Bal­sa­holz für ei­ne Stras­sen­brüc­ke

Bei der Ortschaft Bex im Kanton Waadt wurde 2012 eine Leichtbau-brücke über den Avançon in Faserverbund-Sandwichbauweise erstellt. Sie ist mit 7.5m Breite und 11.4m Spannweite nicht sonderlich gross. Doch interessiert sie durch ihre neuartige, besonders leichte Bauweise und den Einsatz einer Holzart, die bisher vor allem für den Modellbau diente: Balsa.

Data di pubblicazione
03-02-2014
Revision
01-09-2015

Ein geringes Eigengewicht der Konstruktion ist im Brückenbau nicht unbedingt entscheidend. Doch wenn bei Instandsetzungen die Traglast oder die Nutzfläche zu erhöhen ist, ohne die Unterkonstruktion zusätzlich zu belasten, oder wenn an unzugänglichen Standorten ein schneller und einfacher Austausch der Fahrbahnplatte notwendig wird, dann weist Leichtbau unbestreitbar Vorteile auf. Zum Beispiel können Fussgängerbrücken bis gut 15m als vorgefertigte Brückenplatten einfach, rasch und mit minimalem Fundament installiert werden. Brücken im Bereich Hochwasserschutz können aufgrund des geringen Eigengewichtes besser bewegbar und schlanker gebaut werden. Strassenbrücken mit begrenzter Traglastreserve lassen sich gut für den Langsamverkehr erweitern oder bei schwierigen Platzverhältnissen einfach einheben und ermöglichen so kürzeste Bauzeiten. Bestehende Brücken können mit einem neuen leichteren Deck die heutigen höheren Traglasten und Normanforderungen wieder erreichen. Kurz gesagt: Composite-Leichtbau kann Kostenreduktion durch kürzere Bauzeiten und einfachere Fundamente bzw. Unterstrukturen bieten.

Die Avançon-Brücke – ein Prototyp

Bei der Avançon-Brücke bei Bex VD wurde zum ersten Mal in der Schweiz für eine Strassenbrücke die Colevo-Sandwichbauweise eingesetzt. Anfang Oktober 2012 wurde die etwa hundert Jahre alte Brücke über den Fluss Avançon ersetzt. Die alte Brücke war erheblich korrodiert und nicht mehr in der Lage, den heutigen Verkehrsanforderungen für 40-Tonnen-Fahrzeuge zu genügen. Ziel der Leichtbauweise als Ersatz für die mangelhafte Struktur war, die Dauer der Arbeiten vor Ort und damit die Unterbrechung des Verkehrs zu minimieren und gleichzeitig die Brücke mit Nutzung des bestehenden Fundaments für eine zweispurige Verkehrsführung von 6m auf 7.5m zu verbreitern. Das geringe Gewicht des Decks von 160kg/m2 (13.5t) ermöglichte es, die komplette Vormontage der Brücke neben der Baustelle durchzuführen und anschliessend die gesamte Brücke von 50t mit einem Kran einzuheben. Eine vorgefertigte Betonbrücke hätte nicht mehr eingehoben werden können. Damit liess sich das Vorhaben mit einem Verkehrsunterbruch von nur wenigen Tagen erreichen.

Bauweise

Die dabei angewandte Sandwichbauweise besteht grundsätzlich aus zwei dünnen, steifen Deckschichten mit einem dazwischenliegenden leichten Kern. Diese Bauweise ist äusserst effizient bezüglich Gewicht und Materialeinsatz. Beim Sandwich tragen die Deckschichten die Biegebelastung, und der Kern trägt die Druck- und Schubbelastung. Die Steifigkeit einer Sandwichplatte nimmt proportional zum Quadrat der Kernhöhe zu, ohne dass das Gewicht wesentlich erhöht wird. Nebst den Eigenschaften der Deckschichten sind die Eigenschaften des Kerns, insbesondere die Schubsteifigkeit und die Druckfestigkeit vertikal zur Platte, massgebend für die Leistung der Sandwichplatte.

Der Colevo-Sandwichkern besteht aus dem sehr leichten, neu entwickelten «Baltek VBC», basierend auf FSC-Balsaholz aus nachhaltigem Anbau. Der Balsabaum (Ochroma pyramidale) gehört zur Familie der Malvengewächse (Malvaceae) und ist ein sehr rasch wachsender Baum, der ausschliesslich in Äquatorzonen angebaut werden kann. Bereits in fünf Jahren kann der Balsabaum genutzt werden. Für die Herstellung von «Baltek VBC» wird das Holz zu einem grossformatigen, 6mm dicken Furnier verarbeitet, das anschliessend in einem industriellen Prozess strukturell verklebt wird. Dadurch wird ein extrem homogener Holzwerkstoff erreicht, der eine geringe Streuung in den Materialeigenschaften aufweist. Die Dichte dieses Kernmaterials für Brücke liegt inklusive PU-Klebstoff bei 230kg/m3.

Konstruktion

Ein Sandwichdeck auf zwei Stahlträgern bildet die Brückenkonstruktion. An beiden Stirnseiten der Brücke sind die Stahlträger mit einem Querträger aus Beton verbunden. Das Sandwichdeck ist aus 22mm dicken GFK-Deckschichten und einem 240mm dicken Baltek-VBC-Kern aufgebaut. Zur besseren Transportierbarkeit besteht das Deck aus drei quer verlaufenden Platten. Sie wurden auf der Baustelle auf zwei verzinkte Stahlträger sowie untereinander mit Sika-Epoxid-Klebstoff in einem sicheren und effizienten Prozess strukturell verklebt. Ein Mitteltemperatur-Asphalt (110 °C) wurde nach der Installation der Brücke aufgebracht.

Die statische Auslegung der Brücke über den Avançon erfolgte entsprechend den Normen SIA 260 und SIA 261. SIA 263 wurden für die Bemessung der Stahlträger und SIA 265 für den Baltek-VBC-Kern verwendet. Da derzeit noch keine etablierten Normen für GFK-Strukturen und Kleben vorhanden sind, wurden die deutschen BÜV-Empfehlungen und Eurocomp für die Widerstandsbeiwerte angewendet. Die statische Berechnung der Brücke führte Suisse Technology Partners aus, in Zusammenarbeit mit dem CCLab der EPFL. Das Engineering für die gesamte Erneuerung dieser Brücke oblag Monod-Piguet + Associés Ingénieurs Conseils SA, Lausanne.

Experimentelle Validierung

Eine umfangreiche Charakterisierung der einzelnen Composite-Werkstoffe und die Prüfung der Eigenschaften des gesamten Sandwichverbundes wurden am Composite Construction Laboratory der EPFL und bei Suisse Technology Partners durchgeführt. Die Prüfungen zeigten, dass dickes Balsaholz-Furnier zusammen mit einer kontrollierten strukturellen Verklebung einen idealen Werkstoff für strukturell hoch belastete Konstruktionen ergibt. Auch die Ermüdungsprüfungen zeigten herausragende Eigenschaften. Weitergehende Untersuchungen am Wood Science & Engineering Institute der Oregon State University zeigten zudem, dass Baltek-VBC bezüglich Bruchmechanik ein unerwartet gutes Verhalten zeigt, insbesondere bezogen auf die geringe Holzdichte.

Colevo mit Holzbau kombinieren 

Auch für den klassischen Holzbau kann eine Kombination mit Colevo sehr interessante und spannende Möglichkeiten bieten, indem beispielsweise Holzbrücken bei gleichem Gewicht deutlich dauerhafter gebaut werden können. Colevo bietet das ideale leichte und im Verbund tragende Brückendeck für Holzbrücken, was insbesondere für grosse Spannweiten hochinteressant sein dürfte. Bei überdachten Brücken kann Colevo zudem als permanent regendichtes Dach eingesetzt werden und zusätzlich strukturell mittragen.


Die Entwicklung

Diese Composite-Sandwichbauweise wird heute vorwiegend für Schiffsbau, Windenergie, Bus, Bahn und Flugzeugbau eingesetzt und ist bekannt für höchste Dauerhaftigkeit, insbesondere auch in extrem belasteten und korrosiven Verhältnissen.
Die Firma 3A-Composites hat die Colevo-Lösung für Langsamverkehr- und Strassenbrücken in Zusammenarbeit mit dem Composite Construction Laboratory CCLab der ETH Lausanne, mit der Empa sowie mit führenden Industriepartnern entwickelt. Die über 40-jährige Erfahrung von 3A-Composites bezüglich Bauweise, Werkstoffe und Herstellungsprozesse war dabei eine ideale Ausgangslage.
Für Holzbau-Ingenieure dürfte interessant sein, dass bei der Colevo-Sandwichbauweise der Baltek-VBC-Holzkern in End-Grain-Ausführung eingesetzt wird, also mit Faserausrichtung vertikal zur Platte. Das zeitigt gleich mehrere Vorteile: Die hohe Kern-Druckfestigkeit von 18.9 N/mm2 macht diese Bauweise selbst für Strassenbrücken gut einsetzbar, und zudem resultiert daraus ein isotropes Verhalten des Kernmaterials in der Plattenebene. Somit können die Plattensteifigkeiten in Längs- und Querrichtung genau gleich sein oder flexibel über den Aufbau der GFK-Deckschichten gesteuert werden. Die End-Grain-Ausführung des Balsaholz-Kernes ist somit für die Sandwichbauweise ideal geeignet.

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