Bringt der Wett­be­werb nicht den er­war­te­ten Mehr­wert?

Der Grosse Rat des Kantons Freiburg hat eine Motion angenommen, die darauf abzielt, die Pflicht zur Ausschreibung eines Wettbewerbs zu lockern. Derzeit besteht diese, sobald die Kosten fünf Millionen Franken überschreiten. Die SIA-Sektion Freiburg hat dazu Stellung bezogen.

Date de publication
16-03-2021
Julia Jeanloz
Redaktorin in ­Verant­wortung für die SIA-Beiträge bei der Zeitschrift Tracés

Bei der Motion von Nicolas Kolly (SVP) und Claude Brodard (FDP) geht es um eine intransparente Formulierung von Artikel 48 des Reglements über das öffentliche Beschaffungswesen (ÖBR), die unter Absatz 1 Folgendes definiert: «Für den Bau eines Gebäudes oder eines Kunstbauwerks findet grundsätzlich ein Wettbewerb statt.» Derzeit sieht derselbe Artikel vor, dass die Auftraggebenden auf den Wettbewerb verzichten können, wenn der Wert des Vorhabens tiefer liegt als 5 Millionen für ein Gebäude respektive 10 Millionen Franken für ein Kunstbauwerk.

Nach Auffassung der beiden Motionäre ist die öffentliche Hand, insbesondere die Gemeinden, verbindlich dazu verpflichtet, bei jedem Bau- oder Renovationsvorhaben standardmässig einen Architekturwettbewerb durchzuführen. Die Gemeinden sollten jedoch die Möglichkeit erhalten, selbst über das Vergabeverfahren zu entscheiden.

Mit provokativem Unterton schlagen die Motionäre ausserdem vor, die Schwellenwerte auf 40 Millionen Franken anzuheben mit der Bemerkung, dass der Wettbewerb ein Verfahren für Reiche sei, das nicht unbedingt den erwarteten Mehrwert bringe.

Geringschätzung der planerischen Arbeit

Eine solche Rhetorik geringschätzt sowohl die Bedeutung der planerischen Arbeit als auch das Fachwissen von Architekten und Ingenieurinnen. Das Argument der Wirtschaftlichkeit wird dadurch nicht nur instrumentalisiert, sondern zum Selbstzweck erklärt. Diese Auffassung des Wettbewerbs steht auch im Widerspruch zum revidierten Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB), das am 1. Januar 2021 in Kraft trat: In Zukunft soll auf nationaler Ebene die Qualität stärker gewichtet werden als der Preis.

Die Diskussion um den Wettbewerb ist entbrannt

Die SIA-Sektion Freiburg hat sich mit Jean-François Steiert, Staatsrat der Raumplanungs-, Umwelt- und Baudirektion (RUBD), in Verbindung gesetzt und möchte das Thema mit den Gemeinden und ihren Vertretern besprechen. Sektionspräsident Dominique Martignoni erklärt dazu: «Selbst, wenn diese Motion nur ein Strohfeuer gewesen sein sollte, so hat sie doch immerhin eine Diskussion um den Wettbewerb an sich entfacht.»

Die SIA-Sektion Freiburg trifft sich deshalb mit dem Freiburger Gemeindeverband (fgv), um ihm zu zeigen, welchen Mehrwert ein Wettbewerb neben der Bedeutung für junge Büros und für die Ausbildung des Nachwuchses bringt – nämlich den Austausch von Ideen und die daraus entstehende Innovationsfähigkeit.» 

Staatsrat befasst sich mit der Motion

Die Motion wurde an den Staatsrat übergeben, der sich nun mit dem Thema befassen will. Ziel ist, über die Ausschreibung eines Ideenwettbewerbs die bestmögliche Lösung zu finden. Die Motion wird im Kontext der Gesetzesrevision über das öffentliche Beschaffungswesen behandelt, die im Rahmen des Beitrittsprozesses zur revidierten Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) erfolgt.

Die SIA-Sektion Freiburg wurde zur Überarbeitung des Reglements über das öffentliche Beschaffungswesen (ÖBR) beigezogen. Ihr Fazit lautet: «Was auch immer der Anlass für diese politische und juristische Debatte war – wir sind davon überzeugt, dass es wichtig ist, mit den Gemeinden und den öffentlichen Bauherrschaften das Gespräch zu suchen und ihnen zu erklären, worin unsere Berufe bestehen. Nur so können wir bestimmte Vorurteile über Wettbewerbe zerstreuen und ihnen zeigen, dass sich unsere Methoden bewährt haben.»

 

Étiquettes

Sur ce sujet