Hand­buch Hei­ma­tschu­tz­re­cht – für al­le!

Der neu erschienene Band führt die heimatschutzrelevanten Bestimmungen des Kantons St. Gallen auf. Er kann jedoch ebenso gut als ­gesamtschweizerisches Nachschlagewerk und als Inspirationsquelle dienen.

Data di pubblicazione
18-03-2020
Walter Maffioletti
Rechtsanwalt, lic. iur. / SIA, Leiter SIA-Recht und Mitglied der Geschäftsleitung

Mindestens viermal hat es der Heimat- und Denkmalschutz in den letzten Monaten in die Schlagzeilen geschafft. Dabei ging es um Bauten in Basel, Schwerzenbach und Schaffhausen: Ein Hochhaus, der Konzernleitungstrakt und ein Betriebsgebäude der Firma Roche sind im Inventar der schützenswerten Bauten der kan­tonalen Denkmal­pflege Basel aufgeführt. Gemäss der Behörde sind sie als erhaltenswerte, identitätsstiftende Architektur zu betrachten. Es handle sich um Zeugen Schweizer Architektur auf höchstem Niveau mit beachtenswerter historischer Bedeutung und internationaler ­Ausstrahlung. Jetzt aber plant der Konzern deren Abbruch zugunsten grösserer Neubauten.

Ähnlich sieht es in Schwerzenbach aus: Max Ziegler (1921–2012), der auch das ETH-Gebäude HIL auf dem Höngger­berg plante, baute hier ein Atriumhaus. Dieses Objekt wurde von der kantonalen Denkmal­pflege als «überkommunal bedeutend» inventarisiert – das Haus wurde abgebrochen. Im gleichen Inventar ist ein weiteres Haus ­erfasst, es stammt von Jacques Schader (1917–2007) und wird demnächst aufgestockt. Ungeklärt ist das Schicksal des sanierungsbedürftigen Schaffhauser Hallenbads von Ernst Gisel, das im Verzeichnis der schützenswerten Kulturdenkmäler der Stadt figuriert.

Diese in die Diskussion geratenen Bauten werfen die Frage nach der Bedeutung einer Inventarisierung auf. Professor Laurent Stalder, Vorsteher des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur gta der ETH Zürich, antwortet darauf wie folgt: «Bei der Inventarisierung geht es um weit mehr als um einen administrativen Akt. Es geht darum, dass die Öffentlichkeit ein Bauwerk als Teil ihres Kulturguts betrachtet. Wenn Vertreter einer Gemeinde dies ignorieren, dann erfüllen sie die ihnen von der Öffentlichkeit anvertraute Aufgabe nicht.»

Im Zusammenhang mit dem Heimat- und Denkmalschutz stellen sich viele Fragen, deren Beantwortung anspruchsvoll ist: Die Suche nach den Rechtsquellen gestaltet sich oft schwierig, sogar die Behörden scheinen bei gewissen Sachverhalten überfordert zu sein oder, wie böse Zungen behaupten, eine Überforderung vorzuschieben.

Keine Ausreden mehr

Das neue «Handbuch Heimatschutzrecht» von Bernhard Ehrenzeller und Walter Engeler dürfte der Überforderung bei heimatschutz­rechtlichen Sachverhalten ein Ende setzen. Das vierteilige Werk behandelt alle wichtigen Fragen in einfacher und klarer Sprache – die Texte sind also nicht nur für Juristinnen und Juristen verständlich.

In der Einleitung zeigen die Autoren anhand des Kulturauftrags in den Gesetzen des Kantons St. Gallen die kantonalen Quellen bezüglich Schutz der Heimat auf und verweisen auf deren Verankerung in der Kantonsverfassung. Der zweite Teil behandelt die internationalen Konventionen und Verträge, aufgeteilt in den Fall eines bewaffneten Konflikts und in Friedenszeiten. Das nationale Recht wird eingehend erläutert, von der Bundesverfassung bis zu den Bestimmungen des Zivilgesetzbuchs über den Umgang mit gefundenen Kulturgütern.

Dem Planungs- und Baugesetz des Kantons St. Gallen widmet sich der dritte Teil. Die Autoren präsentieren ausgewählte Artikel aus den Bereichen Raumplanung, Nutzungs- und Bauvorschriften sowie Natur- und Heimatschutz. Dazu erläutern sie verfahrensrechtliche Fragen und drohende Strafen. Der vierte Teil fokussiert auf Fragen wie Enteignung, Gemeindeautonomie, Gemeindeaufsicht und Subventionen.

Anwendungsbeispiele

Die Stärken des Werks liegen nicht nur im Inhalt, sondern auch in der Herangehensweise an die behandelten Themen. Zu begrüssen ist, dass die Gesetze des Kantons St. Gallen behandelt werden – das macht das Buch praxisnah und alltagstauglich, wird doch das Heimatschutzrecht in den Grundzügen in den meisten Kantonen ähnlich gehandhabt. Zugleich gelingt es den Autoren, alle Themen in einen nationalen und internationalen Kontext zu betten. So ist ein Handbuch mit schweizweiter Dimen­­sion entstanden, geeignet zum Gebrauch in allen Kantonen.

Auf Einzelthemen gehen die Autoren in hilfreicher Art und Weise und mit einem besonderen Blick auf aktuelle und brisante Fragen ein, wie dies die Ausführungen im Zusammenhang mit dem Baudenkmalschutz ausserhalb der Bauzone zeigen. Sehr nützlich sind auch die Erläuterungen zum Schutzinventar und zur Unterschutzstellung, denn gerade diesbezüglich sieht man sich oft
mit Unkenntnis konfrontiert. Beachtenswert sind zudem die Ausführungen im Zusammenhang mit den Schnittstellen zwischen Gemeinden, Kantonen und Bund.

Praxis und Wissenschaft in einem Werk vereint

Der Publikation gelingt der Spagat zwischen ­wissenschaftlicher Fundiertheit und einem einfach zu handhabenden Werk mit grossem Praxisbezug. Würde ein Inventar für nützliche Rechtsbücher existieren, so wäre das Werk von Prof. Ehrenzeller und Dr. Engeler darin aufzunehmen. Denkt man freilich an die eingangs erwähnten Schlagzeilen, so wäre für diesen Band wohl eine Unterschutzstellung notwendig.

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