«Von der Tief­ga­ra­gen­dec­ke wird je­der Qua­dra­tzen­ti­me­ter bean­spru­cht»

Grösse und Nutzung des Circle erfordern eine komplexe Gebäudetechnik, für die aber nur wenig Platz zur Verfügung steht. Der verantwortliche Planer gewährt einen Einblick ins Projekt.

Data di pubblicazione
09-07-2020

TEC21: Herr Appert, wie erleben Sie Ihre Tätigkeit für die momentan grösste Hochbaustelle der Schweiz?

Christian Appert: Intensiv – wir sind zwischenzeitlich seit dem Jahr 2015 im Projekt tätig. Zusammen mit der HRS haben wir die Totalunternehmerausschreibung gewonnen und es mit Baubewilligung aus der ursprünglichen Generalplanung übernommen. Seit diesem Zeitpunkt ist unsere Firma mit durchschnittlich 50 Vollzeitäquivalenten dafür im Einsatz. Das ist ausserordentlich viel, steht aber in Relation zur ebenfalls hohen Bausumme für die Gebäudetechnik von 220 Mio. Franken. Beispielsweise sind aktuell nur schon fünf Mitarbeiter unseres Büros mit der Qualitätssicherung im Brandschutz beschäftigt, damit die relevanten Vorgaben der VKF (Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen) umgesetzt werden können.

TEC21: Welche Bedeutung hat der bunte Nutzermix für Ihre Planung?

Christian Appert: Der Branchen- und Nutzermix mit Retail, Gastronomie, Hotellerie, Büros, Kultur und Gesundheitswesen war uns seit Beginn unseres Mandats bekannt. Wir wussten sogar exakt, für welche Zwecke die einzelnen Flächen später genutzt werden und mit welchen Medien wir diese Flächen erschliessen müssen. Das war damals schon so in einer Nutzungsvereinbarung festgehalten.

Ob und in welchem Umfang die erschlossenen Medien dann tatsächlich abgegriffen werden, ist Sache des Mieterausbaus. Als Beispiel: Am künftigen Standort eines Mieters war zu Beginn noch unklar, ob später einmal eine spezifische Nutzung eingerichtet wird. Wir haben die dafür benötigten Versorgungsleitungen aber bereits realisiert.

TEC21: Welche Herausforderungen ergaben sich bei der Gebäudetechnikplanung?

Christian Appert: Die grössten Herausforderungen stellten die begrenzten Raumhöhen dar. Salopp ausgedrückt hat der Circle mit seiner Gebäudehöhe in Bezug auf den Platzbedarf der Gebäudetechnik eigentlich ein Stockwerk zu viel. Dies ist hauptsächlich der ertragsorientierten Bauweise, bei der möglichst viel Mietfläche geschaffen wird, und der Höhenbegrenzung in der Anflugschneise geschuldet.

Damit verbunden mussten wir auch die gesamte Technik in den Untergeschossen unterbringen – aus konzeptioneller Sicht wäre diese bei einem vergleichbaren Gebäude optimalerweise auf dem Dach. So waltet nun die Ebene der Tiefgarage als Drehscheibe für die vertikale Erschliessung mit der Technik. Die Tiefgaragendecke wird quasi bis auf den letzten Quadratzentimeter von Technikanlagen beansprucht.

TEC21: Welche Anforderungen stellte das klinische Ambulatorium des Universitätsspitals an die Gebäudetechnikplanung?

Christian Appert: Verglichen mit anderen Bauten im Gesundheitswesen eigentlich keine besonderen. Auch haben die Anforderungen des Ambulatoriums den zuvor erwähnten Raumkonflikt nicht verschärft. Überraschend ist aus meiner Sicht lediglich der für ein Ambulatorium hohe Ausbau- und Technisierungsgrad. Die Anlagen im Circle entsprechen praktisch denjenigen eines vollwertigen Spitals inklusive Diagnostikanlagen für die Magnetresonanz- und die Computertomografie sowie vier Operationssälen auf dem neuesten Stand der Technik. Als zusätzliches Gewerk kam lediglich die Rohrpost hinzu, die dem Transport der Patientenakten zwischen den einzelnen Behandlungsbereichen dient.

TEC21: Welche Besonderheiten ergaben sich aus den Schnittstellen zum Flughafen?

Christian Appert: The Circle ist grundsätzlich ein Bau auf grüner Wiese. Es gab aber gewisse Besonderheiten, die mit der Betreiberin zu tun haben. So läuft beispielsweise die gesamte Funktionalität der Gebäudetechnik über das Flughafennetzwerk: Alle Endnutzungsgeräte wie ein Hoteltelefon oder ein Bürocomputer, die in unserem System laufen, werden später ins Flughafennetzwerk eingebunden. Dieses Netzwerk wird vom Flughafen selbst als Provider betrieben – jeder spätere Mieter muss also zwingend diesen Dienst abgreifen.

Für die Planung hatte dies zur Folge, dass für jede Leitung im Circle beim Flughafen eine IP-Adresse beantragt werden musste. Diese Funktionalität mit einem Einzelprovider ist einzigartig, stellt aber auch hohe Anforderungen an die Betriebssicherheit, die Verfügbarkeit und die Redundanz. Ausserdem wird die Notstromversorgung des Flughafens auf gewisse Circle-Mieter eingespiesen. So kann beispielsweise das Ambulatorium im Fall eines Blackouts weiter betrieben werden.

TEC21: Welche Erfahrungen nehmen Sie aus diesem Projekt mit?

Christian Appert: Einmal mehr galt der Schnittstellenkoordina­tion ein grosses Augenmerk. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Kollisionsprüfung unbedingt in den Engineering-Workflow eingebunden werden muss. Solche automatisierten Abläufe haben wir bloss in die Planung der Untergeschosse eingebunden. Für die generelle Planung haben wir ein 3-D-Modell mit rein geometrischen Daten verwendet. Darin haben wir keine weiteren Informationen hinterlegt – quasi BIM ohne I.

Die schiere Grösse des Objekts erforderte allerdings eine B(I)M-to-Field-Applikation, weil papierne Pläne in einschlägigen Massstäben für die Baustelle nicht geeignet waren. Diese Applikation besteht aber im Wesentlichen aus einem Planviewer ohne Virtual- oder Augmented-Reality-Elemente. Zusammengefasst haben wir wohl besonders aufgrund der Grösse und gleichzeitig begrenzten Raumbedingungen des Objekts neue Erfahrungen gesammelt.

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