Sub­stanz kon­ser­viert

Thurbrücke Eschikofen

In Eschikofen überspannt ein Brückenensemble die Thur und ihre Vorlandbereiche. Nachdem 2007 die Holzbrücke instand gesetzt worden war, folgten nun die beiden Eisenbrücken. Die Ingenieure von Conzett Bronzini Partner schrieben die über 185-jährige Baugeschichte weiter.

Data di pubblicazione
09-09-2021

Ein Zeugnis der Brückenbaukunst der ­vergangenen knapp 185 Jahre – das sind die drei Teilstücke der Thurbrücke Zollhaus Eschikofen. Sie bestehen aus einer Holzbrücke und zwei Eisenbrücken aus verschiedenen Epochen. Dieser Übergang über die kanalisierte Thur ist das älteste Bauwerk auf dem Thurgauer Kantonsstrassennetz. Er war von 1837 bis Mitte des 20. Jahrhunderts die wichtigste Verkehrsverbindung im Thurgau – bis 1954 schleuste die Brücke den Ost-West-Verkehr über ihr Fahrdeck.

Erst der Bau einer Stahlbetonbrücke 250 m weiter fluss­abwärts entlastete die historische Brückenkonstruk­tion. Die Brücke ist im Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz als Objekt von nationaler Bedeutung eingestuft, weil sie viel historische Bau­substanz enthält, aber auch, weil sie die verkehrsspezifische und gesellschaftliche Entwicklung reflektiert.

Brücken als Teil der Flusslandschaft

Da die Brückengeschichte eng mit den Hochwassern der Thur verknüpft ist, zeichnen sich in der Konstruktion und der Einbettung in die Landschaft die wasser­baulichen Aspekte ab. So ermöglichte der Bau der Holzbrücke 1837 die gestreckte Linienführung der für den Kanton Thurgau wichtigen Strasse Winterthur–Frauenfeld–Weinfelden–Bodensee, und entsprechend der Bedeutung dieser Route wurde die Hochwasser­sicherheit der Brücke im Lauf der Zeit mit dem Bau von Vorlandbrücken sukzessive verbessert.

Acht Jahre nach dem Hochwasser vom 10. Juni 1876 (dem zweithöchsten zwischen 1664 und heute) und vier Jahre nach dem zweitstärksten Thur-Hochwasser des 19. Jahrhunderts (1. September 1881) erstellte man 1885 die erste Vorlandbrücke: ein dreifeldriger Durchlaufträger aus einer genieteten Eisenkonstruktion, bestehend aus zwei Hauptträgern in Fachwerkbauweise. Die Spannweiten der Brücke mit trogförmigem Querschnitt betragen 17.40 m im Mittelfeld und 14.50 m in den beiden Randfeldern. Die mittleren Pfeiler sind aus Eisen, die Brückenenden sind auf Beton- bzw. Steinpfeilern gelagert.

Die Querträger bestehen aus zusammengesetzten Doppel-T-Profilen, die im Abstand von ca. 3 m auf den Längsträgern aus Walzprofilen liegen. Mit ­seinem zweifachen Strebenzug und den Pfosten nicht bei jedem, sondern nur bei jedem zweiten Knoten ist der  Fachwerkträger ein besonderer Brückentyp, der zwischen 1882 und 1897 lediglich in einzelnen Fällen für Flussbrücken eingesetzt wurde. Diese Konstruktion ist schweizweit nur selten erhalten geblieben.1

Bereits 1888 ereignete sich ein weiteres Hochwasser, weshalb 1891 eine ergänzende kurze Vorlandbrücke erstellt wurde: ein einfacher Balken mit einer 18.80 m grossen Spannweite über den Bach Alter Giessen. Dieser fiel allerdings am 15. Juni 1910 einem erneut heftigen Hochwasser zum Opfer. So kam es 1911 zur längeren zweiten Vorlandbrücke. Sie besteht aus drei einfachen Balken von je 19.08 m Spannweite, deren ­erstes Teilstück direkt an den Durchlaufträger von 1885 anschliesst. Die mittleren zwei Pfeiler und das ergänzte nördliche Widerlager bestehen aus Beton bzw. Stein.

Die Träger entsprechen dem zu Anfang des 20. Jahrhunderts üblichen System mit zickzackförmig angeordneten Streben. Die Pfosten zwischen jeder ­Strebe sind direkt über den Querträger platziert und bilden mit ihnen einen Halbrahmen im Trogquerschnitt, die die druckbeanspruchten Obergurte gegen seitliches Ausknicken stabilisieren. Die Rhythmisierung der Fachwerkausfachung ähnelt der ersten Vorlandbrücke – statt eines zweiläufigen Strebenzugs kommt hier ein einfacher zum Einsatz. Während die Vorlandbrücke von 1885 einem eher seltenen Brückentyp entspricht, sind die Fachwerkträger von 1911 typische Vertreter ihrer Entstehungszeit.2

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Beachtlich ist, dass die noch originale Holz­brücke von 1837 alle diese Hochwasser ohne be­merkenswerte Schäden überstanden hat. So zeigt sich vor Ort eine Trilogie unterschiedlich konstruierter Brücken aus verschiedenen Zeiten und «mit hohem Alters- und Seltenheitswert», so die Ingenieure des ­projektierenden Büros Conzett Bronzini Partner.

Mit der moderneren Thurbrücke aus Stahlbeton von 1954 – die erste grosse Spannbetonbrücke der Schweiz, projektiert vom Ingenieur Emil Schubiger – wird ­dieses historische Trio um ein weiteres Brücken­bauwerk aus jüngerer Zeit ergänzt. Die Häufung an Brückenübergängen auf kleinem Raum unterstreicht die historische, aber auch gegenwärtig noch wichtige Bedeutung der Flussquerung an dieser Stelle der Thurlandschaft.

Der Zahn der Zeit

Auch wenn die Fahrbahnen aller Brücken in der Zwischenzeit umgebaut wurden – als Fahrbahn diente eine Stahlbetonplatte aus den 1930er- bzw. aus den späten 1960er-Jahren mit Asphaltbelag –, sind die Holz- und die Eisenbrücken weitgehend original erhalten. Dies gilt besonders für die erste Vorlandbrücke von 1885, die noch die ursprünglichen Zoreseisen aufweist. Während die gedeckte Holzbrücke in gutem Zustand ist – 2007 wurde sie umfänglich instand gesetzt –, haben die eisernen, jeweils 110 m langen Vorlandbrücken gelitten. Der teilweise schadhafte oder schlechte ­Zustand war hauptsächlich durch chloridhaltiges ­Wasser verursacht worden, das durch Risse in der ­Fahrbahnplatte drang und von dort an die darunterliegenden Quer- und Längsträger der Eisenkonstruktion gelangte.

Die direkt bewitterten, aber rasch wieder trocknenden Fachwerkhauptträger zeigten sich in ­einem besseren Zustand. Die Pfeiler und Widerlager ­wiesen ausserdem Ober­flächenschäden und Ausbes­serungen aus vorherigen Instandsetzungsarbeiten auf, und die Tiefenfundationen der Pfeiler und Widerlager ­waren nicht mehr funk­tionsfähig; die Holz­pfähle ­waren abgefault. Verheerende Folgen hatte auch die Verkippung des nördlichen ­Widerlagers. Infolgedessen waren alle Brückenträger um bis zu 8 cm entlang der Brückenachse nach Süden verschoben, was lokale Schäden an den Lagern zur Folge hatte.

Somit war ein neuer Korrosionsschutz nötig, einzelne Stahlelemente und die Fahrbahn mussten ­ersetzt, die Betonelemente und sämtliche Lager instand gesetzt bzw. teilweise alte Rollen ausgetauscht und der Oberbau bei der älteren Vorlandbrücke um 2.5 cm und bei der ­neueren Vorlandbrücke um 8 cm in die ursprüngliche Lage zurück verschoben werden.

Bauablauf
Die Brücke wurde während der Instandsetzungsarbeiten gesperrt.

  1. Rückbau der Fahrbahnplatten
  2. Einbau Arbeitsgerüst
  3. Anheben der Brücken
  4. Einhausung der gesamten Konstruktion (Einhausungsklasse 1)
  5. Restaurierung Pfeilerköpfe
  6. Entschichten der gesamten Konstruktion
  7. Instandstellung der Stahlkonstruktion
  8. Nachstrahlen der gesamten Konstruktion und Aufbringen des neuen Korrosionsschutzes
  9. Rückbau Einhausung
  10. Absenken und Verschieben der Brücken
  11. Neubau der Betonfahrbahnplatten inkl. UHFB-Belag
  12. Restaurierung der Pfeiler und Widerlager

Die neue Fahrbahnplatte besteht aus schlanken Stahlbetonplatten, die mit Ultrahochleistungs-Faserbeton übergossen wurden. Diese Konstruktion ist nicht nur dicht, sondern auch leicht, was das Tragwerk und die Fundation entlastet. Die ständigen Lasten an der Oberkante der Pfeiler und Widerlager konnten somit auf 65 % reduziert werden.

Dieser Aufbau entlastet selbst die durch Materialverlust infolge Korrosion teilweise geschwächten Längsträger. So konnten auch sie trotz Tragwiderstandsverlust ­erhalten bleiben. Wegen der markanten Entlastung und aufgrund des guten Allgemeinzustands sowie der ­geringen Empfindlichkeit des Tragwerks gegenüber Setzungen konnte man letztlich auf eine Erneuerung der Tiefenfundationen verzichten.

Die ausführliche Version dieses Artikels ist erschienen in TEC21 27/2021 «(Nicht) neu genietet».

Thurbrücke Eschikofen

 

Bauherrschaft: Kanton Thurgau, Kantonales Tiefbauamt, Frauenfeld

 

Denkmalpflege: Amt für Denkmalpflege, Frauenfeld

 

Fachstellen des Bundes: Bundesamt für Strassen, Bern (Mitfinanzierung)

 

Projektverfasser, Bauleitung: Conzett Bronzini Partner, Chur

 

Beratung Korrosionsschutz, Denkmalpflege: Wolf Meyer zu Bargholz, Restaurator für Technische Kulturgüter, Bielefeld (D)

 

Korrosionsschutzexperte: Kontra Korrosion, Rickenbacher, Steinen

 

Korrosionsschutz- und Stahlbauarbeiten: Marty Korrosionsschutz, Jona

 

Nietarbeiten: Schneider Stahlbau, Jona

 

Baumeisterarbeiten: Tschanen, Müllheim

 

Restaurator Pfeiler: TH-Conservations, Weinfelden

Anmerkungen / Literatur

 

1 Technischer Bericht: Conzett Bronzini Partner, Thurbrücke Zollhaus in Wigoltingen, Instandsetzung Vorlandbrücken – Massnahmenprojekt, Chur 29.5.2019.

 

2 Zoreseisen (auch: Z-Eisen) waren von dem französischen Ingenieur Charles Ferdinand Zores in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte Eisenprofile zur Verwendung in den Tragwerken verschiedener Eisen­konstruktionen. Sie waren in Frankreich sehr verbreitet und dienten als eiserner Brückenbelag, der die Fahrbahnträger überdeckte und die Unterlage des Schotters, des Betons oder des Pflasters für die eigentliche Fahrbahn bildete.

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