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Projektwettbewerb Liechtensteinische Landesbibliothek (LiLB), Vaduz

Das Post- und Verwaltungsgebäude in Vaduz soll künftig von der Liechtensteinischen Landesbibliothek genutzt werden. Morger Partner Architekten erhalten fast das gesamte Tragwerk aus Stahlbeton und überraschen mit einer «gelassenen Gesamterscheinung».

Data di pubblicazione
13-10-2022

Die Liechtensteinische Landesbibliothek wurde 1961 als öffentlich-rechtliche Stiftung gegründet mit dem Zweck, der Bevölkerung Medien für Bildung und Unterhaltung kostenlos zur Verfügung zu stellen. Mit ihrem Medienangebot will sie den Wissenserwerb und die Medienkompetenz fördern. Neben der Rolle als Volksbibliothek hat die Landesbibliothek auch die Aufgabe einer Nationalbibliothek: Sie sammelt alle Publikationen aus und über Liechtenstein und macht sie der Bevölkerung in gedruckter und digitaler Form zugänglich. Indem sie diese Dokumente für künftige Generationen sicher aufbewahrt, leistet die Landesbibliothek einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Gedächtnis des Landes. Allerdings leidet die Einrichtung unter beengten Platzverhältnissen, die dem zunehmenden Medienbestand und den wachsenden Besucherzahlen nicht mehr gerecht werden. Viele Medien mussten bereits ausgelagert werden. Weitere Defizite sind die dezentrale Lage und fehlende Entwicklungsmöglichkeiten.

Die Regierung hat deshalb verschiedene neue Standorte für die Landesbibliothek geprüft und sich für das Post- und Verwaltungsgebäude entschieden. Die zentrale Lage mitten in der Fussgängerzone von Vaduz und die gute Anbindung an den öffentlichen Verkehr waren für den Entscheid massgebend. Zudem muss das Post- und Verwaltungsgebäude des Architekten Franz Marok aus den 1970er-Jahren grundlegend saniert werden. Am neuen Standort soll sich die Landesbibliothek zu einem Treffpunkt sowie zu einem Begegnungs- und Lernort weiterentwickeln. Das bestehende Gebäude bietet ausreichend Platz für den Publikumsbereich und die Unterbringung sämtlicher Medien. Vaduz folgt damit einer Tendenz, wie sie an vielen anderen Orten zu beobachten ist, beispielsweise auch in St.Gallen («Mehr als Ausleihe» TEC21 29/2021), oder in Chur. Die Anlagekosten betragen 25 Millionen Franken, der Bezug des Umbaus ist für das Jahr 2025 vorgesehen.

Die im umgebauten Post- und Verwaltungsgebäude untergebrachten Nutzungen werden mit den übrigen Verwaltungsstellen in einem zentralen Dienstleistungszentrum zusammengefasst, um Synergien zu nutzen und die Mietkosten zu senken. Die Liechtensteinische Post möchte sich verkleinern. Dies würde aber grössere Umbauten bedingen und wäre mit Nachteilen für die Landesverwaltung verbunden. Deshalb wird die Poststelle Vaduz an einen anderen Ort verlegt.

Um Lösungsansätze für die Umnutzung des Post- und Verwaltungsgebäudes zu erhalten, hat das Land Liechtenstein einen Projektwettbewerb im selektiven Verfahren ausgeschrieben. Der Wettbewerb wurde nach den Grundsätzen der Ordnung für Wettbewerbe SIA 142 durchgeführt. Die Auslobenden luden 14 Architekturbüros direkt zur Teilnahme ein, 15 weitere wurden selektioniert. Zur Nachwuchsförderung wurden zwei junge Bü­ros ohne entsprechende Referenzen zugelassen. Die Architekturbüros mussten mit einem Ingenieurbüro ein Team bilden. Es wurden 24 Wettbewerbsbeiträge anonym, termingerecht und vollständig eingereicht. Alle Projekte wurden zur Beurteilung zugelassen. Kein Projekt der engeren Wahl konnte hinsichtlich städte­baulicher und architektonischer Qualität sowie betrieblicher und funktioneller Abläufe vollumfänglich überzeugen. Die Jury liess deshalb die beiden Beiträge «Chõchin» und «896795» im Rahmen einer Bereinigungsstufe überarbeiten.

Stadtreparatur

Der zur Weiterbearbeitung vorgeschlagene Beitrag von Morger Partner Architekten erweitert den Sockel des bestehenden Gebäudes. Damit wird die städtebauliche Situation verbessert, und die Strassen und Gassen können präziser gefasst werden. Topografisch anspruchsvoll war die eingeschossige Höhendifferenz von der Äulestrasse im Westen hinauf zum «Städtle» im Osten. Es entsteht eine überzeugende Verbindung vom Erdgeschoss mit dem neu gefassten Aussenraum zum Untergeschoss mit dem Portikus entlang der Äulestrasse. Die umlaufenden Brüstungsbänder sind mit vertikalen Holzlamellen verblendet. Das Gebäude aus den 1970er-Jahren wird mit Respekt transformiert. Das bestehende Tragwerk konnte weitgehend erhalten werden.

Im Erdgeschoss liegen die Kinder- und Jugendbibliothek, die Abteilung für Filme und Hörbücher, das Bibliothekscafé und der Veranstaltungsraum. Das erste Obergeschoss ist der Belletristik vorbehalten, während im zweiten Obergeschoss die Sachbücher und die Freihandbibliothek untergebracht sind. Das dritte Obergeschoss für die liechtensteinischen Publikationen ist als Galerie ausgebildet, die dreiseitig von der Fassade abgesetzt ist und mit dem zweiten Obergeschoss eine räumliche Einheit bildet. Dies wird auch in der Fassade durch die Holzlamellen, die die zweigeschossige Verglasung abdecken und als Sonnenschutz dienen, gegen aussen sichtbar. Im Attikageschoss sind Lern- und Leseplätze sowie die Küche und der Pausenraum des Personals angeordnet. Die Archive befinden sich weitgehend im Untergeschoss. Das überarbeitete Projekt überzeugt mit hohen architektonischen, betrieblichen und funktionalen Qualitäten.

Solitär

Der mit dem zweiten Preis ausgezeichnete Beitrag von Fischer Architekten reduziert die Landesbibliothek auf den Hauptkörper des Post- und Verwaltungsgebäudes und bricht die ehemalige Schalterhalle der Post ab. Damit entsteht ein Vorbereich im Süden. Eine breite Frei­treppe verbindet das obere Niveau des «Städtles» mit dem unteren Niveau der Äulestrasse. Das Kennwort «Chõchin» bezeichnet japanische Lampions aus Papier. Daraus abgeleitet sind die Glasfassaden mit fest installierten, aussen liegenden Elementen aus Streckmetall. Diese sind teilweise ausgeklappt, beschatten die Fassade und streuen das Sonnenlicht. Die Jury lobt den «beinahe ephemeren, leichten und luftigen Ausdruck». Im Erdgeschoss befinden sich neben dem Eingangsbereich die «open library» und die Cafeteria, die zum «Städtle» hin orientiert ist. Die Obergeschosse nehmen die weiteren Bibliotheksräume und Magazine auf. Weitere Archive und der Kulturgüter-Schutzraum befinden sich in den Untergeschossen. Die räumliche Organisation ist übersichtlich und logisch. Im Dachgeschoss liegt der Veranstaltungsraum mit attraktiver Aussicht in die Schweizer Berge und einer gedeckten Terrasse.

Die Kultivierung des Gewöhnlichen

Das Projekt «Chõchin» reduziert den Bestand auf das Hauptgebäude und schafft so einen grosszügigen Vorbereich im Süden. Die Landesbibliothek als öffentliches Gebäude wird als Solitär frei gestellt. Diese grosszügige Geste hat offensichtliche Qualitäten, stellt jedoch gleichzeitig auch eine deutliche Zäsur im Stadtgefüge dar.

Morger Partner Architekten gewinnen den Wettbewerb, weil sie den Sockel erweitern und gleichzeitig die Strassen und Gassen präzise fassen. Die Verfasser haben erkannt, dass das Erdgeschoss der Landesbibliothek mehr Fläche benötigt, als der Bestand hergibt, und daraus die richtigen Schlüsse gezogen. Sie schlagen eine zurückhaltende Stadt­reparatur vor, die die städtebauliche Setzung klärt, das Tragwerk aus Stahlbeton weitgehend erhält und den architektonischen Ausdruck mit Respekt transformiert.

Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 33/2022 «Tageslicht Bildungsbauten».

-> Weitere Pläne und Bilder auf competitions.espazium.ch.

Liechtensteinische Landesbibliothek (LiLB), Vaduz

 

Einstufiger Projektwettbewerb im selektiven Verfahren

 

Auszeichnungen

 

1. Rang / 1. Preis: «896795»
Morger Partner Architekten, Basel; Ulaga Weiss, Basel

 

2. Rang / 2. Preis: «Chõchin»
Fischer Architekten, Zürich; wh-p Ingenieure, Basel

 

3. Rang / 3. Preis: «Garten Eden»
Itten + Brechbühl, St. Gallen; WLW Bauingenieure, Mels

 

4. Rang / 4. Preis: «Helga»
Ortner & Ortner Baukunst von Architekten, Berlin; FD-Ingenieure, Berlin

 

5. Rang / 5. Preis: «Doucement»
Dürig, Zürich; Dr. Deuring + Oehninger, Winterthur

 

Fachjury
Heidi Stoffel, Architektin, Weinfelden/Zürich; Werner Binotto, Architekt, Altstätten; Helmut Dietrich, Architekt, Bregenz; Dominique Felder, Abteilungsleiter Hochbau, Amt für Bau und Infrastruktur, Vaduz; Hansjörg Vogt, Bauingenieur, Vaduz; Architekt LIA: Thomas Keller, Architekt, Schaan; Hanspeter Schreiber, Architekt, Vaduz (Ersatz); Ralph Beck, Architekt, Triesen (Ersatz)

 

Sachjury
Dr. Graziella Marok-Wachter, Regierungsrätin, Ministerium für Infrastruktur und Justiz; Manuel Frick, Regierungsrat, Ministerium für Gesellschaft und Kultur; Manfred Bischof, Bürgermeister Gemeinde Vaduz; Christina Hilti, Stiftungsratspräsidentin Liechtensteinische Landesbibliothek; Dr. Wilfried Oehry, Landesbibliothekar; Dr. Maximilian Rüdisser, Generalsekretär, Minis­terium für Infrastruktur und Justiz (Ersatz); Martin Hasler, General­sekretär, Ministerium für Gesellschaft und Kultur (Ersatz); Antje Moser, Vize-Bürgermeisterin Gemeinde Vaduz (Ersatz); Meinrad Büchel,
Stv. Landesbibliothekar (Ersatz)

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