Mi­tei­nan­der von Men­sch und Na­tur

Saint-Louis-Park, VoltaNord, Basel; Projektwettbewerb im offenen Verfahren

Im Gestaltungswettbewerb für den Saint-Louis-Park, VoltaNord, Basel, überzeugt das Projekt «Mosaik» durch eine naturnahe und doch benutzerfreundliche Gestaltung.

Data di pubblicazione
10-03-2022

Im ehemaligen Gewerbe- und Industriegebiet Lysbüchel – heute VoltaNord – entsteht ein neuer durchmischter, lebendiger und zukunftsgerichteter Wohn- und Arbeitsstandort in Basel. Die städtebauliche Studie über das Transformationsareal entlang der Gleise der Bahnlinie Basel–Mulhouse wurde im April 2020 abgeschlossen; in dieser sind die Bebauungs- und Freiraumstrukturen des neuen Areals festgelegt. Erste Bausteine wurden bereits umgesetzt, wie das neue Primarschulhaus Lysbüchel oder das Kultur- und Gewerbehaus Elys. In einem nächsten Schritt soll ein Teil des Gebiets längs der Gleise zur Parkfläche umgenutzt werden, um damit, neben dem Strassennetz und einem neuen Quartierplatz, das Grundgerüst der öffentlichen Freiräume zu bilden.

Für den zukünftigen Saint-Louis-Park schrieb die Stadtgärtnerei Basel einen Projektwettbewerb gemäss Ordnung SIA 142 für Teams bestehend aus Landschaftsarchitekturbüros und einer Naturschutzfachperson (z. B. Biologin/Biologe) aus. Dabei galt es, zwei wesentliche, in gewisser Weise sich widersprechende Aufgaben zu erfüllen. Da auf dem Gleisfeld des ehemaligen Industrieareals über die Jahrzehnte eine wertvolle Biodiversität entstanden ist, soll diese nicht nur grösstenteils erhalten bleiben, sondern mehr als die Hälfte des rund zwei Hektar gros­sen Quartierparks soll mit dem Beginn der Arealtransformation planungsrechtlich als Naturschutzzone ausgeschieden werden. Damit kann ein Entwicklungsraum für die bedrohte Stadtnatur entstehen. Auf den anderen Flächen des Grünraums sind Aufenthalts-, Spiel- und Erholungsräume sowohl für die Bewohnerinnen und Bewohner des zukünftigen Quartiers als auch für die des angrenzenden St.-Johann-Quartiers vorgesehen. Somit wurde bei den Projekten viel Wert auf eine gesamtheitliche, möglichst naturnahe Ausstrahlung und eine hohe Biodiver­sität gelegt, aber auch auf eine benutzerfreundliche Gestaltung. Hinzu kam: Da der Quartierpark direkt an das Gleisfeld der Bahnlinie angrenzt, war es aus Sicherheitsgründen notwendig, den Park etwa durch einen Wall vom Bahntrasse zu trennen. Eine weitere Herausforderung für alle Teilnehmer war die Gestaltung der Übergänge zwischen den extensiv und den intensiv genutzten Flächen.

Den Spagat zwischen all diesen Aufgaben meisterte der Entwurf des Teams Skala Landschaft Stadt Raum (Landschaftsarchitektur) mit Regula Müller Ökoberatung (Naturschutz), beide aus Zürich, am besten. Ihr Entwurf konnte sich unter 21 eingereichten Projekten, von denen fünf rangiert wurden, durchsetzen. In ihrem Projekt «Mosaik» sind die Übergänge zwischen den einzelnen Bereichen fliessend gestaltet und ohne eine Zäsur von Zäunen oder durch andere sichtbar störende Absperrungen gegliedert: Gegen Westen steigt die extensive Naturschutz­fläche leicht bis zum Störfallwall entlang der Gleise an; im östlichen und südlichen Bereich folgt eine grosse, baumgesäumte Parkwiese; das dazwischenliegende Erschlies­sungsband ermöglicht den Nutzenden, den Park intuitiv zu verstehen, und lädt zum Entdecken ein. Gegen Norden verengt sich der Park zur Naturschutzfläche, die von einem Veloweg und kleineren Aufenthaltsnischen begleitet wird. Mit dieser Gliederung können auch geschickt die intensiveren Nutzungen mit Abstand zu den Wohnungen platziert und gleichzeitig eine attraktive Raumfolge zwischen eher offenen und stärker belebten Flächen erreicht werden. Die von Bäumen umsäumte und mit wiederverwendeten Materialien eingefasste Parkwiese bietet allen Nutzergruppen des Quartiers – wie Kleinkindern mit ihren Eltern, Jugendlichen, Single-Haushalten oder älteren Menschen – verschiedene Möglichkeiten zur Erholung oder Aktivität an. Dabei wurden die lärmintensiveren Nutzungen wie Spielen und Grillieren bewusst auf der Westseite, von den Wohnungen entfernt, positioniert. Zum Verweilen und als Treffpunkt dienen verschiedene Sitzgelegenheiten, darunter auch der bestehende Platz unter der geschützten Trauerweide.

Die Fuss- und Velowege längs der Wohnbauten sind zum Park hin von grünen Pufferstreifen und Bäumen mit grossen Kronen eingefasst. Dieser lichte Baumfilter vor den Wohnungsfassaden bietet den Passanten Schatten und markiert die Zugänge zu den Wohnblöcken. Auch die begehbaren Spielbrunnen und die Sprühnebeldüsen entlang der Hauptwege leisten einen Beitrag zum angenehmen Mikroklima.

Natur entdecken

Um die Fläche zwischen der Naturschutzzone und den frei nutzbaren Parkflächen nicht als harte Grenze wahrzunehmen, schiebt sich ein Vegetationsband als trennendes und zugleich verbindendes Element zwischen die unterschiedlich genutzten Parkteile. Diese Übergangszone wird mit niedrigen Sträuchern, Stockausschlägen und Stauden, die in einer abgesetzten flachen Mulde liegen, ausgestaltet und durch ein schmales oder breites, mit Sitznischen und eingeschobenen Holzdecks ergänztes Vegetationsband komplettiert. Dadurch können die Naturschutzzone erkundet sowie wenig gestörte Bereiche, die den dort lebenden, teils trittempfindlichen Arten vorbehalten sind, erlebt und beobachtet werden. Und die Mulde dient zugleich der Parkentwässerung und kann optional für die Einleitung von Dachwasser aus den angrenzenden Baufeldern genutzt werden. Verschieden hohe Pflanzen schirmen das Naturschutzgebiet ab und erhalten gleichzeitig den Sichtbezug zum Gleisfeld.

Zur Naturschutzzone gehören die sich über die Jahrzehnte entwickelten Ruderalflächen mit eingelagerten Trockengebüschen, Gleisschotterinseln und Habitatstrukturen, sowie der Störfallwall gegen den Gleiskörper, der aus unterschiedlich breiten Blocksteinmauern besteht. Damit auch der restliche Projektperimeter eine hohe Biodiversität aufweist und sich mit den weiteren Grün- und Strassenräumen vernetzt, werden in den frei nutzbaren Parkteilen sogenannte Mosaiksteine platziert – in Form von ruderal bewachsenen Asphaltflächen, begrünten Natursteinpflastern oder Parkrasen, der nicht regelmässig geschnitten wird und damit u. a. einen natürlichen Lebensraum für Insekten anbietet.

Im Sinne der Jury erfüllt der Park die Bedürfnisse nach Sicherheit, sozialen Aktivitäten und Stimula­tion, ohne zu viel vorzugeben, wie er genutzt werden kann. Hierbei sieht die Jury jedoch noch mehr Möglichkeiten, die Quartierbevölkerung in die Gestaltung einzubeziehen bzw. mitwirken zu lassen. Kritisch hinterfragt sie die starke Betonung der pionierhaften Lebensräume in der Naturschutzzone im Hinblick auf die ihr zukommende Funktion im regionalen Biotopverbund, das Vegetationsbild und die zukünftige Pflege. Potenzial besteht auch noch «in der Ausformulierung der Steglandschaft, welche – reduziert und optimiert – zu einem Markenzeichen des Ortes werden könnte». Als «standortfremd» bezeichnet wird die als Hochstaudenflur konzipierte Vegetation am Übergang der Naturschutzzone, wo die Böden vor allem von Kies bedeckt sind. Insgesamt müsse sich das Projekt vertieft mit dem Mikrorelief auseinandersetzen, sowohl bezüglich der ökologischen Standortvielfalt als auch der Einbettung der Holzstege. Diese sind in Bezug auf die Störfallthematik zu überprüfen, genauso wie das Verhältnis der dreieckigen Spielwiese zum Erschliessungsboulevard. Des Weiteren muss in der Weiterbearbeitung die bestehende Lücke des Störfallwalls in Kooperation mit den Grundeigentümern SBB Immobilien geschlossen werden.

Insgesamt beurteilt die Jury den Beitrag als sorgfältig und detailliert ausgearbeitet, realistisch und robust gestaltet. Der Park bietet ein breites Nutzungsangebot mit vielseitigen Aneignungsmöglichkeiten und schafft aufgrund der klaren Nutzungsdifferenzierung beste Voraussetzungen für ein funktionierendes Miteinander von Mensch und Natur.

Mit der Nachbearbeitung des Siegerprojekts beginnt die Phase des Vorprojekts. Die Weiterbearbeitung in den anschliessenden Phasen erfolgt unter Vorbehalt insbesondere der Ausgabenbewilligung durch den Regierungsrat und den Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt. Ziel ist die Eröffnung des ­Saint-Louis-Parks im Jahr 2025.

Jurybericht und Pläne auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Rang / 1. Preis: «Mosaik»
Skala Landschaft Stadt Raum, Zürich; Regula Müller Ökoberatung, Zürich
2. Rang / 2. Preis: «Texture du sol»
ryffel + ryffel, Uster; 8000.agency, Zürich
3. Rang / 3. Preis: «Take a walk on the wild site»
Krebs und Herde Landschaftsarchitekten, Winterthur; OePlan, Altstätten
4. Rang / 4. Preis: «Heriades»
META Landschaftsarchitektur, Basel; André Rey, Landschaftsarchitekt und Tierökologe, Zürich
5. Rang / 5. Preis: «Coronella ∞ Louis»
Raderschallpartner Landschaftsarchitekten, Meilen; Inatura.ch, Zürich

FachJury

Emanuel Trueb, Leiter Stadtgärtnerei Basel-Stadt (Vorsitz); Marie-Noelle Adolph, Landschaftsarchitektin; Herbert Dreiseitl, Landschaftsarchitekt; Martin Frei, Biologe; Armin Kopf, Leiter Grünplanung, Stadtgärtnerei Basel-Stadt; Dirk Leutenegger, Ressortleiter Gestaltung, Abteilung Stadtraum, Städtebau und Architektur Basel-Stadt; Claudia Moll, Landschaftsarchitektin; Monika Schenk, Landschaftsarchitektin

SachJury

Alice Hollenstein, Urban Psychology, Consulting & Research; Peter Kaufmann, Leiter Finanzvermögen, Immobilien Basel-Stadt; Annette Rommel, Quartierbewohnerin; Yorick Tanner, Stadtteilsekretariat West; Armin Vonwil, Leiter Anlageobjekte Mitte, SBB Immobilien

Etichette

Articoli correlati