Holz soll als Kunststoffersatz genutzt werden und es ist ein erneuerbarer Brennstoff. Zudem wird sich durch den Klimawandel die Verfügbarkeit vom besser nutzbaren Nadel- zum Laubholz verschieben. Deshalb müssen wir den Rohstoff effizient und mehrmals einsetzen. Nur haben sich leider Prinzipien eingebürgert, die für andere Materialien entwickelt wurden. Das können wir nicht ungefragt so stehen lassen. Holz verdient eine materialgerechte Interpretation der kreislaufwirtschaftlichen Prinzipien.

Und was ist mit dem gespeicherten CO2, das das Holz ja wieder abgibt, wenn es verbrannt wird? Möchte man das möglichst lange verhindern?

Die CO2-Speicherung bleibt temporär und wir sollten den Speichereffekt nicht überbewerten. Über lange Zeiträume gesehen ist es für das Klima viel wichtiger, dass wir mit emissionsarmen und lang-lebigen Baustoffen bauen.

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft «Stadt aus Holz – Gesundheitsbauten und Kreislaufwirtschaft». Weitere Artikel zum Thema Holzbau finden Sie in unserem digitalen Dossier.

Sie haben den Rückbau von Gebäuden in Pilotprojekten mit dem Fokus Altholz begleitet. Was sind Ihre ersten Erkenntnisse daraus? 

Herausforderungen sind die Logistik und die metallischen Verbindungsmittel wie Schrauben, Nägel und Klammern. Wir sind dabei, Technologien zu entwickeln, um die metallischen Verbindungen aus dem Altholz zu entfernen. Was die Kosten betrifft, so ergibt es keinen Sinn, Holzteile aufzubereiten und dann viele verschiedene Dimensionen zu lagern. Wir brauchen standardisierte, automatisierte Prozesse und skalierbare Produkte. 

Wie macht man die Triage – wo lohnt es sich, Altholz aus Abbrüchen zu verwerten oder wiederzuverwenden, und wo nicht? 

Ein Laminatfussboden, der aus Fasern besteht, lässt sich aus technischen Gründen nicht recyceln, Fensterbretter aus Vollholz hingegen eher, aber sie sind meist eingebaut und es ist mühsam sie zu entfernen, zudem sind es kleine Mengen. Ein Dachstock ist dagegen mengenmässig und von der Erreichbarkeit prädestiniert für die Wiederverwendung. 

Sie haben vorher die Logistik erwähnt. Auf einer Baustelle muss alles schnell gehen. Und wenn man da noch zwischendurch etwas speziell rückbauen muss, dann kostet das. 

Sie sprechen es an, Zeit ist Geld. Und in einem normalen Ablauf ist keine Phase für einen aufwendigen Rückbau eingeplant. Um die Materialien zu separieren, braucht es mehrere Mulden und Platz dafür, der in städtischen Gegenden wie in Bern oder in Zürich manchmal nicht vorhanden ist. 

Was könnte zum Beispiel mit den Balken eines Dachstocks passieren? 

Es ist denkbar, dass die Balken wieder zu einem Dachstuhl verarbeitet werden. Dass sie aber in ihrer Originalform ohne weitere Bearbeitung wieder verarbeitet werden, halte ich in den seltensten Fällen für realistisch. Wenn wir alte Balken, die spezifische Masse haben und die vielleicht sogar leicht verzogen sind, wieder in einen neuen Dachstuhl einbauen wollen, lässt sich das kaum mit einem hohen Automatisierungsgrad vereinbaren. 

Ein Dachstock ist eine Baugruppe, die mindestens selbsttragend ist. Da muss man statische Abklärungen machen. Darf man da Altholz wiederverwenden? 

Ein unbelasteter Balken, der keinen Feuchteschwankungen ausgesetzt ist, behält seine Eigenschaften. Allerdings sind eventuelle Vorbelastungen, die das Tragverhalten beeinträchtigen, nur schwer erkennbar. Ein anderes Problem sind Klebfugen, deren Qualität sich nur beschränkt begutachten lässt. Wir brauchen deshalb einen sachkundigen Umgang mit Altholz für tragende Zwecke. Die Forschung arbeitet intensiv an diesen Fragen. 

Muss das Holz auf Formaldehyd oder Schadstoffe beispielsweise von Holzschutzmitteln untersucht werden? 

Die Herausforderung ist, Kontaminierungen bereits auf der Baustelle vor dem Rückbau oder bei der Sortierung zu erkennen. Es lässt sich nicht vermeiden, die Analytik und mobile Analyseverfahren weiterzuentwickeln – zum Beispiel für Holzschutzmittel. Fälle von zu hohen Formaldehydwerten im Altholz sind mir nicht bekannt und würden spätestens bei der Herstellung von Holzwerkstoffen aus Altholz auffallen.

INNOVATIVES BAUEN FÜR DIE ZUKUNFT: DAS PROJEKT THINK EARTH

 

Think Earth ist ein Innosuisse-Flagship-Projekt für regeneratives Bauen. Im Fokus stehen Holz und Lehm als ökologische Baustoffe. Gemeinsam mit Partnern aus Forschung, Industrie und öffentlicher Hand werden in zehn Teilprojekten Hybridkonstruktionen entwickelt, Kreislaufwirtschaft gefördert und neue Wege für eine klimafreundliche Bauweise erschlossen. 

Das Teilprojekt 5 strebt an, die Recycling- und Wiederverwendungsrate von Holzabfällen zu steigern und deren Wertschöpfung zu erhöhen. Kernziele sind die Verbesserung der Erkennungstechnologien für präzisere Sortierung, die Optimierung von Logistik und Lieferketten für geschlossene Materialkreisläufe sowie die Entwicklung automatisierter Verfahren zur Verarbeitung von Holzabfällen zu standardisierten Massivholzelementen und hochwertigen Baumaterialien.

 

➔ Weitere Infos zum Projekt: Think Earth

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