Burg­dorf – Stadt der Schu­len

Bildungscampus Burgdorf

Auf dem Areal Gsteig in Burgdorf soll die Technische Fachschule ­Bern ­anstelle der Berner Fachhochschule angesiedelt werden. Mit der Erweiterung des benachbarten Gymnasiums entsteht dort aus den beiden Schulen der Bildungscampus Burgdorf.

Data di pubblicazione
22-10-2020

Der Ortsname «Burgdorf» ist ein wenig irreführend. Aus dem einstigen Dorf im Emmental ist längst eine Kleinstadt und aus der Burg ein Schloss geworden. Heute gilt Burgdorf im Kanton Bern als die «Stadt der Schulen». Die Berner Fachhochschule verlässt ihren Standort auf dem Areal Gsteig und überlässt das Feld der Fachschule Bern, die ihre beiden Standorte Felsenau und Lorraine zusammenführen will. In unmittelbarer Nähe liegt das kantonale Gymnasium Burgdorf, das erweitert werden soll. Die beiden Schulen erhalten eine gemeinsame Infrastruktur mit Mensa, Aula und Turnhallen.

Die Technische Fachschule Bern, bekannt als «Lädere», bietet Ausbildungsplätze an, die die Wirtschaft kaum oder gar nicht anbietet. Damit verfolgt sie zwei Ziele. Zum einen soll «Jugendlichen mit erhöhten Eintrittshürden» eine Berufs­bildung und damit der Einstieg ins Berufsleben ermöglicht werden. Zum anderen bietet sie leistungsstarken Jugendlichen die Möglichkeit, nach der Lehre mit der inte­grierten Berufsmaturität an den Fachhochschulen zu studieren. Die Schule fördert damit den Nachwuchs in Ingenieurberufen.

Das Gymnasium Burgdorf ist eine bernische Maturitätsschule mit rund 560 Schülerinnen und Schülern, die in 28 Klassen unterrichtet werden. Es bietet alle im Kanton Bern vorgesehenen Schwerpunkt- und Ergänzungsfächer, Freifächer sowie die Möglichkeit einer zweisprachigen Matura in Englisch, Französisch und Italienisch. Das Gymnasium muss erweitert werden, weil die Verantwortlichen mit einer Verdopplung der Anzahl Klassen rechnen.

Gestützt auf eine Potenzialanalyse hat das Amt für Grundstücke und Gebäude des Kantons Bern (AGG) dafür zwei Projektwettbewerbe parallel durchgeführt und vom gleichen Preisgericht beurteilen lassen. Die Teams konnten entscheiden, ob sie an beiden oder nur an einem Wettbewerb teilnehmen wollen. Beide Verfahren wurden nach den Grundsätzen der Ordnung für Wettbewerbe SIA 142 durchgeführt. Für die Technische Fachschule Bern gingen 24 Projekte, für das Gymnasium Burgdorf 27 Projekte ein. Je ein Beitrag musste wegen Verletzung der Anonymität von der Beurteilung ausgeschlossen werden. Die Projektverfasser hatten ihre Beiträge bereits vor der Jurierung auf ihre Website gestellt. Je ein Beitrag wurde wegen wesentlicher Verstösse gegen das Raumprogramm von der Preis­verteilung ausgeschlossen.

Von den bestehenden Bauten sind nach Ansicht der Denkmalpflege die eingestuften Baudenkmäler mit ihren spezifischen Qualitäten und ihrer Umgebung zu erhalten, insbesondere die Stadtsilhouette mit dem Technikum an der nördlichen Hangkante und dem Gymnasium auf dem nach Süden ausgerichteten Plateau. Neubauten sind so zu konzipieren, dass sie sich in ihrer Massstäblichkeit in den Bestand einordnen.

Technische Fachschule Bern

In den beiden geschützten Gebäuden Technikum und im Erweiterungsbau sind Räume für die Verwaltung und die Abteilungen Elektronik, Informatik und «neutraler Unterricht» vorgesehen. Der Ausbildungs- und Werkstatttrakt sowie die gemein­same Infrastruktur für Fachschule und Gymnasium hingegen sollen in einem Neubau untergebracht werden. Das umfangreiche Raumprogramm sieht dafür 17 000 m² Hauptnutzfläche vor. Die Integration dieses grossen Volumens war für die Teilnehmenden eine grosse Herausforderung. Sie haben darauf mit einer grossen Bandbreite möglicher Strategien reagiert, von mehreren Einzelgebäuden über die Anordnung vieler Räume im Untergrund bis zu gros­sen, auf den Kontext abgestimmten Volumen.

Helle Werkstätten

Das Preisgericht empfiehlt der Ausloberin einstimmig den Beitrag «werk.stadt» des Teams von MAK architecture zur Weiterbearbeitung. Mit drei zusammengebauten Volumen gelingt es den Projektverfassern, grosse zusammenhängende Flächen rücksichtsvoll in die delikate Umgebung einzufügen. Das Gebäude ist sowohl in der Höhe als auch im Grundriss gestaffelt und steht parallel zur Hangkante. Die tiefere Gebäudeschicht duckt sich neben das Technikum und weicht von der Hangkante zurück. Die Staffelung der Stirnseiten vermittelt zwischen Bestand und Neubau, indem sie einen Hof schafft, der die verschiedenen Gebäude erschliesst und die verschiedenen Niveaus miteinander verbindet.

Im Gegensatz zur rücksichts­vollen Volumetrie setzt sich die architektonische Gestaltung vom Bestand deutlich ab. Die beachtliche Gebäudelänge und die grosszügig verglasten Fassaden machen keinen Hehl daraus, dass der Neubau Werkstätten enthält. Das Tragwerk besteht aus einem Skelettbau in Holz mit Holzbetonverbunddecken und aussteifenden Betonumfassungen der Treppenhäuser und Aufzüge. Die grossen Spannweiten erlauben eine flexible Nutzung. Die Leichtbauweise, die guten Tageslichtverhältnisse, die verwendeten Materialien und das kompakte Bauvolumen versprechen eine wirtschaftliche und nachhaltige Umsetzung.

Industrielle Werkhallen

Ganz anders als der Beitrag «werk.stadt» schlägt das mit dem zweiten Preis ausgezeichnete Projekt «He­phaistos» ein grosses, in der Höhe nicht gestaffeltes Gebäude vor. Wie beim ersten Preis ist auch hier der Auftritt selbstbewusst und verweist mit den Sheddächern und den Metallfassaden noch expliziter auf die Werkhallen im Innern. Das unterstreicht auch das Kennwort mit dem Namen des griechischen Gottes des Feuers und der Schmiedekunst «Hephaistos». Durch die Staffelung des Grundrisses entstehen unterschiedliche Aussenräume und Zugänge sowie kürzere und längere Fassaden.

Das ausgeklügelte Tragwerk besteht unten aus Beton mit einem Skelettbau und Flachdecken, während die darüber liegenden Werkhallen mit den Sheddächern als ­stützenfreie Stahlkonstruktion aufgebaut sind. Der Beitrag besticht durch einfache Systemtrennung sowie eine hohe Nutzungsflexibilität. Die geschickte Setzung in die Topografie vermindert das unterirdische Bauvolumen und senkt die Baukosten. Dem Preisgericht war dann aber die stringente Umsetzung doch zu radikal. Es kritisierte einzelne Betriebsabläufe und vor allem den industriellen Charakter der Fassaden.

Gymnasium Burgdorf

Das kantonale Gymnasium Burgdorf besteht aus dem Hauptgebäude, der Turnhalle Gsteig und einem Ergänzungsgebäude. Den Teilnehmenden war es freigestellt, das Ergänzungsgebäude zu erweitern oder abzubrechen. Die eingereichten Beiträge enthalten für beide Möglichkeiten überzeugende Lösungsansätze. Der Wettbewerb hat dann aber gezeigt, dass eine Erweiterung dieses Gebäudes mit grossen Eingriffen in die bestehende Bausubstanz verbunden wäre und als Teil der Gesamtanlage nicht überzeugt.

Das vom Preisgericht einstimmig zur Weiterbearbeitung empfohlene Projekt «Phönix» vom Team KNTXT Architekten sieht den Abbruch des Ergänzungsgebäudes und einen dreigeschossigen Neubau vor. Dieser ist parallel zum Hauptgebäude und zur Spielwiese gesetzt. Die Komposition aus Hauptgebäude, Turnhalle und Neubau harmoniert. Sie definiert einen grosszügigen Aussenraum, der räumliche Bezüge zur Technischen Fachschule herstellt und den Charakter eines «Bildungscampus» fördert. Die Materialisierung mit hell lasiertem Holz und Aluminium erinnert an einen leichten Pavillon.

Das mit dem zweiten Preis ausgezeichnete Projekt «dreiklang» des Teams von wbarchitekten belässt den Ergänzungsbau und erweitert ihn um zwei Gebäude mit derselben Grundfläche. Durch die windmühlenartige Komposition entsteht in der Mitte ein Hof mit Ausblicken und Diagonalbezügen. Das neue Volumen im Süden ist ein Geschoss höher als die beiden anderen Gebäude. Trotz der guten Massstäblichkeit und der geschickten Integration der Neubauten in die Umgebung kann das Projekt nicht überzeugen. Es genügt den betrieblichen Anforderungen nicht und ist wegen der Aufteilung des Raumprogramms auf drei Häuser zu wenig flexibel.

Grossräumige Betrachtung

Das Preisgericht hat sich bei beiden Wettbewerben für die Technische Fachschule und das Gymnasium Burgdorf für zweckmässige Projekte mit grosser Flexibilität entschieden. Die parallele Durchführung der beiden Verfahren bot die Chance einer grossräumigen Betrachtung des ­ganzen Quartiers Gsteig. Industriearchitektur wie beim Beitrag «He­pha­istos» oder kleinmassstäb­liche Ansätze wie beim Projekt «dreiklang» konnten sich nicht durchsetzen. Gewonnen haben Beiträge mit kräftigen Volumen, die subtil auf den Bestand reagieren. Mal gelingt die Integration durch Staffelungen im Schnitt und im Grundriss, mal durch den beschwingten Auftritt eines gros­sen Pavillons.

Pläne und Jurybericht zu den beiden Wettbewerben finden Sie auf competitions.espazium.ch:

Auszeichnungen Neubau Technische Fachschule Bern

1. Rang / 1. Preis: «werk.stadt»
MAK architecture, Zürich; Kolb Landschaftsarchitektur, Zürich; Ingeni Zürich; Todt Gmür + Partner,
Schlieren
2. Rang / 2. Preis: «Hephaistos»
Franziska / Sebastian Müller Architekten, Zürich; Carolin Riede, Landschaftsarchitektin, Zürich; Pfyl Partner, Ingenieure Planer, Zürich; 3-Plan Haustechnik, Winterthur
3. Rang / 3. Preis: «Parapluie»
Esch Sintzel Architekten, Zürich; Ort für Landschaftsarchitektur, Zürich; Merz Kley Partner, Altenrhein; Bogenschütz, Basel
4. Rang / 4. Preis: «Belvoir»
Ammann Architetti, Zürich; Laborato­rium Kollektivgesellschaft, Zürich; Aschwanden & Partner, Ingenieure und Planer, Rüti; HL-Technik, Schaffhausen
5. Rang / 5. Preis: «Holzwerkstatt»
Wulf Architekten Zweigniederlassung Basel; Planstatt Senner, Überlingen (D); Ingenieurgesellschaft Meiss Grauer Holl, Stuttgart; Drees & Sommer Schweiz, Basel
6. Rang / 6. Preis: «Bora Agora»
ARGE Nik Werenfels Architekten, Ivo Piazza Architektur, Zürich; Kirsch & Kuhn Freiräume und Landschaftsarchitektur, Wetzikon; WAM Planer und Ingenieure, Bern; TP für Technische Planungen, Biel

Auszeichnungen Neubau Gymnasium Burgdorf

1. Rang / 1. Preis: «Phönix»
KNTXT Architekten, Zürich; Bernhard Zingler Landscape Projects, Zürich
2. Rang / 2. Preis: «dreiklang»
wbarchitekten, Bern; Luzius Saurer Landschaftsarchitektur, Hinter­kappelen
3. Rang / 3. Preis: «Forum»
Dürig, Zürich; Kuhn Landschaftsarchitekten, Zürich
4. Rang / 4. Preis: «Die Physiker»
Sollberger Bögli Architekten, Biel; Xeros Landschaftsarchitektur, Bern
5. Rang / 5. Preis: «Drei Formen»
Ern + Heinzl Architekten, Solothurn; Johannes von Pechmann Stadtlandschaft, Zürich
6. Rang / 6. Preis: «y=mx+n»
MJ2B Architekten, Murten; BBZ Bern, Bern

FachJury (beide Wettbewerbe)

Angelo Cioppi, Kantonsbaumeister (Vorsitz); Heinz Brügger, Architekt, Thun; Ursina Fausch, Architektin, Zürich; David Leuthold, Architekt, Zürich; Christine Odermatt, Architektin, Bern; Fritz Schär, Architekt, Bern; Toni Weber, Landschafts­architekt, Solothurn; Stefan Portner, Architekt, Baumanager (Ersatz)

SachJury (beide Wettbewerbe)

Stefan Berger, Stadtpräsident Burgdorf; Christian Joos, Rektor, Gymnasium Burgdorf; Beat Keller, AGG, Abteilungsleiter Immobilienmanagement; Hanspeter Marmet, Dialoggruppe Gsteig; Achim Steffen, Bildungs- und Kulturdirektion (BKD); Matthias Zurbuchen, Direktor Technische Fachschule TF Bern; Michael Frutig, AGG, Abteilungsleiter Bauprojektmanagement (Ersatz); Rudolf Holzer, Leiter Bau­direktion Stadt Burgdorf (Ersatz)

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