Ver­web­te Struk­tu­ren

Areal Gupfen, Illnau; Projektwettbewerb im selektiven Verfahren

Baumberger & Stegmeier Architekten haben mit SMS Landschaftsarchitektur ihr Siegerprojekt für Alterswohnen auf dem Gupfen-Areal in Illnau in den Bestand eingebettet.

Data di pubblicazione
10-06-2021

Auf dem Gupfen-Areal in Illnau soll ein modernes Wohn­umfeld für Menschen in der Nachfamilienphase entstehen. Dafür erwarb die Genossenschaft Sonnenbühl Uster das Areal, was der Grosse Gemeinderat im April 2019 genehmigte. Die gemeinnützige Genossenschaft ist seit 55 Jahren im Bereich «Wohnen im Alter» tätig und zielt nicht auf monetären Gewinn, sondern auf einen «langfristigen Mehrwert für alle» ab. Um einen Gestaltungsplan für das Areal mit einer Alterssiedlung mit rund 34 ­Wohnungen, Pflegewohnungen bzw. -wohngruppen für ca. 27 Menschen sowie einen Quartierladen zu erhalten, schrieb sie einen einstufigen Projektwett­bewerb im selektiven Verfahren aus. Dem Wettbewerb lag das Nutzungskonzept «Wohnenplus Gupfen» zugrunde, das von der Stadt Illnau-Effretikon entwickelt wurde. Um das Projekt zu realisieren, kooperiert die Genossenschaft mit ­Almacasa, einer Betreiberin von Altersangeboten, als Ankermieterin. Zweiter Ankermieter ist ein noch nicht definitiv bestimmter Detaillist, der den Laden betreiben wird.

Soziale Verpflichtung

Das Areal Gupfen befindet sich östlich des Bahnhofs zwischen der ­Effretikonerstrasse und der Kempttalstrasse. Die Genossenschaft will mit der neuen Siedlung ihr Angebot ergänzen und die Stadt Illnau-Effre­tikon bei der Erfüllung ihrer sozialen Verpflichtungen unterstützen, indem Menschen länger in ihrer angestammten Umgebung leben können. Die eingereichten Projekte sollten durch eine gute städtebauliche Einordnung und mit einem vielfältigen Angebot an Begegnungsorten die Identität des Orts stärken und den nachbarschaftlichen Austausch fördern.

Herausforderung

Die Jury attestierte dem Wettbewerb eine anspruchsvolle Aufgabenstellung. Denn neben einer guten Einbettung in den städtebaulichen Kontext mussten die unterschied­lichen Öffentlichkeitsgrade der Umgebung wie Vorzonen zu Läden und Gemeinschaftsräumen, Gärten für Menschen mit Demenz, Wohnungszugänge und teilweise sogar private Vorzonen vor Erdgeschosswohnungen zu einem stimmigen Ganzen verwoben werden. Das Raumprogramm war geometrisch schwierig zu bewältigen.

Die unterschiedlichen Nutzungen mit grossflächigen Wohngruppen, vielen Kleinwohnungen und einem Ladenlokal verlangten nach unterschiedlichen Gebäude­tiefen, die die Planenden klug übereinander anordnen mussten. Zudem erforderten die Kleinwohnungen eine flächeneffiziente, attraktive und brandschutzkompatible Er­schlies­­sungsstruktur, die auch in den darunter liegenden Nutzungseinheiten eine räumlich stimmige sein musste. Die Teilnehmenden reichten eine grosse, qualitativ hoch­wertige Band­breite an unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten ein. Schliesslich entschied sich die Jury einstimmig für das Projekt «Carac» von Baumberger & Stegmeier Architekten mit SMS Landschaftsarchitektur zur Weiterbearbeitung.

Siedlung im Kontext

Ausgangspunkt des Projektentwurfs «Carac» ist die städtebauliche Haltung. Mit der gewählten Setzung orientieren sich die Projektverfassenden einerseits am ländlichen Charakter von Illnau, andererseits an den längs orientierten Gewerbe- und Industriebauten entlang der Kempt. Unter Einbezug des bestehenden Bauernhauses bilden die abgewinkelten Baukörper ein Ensemble, das die Struktur des Orts aufnimmt und die neue Siedlung in den Kontext einwebt.

Im Zusammenspiel mit dem Bestandsbau entsteht eine Abfolge differenziert gestalteter Aussenräume mit einer hohen Aufenthaltsqualität. Den Anfang macht der «Marktplatz», der die eigentliche Adresse der Siedlung darstellt. Hier befinden sich die Zugänge zum ­Bistro im Bauernhaus und zum Grossverteiler gegenüber. Darüber liegen die Wohnungen der Alterssiedlung, und über die Diagonale erkennbar partizipiert auch die Almacasa an der Adressierung zur Effretikonerstras­se. Durch eine geschickte räumliche Über­lagerung gelingt es den Projektver­fassenden, den unterschiedlichen ­Nutzungen eine angemessene Präsenz gegen aussen zu verleihen. Der Zugang zum Grossverteiler fügt sich ins Ensemble ein und wird zu einem Teil der Siedlung.

Im Innern der Bebauung befindet sich ein Hofraum. Er ist nach ländlichem Vorbild als Obstgarten gestaltet, von dem aus die Wohnungen über Laubengänge erschlossen sind. Da die Tiefgarage lediglich unter den Gebäuden angeordnet wird, kann der baumbestandene Garten umgesetzt werden.

Die Jury empfindet nicht alle Haus­zugänge als von gleicher Qualität, insbesondere in der Innen­ecke des Gebäudes mit den Wohnungen von Almacasa wirkt der Eingang beengt. Die Anordnung des Gemeinschaftsraums zum gemeinsamen Garten ist zwar eine schöne Idee, gleichzeitig würde man sich aber mehr Synergien mit dem Bistro wünschen. Die Räumlichkeiten der Almacasa werden im östlichen Gebäude auf zwei Geschosse verteilt, auf das Erdgeschoss mit Gartenbezug und eine zweite Wohngruppe im 1. Obergeschoss. So können sich die Bewohnenden gut in die Siedlung integrieren. Die Jury empfiehlt, das Grundrisslayout zu überarbeiten, da die Küche, der Essbereich und das Wohnen zu weit auseinanderliegen und Almacasa diese Funk­tionen gern kombiniert. Nicht bewältigt ist auch der Bezug der Erdgeschossräumlichkeiten zur an­grenzenden Umgebung.

Die Wohnungen der Genossenschaft werden mehrheitlich über Lauben erschlossen. Diese architektonische Interpretation ländlicher Architektur trägt zur wohnlichen Atmosphäre bei und unterstützt den persönlichen Austausch der Bewohnenden untereinander. Differenziert gestaltete Eingangszonen, rückwärtig gelegene Schlafzimmer und eine gut belichtete Mittelzone als Puffer charakterisieren die Wohnungen und geben Antworten auf Konflikte, die das Wohnen am Laubengang mit sich bringen könnte.

Die Jury stellt jedoch die Möblierbarkeit der Laubengänge infrage, die in der von den Verfassenden vorgeschlagenen Form nicht möglich ist – es fehlt ein zweiter Fluchtweg. Das führt dazu, dass einige Wohnungen über keinen privaten Aussenraum verfügen, was für die Jury nicht akzeptabel ist. Ergänzt wird das Angebot durch mehrseitig orientierte Wohnungen. Insgesamt bietet der Projektvorschlag eine Bandbreite verwandter, aber gleichwohl verschiedenartiger Wohnungstypen für unterschiedliche Ansprüche. Die Waschküchen auf dem Dach könnten über ihre Funktion hinaus zu einem Begegnungsort werden.

Aus Sicht der Jury ist das Grundrisslayout des Grossverteilers geometrisch ungünstig, und die Lagerräume sind zu peripher angeordnet. Die vertikale Leitungsführung aus den Wohngeschossen zu den Technikzentralen ist nicht gelöst. Die Umgebung verfügt über belebte und ruhige Zonen und über attraktive Orte mit Sitzgelegenheiten unter Schatten spendenden Bäumen, die eine hohe Aufenthaltsqualität aufweisen.

Die Jury regt an, bei der ­Wei­terbearbeitung zu prüfen, ob im ­Innern des Obstgartens weitere Sitz­möglichkeiten für die älteren Bewohnenden mit ergänzenden Pflan­zungen möglich sind. Ausserdem empfiehlt sie, den Garten für Menschen mit Demenz in Richtung des Waschplatzes um die Wohngruppe zu erweitern. Mit dem Umgebungs­konzept werden unterschiedliche Bereiche ausgestaltet, etwa der Marktplatz vor dem Detaillisten, der Nuss­hof beim alten Bauernhaus sowie der zur Kempt ausgerichtete Waschplatz mit Pergola und Pünt (Nutz­garten). Die Projektverfassenden schaffen für die Bewohnenden eine eigene Welt, indem sie gleichzeitig die landschaftlichen Qualitäten nutzen und das Poten­zial des Orts weiterentwickeln.

Die Jury ist der Meinung, dass der gestalterische Ausdruck des Projekts sowie die ortsbauliche Setzung eine zeitgemässe Interpretation ländlicher Architektur darstellen. Auf einem massiven Sockel sorgt eine wohnliche Holzarchi­tektur für ein stimmungsvolles Erscheinungsbild. Das Projekt «Carac» versteht es, im Zusammenspiel mit dem bestehenden Bauernhaus ein ausgewogenes Ensemble zu schaffen, das den Anforderungen der unterschiedlichen Nutzungen gerecht wird und sich bestens in den Kontext integriert.

Pläne und Jurybericht zum Wettbewerb finden Sie auf competitions.espazium.ch

Auszeichnungen

1. Rang: «Carac»
Baumberger & Stegmeier Architekten, Zürich; SMS Landschaftsarchitektur, Zürich; OVI Images, Baden
2. Rang: «Dreiergespann»
Soppelsa Architekten, Zürich; Lorenz Eugster, Landschaftsarchitektur + Städtebau, Zürich; APT Ingenieure, Zürich; Gruenberg + Partner, Zürich
3. Rang: «Piccolo Paradiso»
Studio Burkhardt mit Lucas Michael Architektur, Zürich; Kirsch & Kuhn Freiräume & Landschaftsarchitektur, Wetzikon; Pirmin Jung, Rain

FachJury

Bettina Neumann, Architektin (Vorsitz), Zürich; Yvonne Rudolf, Architektin, Zürich; Pascale Guignard, Architektin, Zürich; Jacqueline Noa, Landschaftsarchitektin, Zürich; Beat Salzmann, Architekt (Ersatz), Uster

SachJury

Jürg Binkert, Präsident der Genossenschaft Sonnenbühl; Vincenzo Paolino, Gründer, Mitglied Geschäftsleitung und Verwaltungsrat Almacasa; Ueli Müller, Vertretung Stadt Illnau-­Effretikon

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