Ei­ne Trep­pe ma­cht Stad­traum

Neubau Townhouse, Basel

Ein Neubau im Basler Gellert-Quartier zeigt, wie Architektur das Gesetz kreativ umerziehen kann: Eine auskragende Treppe wird zur Fassade und zum Balkon im Stadtraum. In einer acht Meter breiten Baulücke ist ein Gebäude entstanden, das einem japanischen Townhouse in nichts nachsteht.
 

Data di pubblicazione
08-10-2025

Das Gellertquartier in Basel ist ein bürgerliches Wohnquartier, geprägt von Blockrandbebauungen, zahlreichen Bäumen und der Nähe zum Rhein. Die Zürcherstrasse teilt als lärmende Verkehrsachse den Grünraum vom Gebauten. Hier orientieren sich alle Gebäude an der gleichen Flucht. Hie und da ein Erker, da und dort ein Balkon. 

Doch ein Haus wirkt anders: Das erste, das ins Auge springt, ist eine Treppenskulptur aus Stahl, die sich in den Stadtraum windet. Der feuerverzinkte Gitterkörper ragt über die Baulinie hinaus und ist mehr als ein Fluchtweg. Er ist das Gesicht des Hauses, bildet zwischen Stadt und Wohnung einen Filter und eine Bühne zugleich.

Die Treppe verkörpert den kreativen Umgang mit dem Baurecht, das ein Drittel der Fassadenlänge als vorspringendes Element erlaubt. Das Architekturbüro Hildebrand machte daraus aber kein Ornament, sondern eine Erschliessungsskulptur, die den Kontakt mit dem Stadtraum erlaubt. Von der Strasse tritt man in das Gebäude ein, um eine Etage weiter oben wieder in den Aussenbereich zu treten. 

Mit jeder Etage, die man über die lichtdurchlässigen Gitterstufen mit einem etwas mulmigen Gefühl erklimmt, kommt man abwechslungsweise an einem Eingangsbereich vorbei und tritt wieder in den Stadtraum hinaus – mit Blick auf den Strassenraum, den grosszügigen Grünraum mit Spielplatz und ganz oben auf die Baumkronen.

Verdichtung in der Lücke

Als wäre es vorbestimmt gewesen, lernten sich die Bauherrschaft und der Architekt Thomas Hildebrand in einer Galerie in Japan kennen. Das kunstaffine Paar wünschte sich etwas Spezielles für den Neubau, der eine zweigeschossige Schreinerei ersetzen sollte, die zuvor wie ein fehlender Zahn in der Häuserreihe gewirkt hatte.  Heute schliesst ein prägnantes Haus mit sechs Geschossen die Lücke: Gewerbe im Erdgeschoss, vier Geschosswohnungen und eine Attika-Maisonette.

Die Aufgabe war knifflig, denn von der Strasse kommt zwar der grösste Anteil an Tageslicht, aber auch der Verkehrslärm von Autos und Trams. Deshalb durften die Wohnräume wegen des Lärmgesetzes nicht zur Strasse hin gelüftet werden. Indem die Architekten die Treppe an die Fassade rückten, spielten sie im Innern wertvolle Fläche frei. Dies erlaubte offene Grundrisse, die sich flexibel nutzen lassen. 

Zwölf Holzstützen tragen das Gebäude, im Zentrum sitzt der aussteifende Kern mit Lift, Bad und Küche. Auch der Liftschacht besteht aus Holz, was in Kombination mit den Stützen und den Brettstapelholzdecken ein erdbebensicheres System ergibt. In Zusammenarbeit mit Pirmin Jung wuchs das Haus dank der vorfabrizierten Elemente aus regionalen Hölzern in kurzer Zeit nach oben. Mit seinen sechs Geschossen gehört das Townhouse zu den noch raren Beispielen mehrgeschossigen Holzbaus in Basel. 

Hier finden Sie unsere gesammelten Beiträge zum Thema Holzbau.

Die Wohnungen sind durchgesteckt, hell und von beiden Seiten belichtet. Türen gibt es ausser zu den Bädern keine. Die Offenheit im Innenraum sorgt für individuell gestaltbare Raumsequenzen. Der Lift fährt direkt in die Wohnungen und sorgt für Penthouse-Feeling auf minimaler Fläche. 

Als Ausnahme zum introvertierten Wohnkonzept erlaubt die Attikawohnung mit zwei Balkonen einen direkten Bezug zur Strassenseite. Aber auch die Rückseite adaptierten die Architektinnen an das Vorgefundene. Die schräg angeschnittenen Loggien aus Holz folgen den Grenzabständen und erweitern die Wohnungen in Richtung des üppig begrünten Innenhofs. 

Von hier aus öffnet sich der Blick über ein Patchwork heterogener Hinterhäuser unterschiedlichster Zeitstufen bis zu den beiden Roche-Türmen von Herzog & de Meuron, die omnipräsent im städtischen Gefüge stehen.

Echo aus Tokio

Wer bereits in Tokio war, kennt sie: die schmalen Townhouses, eingeklemmt in winzige Baulücken, oft nur wenige Meter breit. Hier wird jeder Zentimeter genutzt und kreativ mit den Rahmenbedingungen gearbeitet. Dieselbe Logik wandten die Planenden beim Basler Townhouse an. 

Doch auch die Reduktion auf das Wesentliche, die Materialisierung mit viel Holz, der offene Grundriss wie auch das Spiel mit Übergängen zwischen privat und öffentlich knüpfen an die japanische Baukultur an. Und doch: Hier in Basel geht es nicht ums Leben auf engstem Raum – der Bau ist immerhin ein Renditeobjekt –, sondern um eine qualitätsvolle Nachverdichtung. 

Die Treppe, die als Balkon zur Fassade wurde, könnte als Formel über dem Haus stehen. Es ist ein Bau, der zeigt, dass Gesetze nicht nur einschränken, sondern auch Möglichkeiten eröffnen. Denn das Basler Townhouse ist nicht nur ein kluger Holzbau, sondern ein Manifest im Kleinen. Eine Architektur, die Haltung zeigt. So wird die kleine Lücke an der Zürcherstrasse zum Lehrstück, wie man Verdichtung als Erweiterung des städtischen Raums begreifen kann. 

Neubau Townhouse, Basel


Vergabeform
Direktauftrag
 

Budget
3.8 Mio. Fr.
 

Fertigstellung
2024
 

Nutzung
Wohnen und Gewerbe (EG)
 

Geschossfläche GF (SIA 416) 
690 m2
 

Architektur
Hildebrand Studios, Zürich
 

Baumanagement/Holzbau
Häring, Zürich
 

Holzbauplanung / Brandschutz / Bauphysik
Pirmin Jung Schweiz, Frauenfeld
 

Tragwerksplanung
wmm Ingenieure, Münchenstein
 

Elektroplanung
hkg Engineering, Schweiz
 

HLK-Planung
Allemann Energietechnik, Erschwil
 

Sanitärplanung
Sanplan Ingenieure, Lausen
 

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