Das Geld liegt in der Strasse

Strassenerhalt ist ein teures und immer wiederkehrendes Unterfangen. Mit dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds versucht man diesem Fass ohne Boden eine genügende Füllhöhe zu geben.

Date de publication
03-12-2020

Der NAF (Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds) wurde 2017 vom Schweizer Stimmvolk angenommen und ist seitdem der Topf für die Autobahnen der Schweiz (vgl. «Der Stadt-Land-Graben wurde überrollt»). Etwa 2.4 Milliarden Franken wurden 2019 daraus für die Projekte bereitgestellt.1 An die 3 Milliarden jährlich fliessen ihm zu. Gespeist wird der NAF aus der Automobilsteuer, die vollständig in ihn eingeht. Die Automobilsteuer – nicht zu verwechseln mit der Strassenverkehrsabgabe – entspricht 4 % des Fahrzeugwerts und wird direkt beim Import erhoben. 10 % der Mineralölsteuer kommen ebenfalls in den Topf und auch – sobald eingeführt – eine Abgabe auf Elektrofahrzeuge.

Schliesslich stehen noch die Ein­nahmen über die Autobahnvig­­nette und der Mineralölsteuerzuschlag gänzlich zur Verfügung sowie der Kompensations­beitrag der Kantone für die Erweiterung des Nationalstrassennetzes. Letzteres sind Zahlungen von den ­Kantonen, da der Bund Teile von vorher kantonal finanzierten Strassen übernommen hat. 2020 kamen so 400 km zum Nationalstrassennetz hinzu, etwa die ­Julierpassstrasse oder die Verbindung über den Hirzel.

Nicht nur für das Auto

Der NAF – die Abkürzung könnte man auch als «Nicht nur für Auto-Fahrer» deuten – ist jedoch keine All­zweckwaffe, um den Strassenverkehr mit allen Mitteln und koste es, was es wolle, voranzutreiben. Selbstverständlich steht er in erster Linie für den Unterhalt und Ausbau der Nationalstrassen zur Verfügung, allerdings werden aus ihm auch Projekte des öffentlichen Verkehrs respektive Velo- und Fussgängerwege oder auch Verkehrsmanagementsysteme in den Agglomerationen ­bedient.

Diese Projekte erhielten vor Annahme des NAF ihre Förderungen im Rahmen der Agglomerationsprogramme aus dem Infrastrukturfonds des Bundes, der jedoch auf 20 Jahre befristet ist und 2028 ausläuft. Eine Finanzierung solcher Projekte über den NAF sichert auch zukünftig ihre Förderung. Etwa 420 Millionen Franken stehen hierfür jährlich zur Verfügung.

Agglomeration ist, wer definiert ist

Nun kann natürlich nicht jeder Ort, der ein Einkaufszentrum und einige Mehrfamillienhäuser hat, hergehen und von sich behaupten, eine Agglomeration zu sein. Wer aus dem NAF beitragsberechtigt ist, ist klar festgesetzt. Das Bundesamts für Statistik definiert über die Methodik «Raum mit städtischem Charakter 2012» Agglomerationen. Darauf aufbauend haben Bund, Kantone und Gemeinden zusammen einen Vorschlag für eine angepasste, planerisch sinnvolle Definition der beitragsberechtigten Agglomerationen ausgearbeitet.

In der Schweiz gibt es derzeit 59 anerkannte Agglomerationen. Ausserdem sind auch auf Beschluss des eidgenössischen Parlaments alle Kantonshaup­torte, falls sie nicht schon als Agglomeration gelten, beitragsberechtigt.2 Die Überlegung dahinter ist, die Gelder möglichst effektiv einzusetzen. In einer Agglomeration kommt eine verkehrstechnische Verbesserung im Allgemeinen mehr Nutzniessern zugute als anderswo.

Reicht der NAF aus?

Ein Blick über den Tellerrand – in diesem Fall über den Bodensee oder das Rheintal – kann dem NAF wohl eine solide Aufstellung bescheinigen. Den 2.4 Milliarden Franken, die in der Schweiz zur Verfügung stehen, stehen knapp 2250 km Strasse gegenüber. Österreich investiert in sein 1750 km langes Netz von Autobahnen und Schnellstrassen nur rund 1 Milliarde Euro jährlich. Und Deutschland wendet zwar um die 10 Milliarden im Jahr für die Bundesautobahnen und Bundes­strassen auf, die Netzlänge beträgt aber auch 13 000 km.

Bedenkt man noch, dass Österreich und Deutschland bedeutend mehr Schwerverkehr über die Strasse abwickeln und diese dadurch einen viel höheren Verschleiss hat, ist die Schweiz mit ihrem NAF wohl recht gut aufgestellt. Hinzu kommt, dass die Schweiz ein Eisenbahnland ist – wie man immer wieder hört. Die Eisenbahn wird hierzulande aus dem BIF, dem Bahninfrastrukturfonds, finanziert. Dieser hat ein Volumen von etwa 5 Milliarden Franken jährlich. Interessanterweise besitzen etwa 500 000 Personen ein Generalabonnement und 2 500 000 ein Halbtax. Autobahnvignetten werden hingegen circa 9 Millionen verkauft, wovon 3.2 Millionen auf ausländische Fahrzeuge entfallen. Ist es mit dem Eisenbahnland doch nicht so weit her?

Die gefahrenen Personenkilometer sprechen jedenfalls eine eindeutige Sprache: Im Jahr 2019 entfielen 103 Milliarden Personenkilometer auf den privaten, motorisierten Strassenverkehr. Mit der Eisenbahn wurden nur 21.7 Milliarden km zurückgelegt. Die Schweiz, ein Land der Autofahrer – wer hätte das gedacht?

Zukünftig könnte sich die Finanzierung des NAF anders gestalten. Mobility Pricing könnte irgendwann kommen (vgl. «Eine Reise in die Zukunft»). Dies würde bedeuten, bestehende Steuern und Abgaben, etwa die Mineralölsteuer oder die Autobahnvignette, würden durch leistungsabhängige Gebühren abgelöst. Anstatt also 40 Franken im Jahr pauschal für die Vignette zu bezahlen, würden die tatsächlich gefahrenen Autobahnkilometer in Rechnung gestellt werden. Von zeitlich und örtlich angepassten Abgaben – schätzungsweise wäre die Fahrt um 7 Uhr morgens nach Zürich hinein teurer als eine Strecke um 3:30 Uhr früh auf der Rheintalautobahn – verspricht man sich eine positive Beeinflussung auf die Verkehrsspitzen.

Die Bahn macht dies in gewissem Sinn mit günstigeren 9-Uhr-Tages­tickets bereits sehr grob vor. Das Eidgenössische ­Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Uvek sucht nun Kantone, Städte und Gemeinden, die Pilotprojekte zur möglichen Umsetzung eines ­Mobility Pricing durchführen. Ob sich der Aufwand um der Gerechtigkeit willen durchsetzen wird, lässt sich noch nicht sagen. Mobilität wird jedenfalls teuer bleiben und Auto- oder Bahnfahren nicht billiger ­werden.

Anmerkungen

1 Bundesamt für Strassen Astra: Strassen und Verkehr 2019. Entwicklungen, Zahlen, Fakten.
2 Eidgenössisches Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation Uvek: Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF); Faktenblatt «Stärkung des Agglomerationsverkehrs», 12. Dezember 2016.

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