Ein Campus am See
Schulhaus Schulstiftung Glarisegg, offener Projektwettbewerb
Mit drei neuen Pavillons in Holzskelettbauweise ergänzt das Architekturbüro Stadler Zlokapa in seinem Wettbewerbsentwurf das Areal der Schulstiftung Glarisegg bei Steckborn am Bodensee. Durch die genaue Analyse des Standorts konnte es so die Schulanlage sinnvoll ergänzen und erneuern.
Auf einer Landzunge direkt am Ufer des Bodensees (Untersee) westlich von Steckborn liegt eine alte Siedlung zwischen See, Wald und Feldern. Die Gebäude aus verschiedenen Epochen werden seit 1971 als Sitz der Schulstiftung Glarisegg – einer Einrichtung für verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche für jedes Schulalter – genutzt. Die Baugruppe ist zusammen mit dem höher gelegenen Schloss Glarisegg und der Nahumgebung mit Wies-, Ackerland und Wald im Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) mit Erhaltungszielen eingestuft.
Um ihre Kapazitäten zu erweitern und bestimmte Schulräumlichkeiten dem heutigen Bedarf anzupassen, hat die Stiftung einen offenen Projektwettbewerb zur Erweiterung und Erneuerung ausgeschrieben. Der Wettbewerbsperimeter umfasst zwar das gesamte Glariseggareal, jedoch nicht alle vorhandenen Gebäude. So war zum Beispiel das Hauptgebäude nicht Bestandteil des Wettbewerbsverfahrens. Ebenso wenig das Wohnheim «Lönneberga» und das Werkgebäude.
Das Seeschulhaus, ursprünglich vermutlich ein landwirtschaftliches oder gewerbliches Nebengebäude, entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen des Schulbetriebs und soll entsprechend dem Raumprogramm erneuert oder neu gebaut werden. Auch das Mehrzweckgebäude, das Ökonomiegebäude und das Gebäude Unterhalt sind Teil des Wettbewerbsverfahrens. Der Umgang mit dem letzten Gebäude, dem ehemaligen Heimleiterhaus, stand den Teilnehmenden offen.
Die Veranstalterin erwartete gute Lösungsvorschläge für den Umgang mit dem Bestand, wobei für sie vom Abbruch und Neubau bis zum Gebäudeerhalt mit Umbau und Erweiterung alles denkbar war. Zusätzlich strebte die Veranstalterin eine Verbesserung der Aussenraumgestaltung des Gesamtareals an. Insgesamt wurden 102 Beiträge eingereicht, von denen fast keiner von den klassisch bekannten Schweizer Architekturbüros kam. Aus allen Ecken der Schweiz und auch aus dem Ausland reichten die Teilnehmer ihre Arbeiten ein. Dies zeigt einmal mehr, wie wichtig der offene Wettbewerb für die architektonische Vielfalt in der Schweiz ist.
Die Vision eines Campus
Die Jury wählte einstimmig das Projekt «Pivot» des Basler Architekturbüros Stadler Zlokapa. Für die Architektin und den Architekten stellt die Gesamtwirkung der Anlage eine besondere Qualität dar. Insbesondere das eindrückliche Haupthaus (Schulhaus) aus dem 18./19. Jahrhundert bildet im Zusammenspiel mit dem liegenden Schulhausbau am See ein spannendes Ensemble aus Vertikalität und Horizontalität, was vom See und von der Vegetation noch unterstrichen wird.
Die Vision der Planenden war es, mithilfe dreier pavillonartiger Neubauten, die sich zusammen mit den Bestandsbauten um den Schulhof gruppieren, einen Campus zu schaffen, der diese Gesamtwirkung noch unterstreicht. Die Jury lobt diese Herangehensweise, durch die der Schulhof zum Dreh- und Angelpunkt der Anlage wird.
Tradition, Privatheit und Öffentlichkeit
Auch bei der architektonischen Gestaltung lobt die Jury die an die Tradition einfacher Ferienhäuser in Holz der 1930er-Jahre am Untersee erinnernde Gestaltung. Sie erkennt darin eine gute Antwort darauf, wie man in einem solchen landschaftlichen Kontext baut: mit unaufgeregter Einfachheit und Schönheit. Die Architektin und der Architekt wollen mit der Fassadengestaltung Bezug zum umliegenden Aussenraum mit Garten, Hof und See nehmen. Mithilfe eines Schichtaufbaus der Raumebenen vermitteln sie zwischen innen und aussen, zwischen privat und öffentlich.
Die innerste Schicht, der thermisch abgeschlossene Innenraum, ist durch Stützen und Fenster von der zweiten Schicht, der Veranda, getrennt. Diese kann durch Markisen zusätzlich von der Umgebung zum Beispiel zum Schutz vor Sonneneinstrahlung abgeschirmt werden. Eine dritte Schicht bildet die überdachte Vorzone, die Schutz vor Regen und Sonne bietet.
Das Büro entwarf alle drei Neubauten in Holzskelettbauweise, die in einem gleichmässigen Raster umgesetzt wurde. Besonders wichtig war ihnen dabei, dass die Grundrisse flexibel nutzbar bleiben und ideale Proportionen für den Schulbetrieb aufweisen. Die heutigen Anforderungen finden in den neuen Gebäuden Platz, aber auch zukünftige Nutzungsänderungen sollen die Gebäude aufnehmen können.
Die schwebende Schule
Die Gebäude sind leicht vom Boden abgehoben. Durch diese Aufständerung lösen die Architekten die Anforderungen an den Wellen- und Hochwasserschutz, und Terrainveränderungen werden zudem überbrückt. Durch diese architektonische Finesse entsteht bei der Jury der Eindruck einer unter den Bauten fliessenden Landschaft. Sie merkt aber auch an, dass das Thema in der Aussenraumgestaltung zu wenig aufgegriffen wird. Sie schlägt eine Begrünung der Bodenflächen im Übergangsbereich zu den Häusern innerhalb des Schulhofes vor, wodurch das Bild von schwebenden Häusern besser wiedergeben werden würde. Insgesamt fordert die Jury für das Aussenraumkonzept mehr unversiegelte, begrünte Flächen und zusätzliche Baumpflanzungen im Schulhof.
Insgesamt attestiert die Jury dem Siegerprojekt ein feines Gespür für die Bedürfnisse des Ortes, die die Planenden hervorragend gelöst haben. Mit dem Projekt kann das gesamte Schulareal eine neue Qualität erlangen.
Weitere Pläne und Bilder finden Sie auf competitions.espazium.ch.
Lesen Sie auch: Stadler Zlopaka im Interview
Auszeichnungen
1. Rang / 1. Preis: «Pivot», Stadler Zlokapa, Basel
2. Rang / 2. Preis: «LISA», Renoplan Architektur, Hagenbuch
3. Rang / 3. Preis: «Bellevue (II)», JET Architekten, Lausanne
4. Rang / 4. Preis: «Alles unter einem Dach», Atelier Brandau Ciccardini Architekten, Luzern
5. Rang / 5. Preis: «Nangijala», Arbeitsgemeinschaft Kuithan Architekten + Schulthess Architekten, Zürich
Engere Wahl: «Robinson», Arbeitsgemeinschaft Mattias Rutishauser & Daniel Carvalho de Seixas, Luzern
Engere Wahl: «Rousseau», Arbeitsgemeinschaft Balissat und Joni Kaçani, Baden
Fachjury
Erol Doguoglu, Kantonsbaumeister, Architekt, Frauenfeld; Marco Graber, Architekt, Bern / Zürich; Dominique Ghiggi, Landschaftsarchitektin, Biologin, Zürich; Andreas Imhof, Architekt, (Ersatz Fachpreisrichter), Kreuzlingen
Sachjury
Roger Forrer, Stiftungsratspräsident Schulstiftung Glarisegg, Vorsitz; Roland Wenger, Schulstiftung Glarisegg, Bauten, Architekt, Steckborn; Lorenz Odermatt, Gesamtleitung Schule (Ersatz Sachpreisrichter)