Hoch­leis­tungs­be­ton im Brand­fall

Bauteile aus hochfestem und ultrahochfestem Beton neigen im Brandfall zu frühem Festigkeitsverlust und zu Abplatzungen. Planende und Bauherrschaften sind deshalb verunsichert, ob und wie hochbelastete Fertigbauteile einsetzbar sind. Obwohl das Brandverhalten solcher Bauteile noch nicht abschliessend erforscht und geklärt ist, lassen sich zuverlässige Lösungsansätze finden.

Publikationsdatum
08-11-2012
Revision
01-09-2015

Beton gilt gemeinhin als feuerbeständig, zumindest bis Temperaturen von 400–500°C. Hochfeste selbstverdichtende Betone büssen jedoch bei Wärmeeinwirkung bereits früh deutlich an Festigkeit ein.1 Ausserdem neigen moderne hochfeste und ultrahochfeste Betone im Brandfall dazu, grossflächig und explosionsartig abzuplatzen. Infolge dessen ist die Bewehrung im Brandfall direkt der Hitze ausgesetzt und der Stahl verliert innerhalb von wenigen Minuten kritisch an Festigkeit. Dies gilt besonders für hoch bewehrte Bauteile wie vorfabrizierte Fertigteilstützen. Diese Erkenntnisse sind in die Normen eingeflossen. Das Kapitel 4.3.10 in der SIA-Norm 262:2003 lässt aber Interpretationsspielraum offen, wie ein ausreichender Feuerwiderstand erreicht werden soll.

Unterschiedlicher Lastabtrag

Normalfester Vibrierbeton und hochfester, selbstverdichtender Beton unterscheiden sich im Lastabtrag: Bei normalfestem Beton findet er vor allem über die Gesteinskörnung statt; bei selbstverdichtendem Beton hingegen trägt die Zementmatrix mit ihrem Volumenanteil von 30–40% wesentlich mehr zur Lastabtragung bei. Ein Spezialfall stellt der hochfeste Schleuderbeton dar. Sein Zementleimvolumen ist klein, zudem wird der Beton während des Zentrifugierens quasi «ausgewunden» und es resultiert ein tragendes Korngerüst. Der Lastabtrag findet deshalb noch ausgeprägter als beim normalfesten Beton vor allem über die Gesteinskörnung statt. Dieser unterschiedliche Lastabtrag spielt eine wesentliche Rolle im Brandfall. Denn bereits relativ geringe Temperatureinwirkungen beschädigen die Zementmatrix. Ausgeprägt ist dieser Effekt bei hochfesten Betonen mit puzzolanischen Bindemitteln wie Silikatstaub und Flugasche. Diese Bindemittel steigern zwar den Anteil der festigkeitsbildenden Calcium-Silikat-Hydratphasen, dehydrieren aber unter Wärmeeinwirkung bereits früh. Da bei normalfesten Betonen hauptsächlich das Korngerüst trägt, beeinflusst die geschädigte Zementmatrix die Betonfestigkeit wenig. Bei hochfestem selbstverdichtenden Beton hingegen, wo die Zementmatrix massgeblich zum Lastabtrag beiträgt, ist eine Schädigung derselben deutlich ungünstiger.

Abplatzungen infolge Druck und Spannungen

Man geht davon aus, dass sich zwei Schadensmechanismen überlagern und zu Betonabplatzungen führen: Wasserdampfdruck in den Poren und thermische Spannungen. Wärme dringt in den Beton ein, dadurch verdampft Wasser und es baut sich ein Druck auf. Dieser Effekt ist vor allem bei selbstverdichtenden Betonen ausgeprägt. Sie haben zwar tiefe w/z-Werte, durch das hohe Zementsteinvolumen weisen sie aber trotzdem relativ hohe Wassergehalte auf. Die eindringende Wärme führt zudem zu Temperaturgradienten und thermischen Spannungen. Aufgrund der verhinderten Verformungen entstehen Druckspannungen in den äusseren, heissen Schichten und Zugspannungen im Inneren des Betons. Diese Effekte werden schliesslich durch die auf das Bauteil aufgebrachte äussere Last überlagert.

Normen helfen nicht weiter

In der Norm SIA 262 : 2003 wird neben der Einhaltung von Mindestbauteilabmessung und Mindestbewehrungsüberdeckung festgehalten, dass das Abplatzen des Überdeckungsbetons zu verhindern ist und dass die Zugabe von Polypropylenfasern (PP-Fasern) sinnvoll sein kann. Es wird ausgeführt, dass durch das «Freischmelzen von Dampfentlastungskanälen» die «Gefahr explosionsartigen Abplatzens» reduziert wird. Offen gelassen wird, welche Mengen an PP-Fasern einzusetzen sind. Dazu äussert sich die SN EN 1992-1-2, Abschnitt 6, wo die sogenannte Methode D die Beimischung von > 2kg PP-Fasern vorsieht. Dabei basiert der Wert von 2kg PP-Fasern auf Erfahrungen mit normalfestem Beton. Es gibt aber kaum Forschungsarbeiten, die konkrete Rückschlüsse für hochfesten Beton erlauben, beispielsweise bezüglich zu verwendender Faserdosierung oder Fasergeometrie. Zudem ist die Frage, welches die tatsächlich massgebenden Schädigungsprozesse sind, nicht abschliessend geklärt. So greift das Bild der «Dampfentlastungskanäle» durch PP-Fasern im Falle von hochfestem Beton vermutlich zu kurz. PP-Fasern stellen vielmehr Fehlstellen im Gefüge dar, an denen sich bevorzugt Risse bilden, die dann Diffusionswege für Wasserdampf sind. 2 Dies kann sich bei unbelasteten Bauteilen positiv auswirken – bei vollfächig auf Druck belasteten Querschnitten ist jedoch eine solche Rissbildung stark behindert. Das komplexe Zusammenspiel vieler Faktoren ist auch der Grund dafür, weshalb Ergebnisse aus Versuchen an kleinen Probekörpern nicht ohne weiteres auf reale Bauteile übertragen und aussagekräftige Resultate ausschliesslich durch Normbrandversuche erhalten werden können. 3

Nachweis des Feuerwiderstands

Hauptanwendungsgebiet von hochfestem Beton sind Fertigteilstützen. Ihre hohe Festigkeit erreichen sie im Schleuderbetonverfahren, oder sie sind aus selbstverdichtendem Beton (SCC) gefertigt. Kritische Einflussgrössen bezüglich der Feuerwiderstände sind die Schlankheit und der Bewehrungsgehalt: Sehr schlanke und hochbewehrte Stützen (bis zu 20% Bewehrungsgehalt) weisen die geringsten Feuerwiderstände auf. Schleuderbetonstützen ab einem Durchmesser von 20cm erreichen bei Normbrandversuchen eine Feuerwiderstandsklasse von R90, und Stützen mit grösseren Abmessungen eine solche bis R180 (die detaillierten Angaben finden sich im Brandschutzregister des VKF).4,5 Zum Brandverhalten von Stützen aus hochfestem SCC gibt es weltweit kaum Forschungsergebnisse. Einzig ein Versuch an einer minimal bewehrten, mässig schlanken Stütze (30cm × 30cm) zeigt einen Feuerwiderstand von knapp R120 auf – deutlich weniger, als die Warmbemessung nach Eurocode liefert.6 Im Sommer 2011 führte die Firma Sacac erstmals Normbrandversuche an hochbewehrten, hochfesten SCC Stützen durch. 7 Die Stützen zeigten starke Abplatzungen und die Feuerwiderstandsklasse R90 wurde nicht erreicht, obwohl die Normanforderung an Mindestbauteilabmessung sowie Bewehrungsüberdeckung eingehalten und PP-Fasern beigemischt wurden.

Lösungsansätze

Aufgrund des heutigen Wissenstands, der Normen und der neuen Erkenntnisse bieten sich folgende Massnahmen an:
– Hohe Feuerwiderstände können gemäss EN 1992-1-2, Abs. 6, erreicht werden, indem PP-Fasern beigemischt, der Überdeckungsbeton bewehrt oder ein Beton verwendet wird, der nicht abplatzt. Es gibt jedoch keine Normbrandversuche, die die Wirksamkeit dieser Massnahmen für hochbelastete Bauteile aus hochfestem Beton bestätigen.
– Sehr schlanke und sehr hoch bewehrte Stützen sind generell kritisch zu beurteilen. Für solche Bauteile ist es sinnvoll, den Feuerwiderstand mit dem Rechenverfahren gemäss EN 1992-1-2, Anhang B, abzuschätzen. Keines dieser Rechenverfahren und kein kommerziell erhältliches Rechenprogramm berücksichtigt jedoch Betonabplatzungen.
– Bei hohen geforderten Feuerwiderständen (R90 und mehr) und insbesondere bei hohem Bewehrungsgehalt ist aufgrund des heutigen Wissensstandes Schleuderbeton zu empfehlen (Nachweis des Feuerwiderstandes in Normbrandversuchen).

Literatur
1 L.T. Phan, N.J. Carino, Mechanical Properties of High-Strength Concrete at Elevated Temperatures, NIST Report, 2001
2 K. Pistol, F. Weise, B. Meng, Polypropylen-Fasern in Hochleistungsbetonen, Beton- und Stahlbetonbau 107 (2012), Heft 7
3 R. Jansson, L. Boström, Determination of Fire Spalling of Concrete - Relevance of Different Test Methods. Int. Conf. Structures in Fire, Zürich, 2012
4 Eintrag Brandschutzregister VKF Nr. 23260
5 Eintrag Brandschutzregister VKF Nr. 23267
6 S. Huismann, M. Korzen, A. Rogge: Entwicklung und Validierung eines allgemeinen Rechenverfahrens für Stahlbetonstützen aus hochfestem Beton unter Brandbeanspruchung, Beton- und Stahlbetonbau 107 (2012), Heft 6
7 TU Braunschweig / iBMB, provisorischer Prüfbericht, 2011

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