Lat­tich St. Gal­len: Krea­ti­vraum auf Zeit

Der Holzmodulbau Lattich steht seit April 2019 auf dem Areal des ehemaligen SBB-Güterbahnhofs in St. Gallen. Da er als Rohbau ausgeführt ist, konnten die Mieten niedrig gehalten werden. 

Date de publication
20-11-2019

Binnen zweier Monate wurde auf dem Areal des Güterbahnhofs St. Gallen der Lattich-Bau errichtet. Seit seiner Fertigstellung bildet das für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre genutzte Gebäude ­einen kreativen Ballungsraum im eher beschaulichen St. Gallen. Das SBB-Güter­bahnhofareal ist eines der letzten Entwicklungsgebiete der Stadt. Hier soll die Autobahnzufahrt zur A7 nach Appenzell realisiert werden.

Bis anhin lagen die ­alten SBB-Lagerhallen und ein Gelände von 100 m² brach. Im Sommer 2016 tes­tete das Konsortium Lattich das Nutzungspotenzial des Areals. In der Testphase zeigte sich, dass eine längere und grössere Zwischennutzung denkbar ist. Das Projekt wurde weitergeführt, und es siedelte sich Gewerbe aus der Kreativwirtschaft in den Hallen an. Ausserdem sollte ein temporärer Modulbau das Brachland nachverdichten.

Baugerüste und Schalungstafeln

Für die Brache entwickelte das Baubüro in situ mit Blumer Lehmann einen Holzmodulbau. Letztere haben reiche Erfahrung im Modulbau, und das Baubüro in situ setzte bereits bei Asylbauten oder als Stadtreparatur, für die Kreativszene in Basel oder Zürich, auf modulares Bauen.

Lattich besteht aus 48 Mo­dulen, die Blumer Lehmann aus einem bereits ­kon­zipierten Standardmodul weiterentwickelt haben. Die Grösse der mietbaren Elemente variiert von 27.6 m² für ein Modul über 57 m² für zwei bis zu 86.5 m² für drei Module. Das dreistöckige Gebäude ist auf der Südostseite über Treppen und Laubengänge aus Baugerüsten erschlossen. Die Aussenfassade sticht durch ihre Ver­kleidung mit gelben Schalungstafeln ins Auge. An der nordöstlichen Ecke prangt der Name Lattich, der aus schwarzen Holzlatten auf die Schalungstafeln genagelt wurde. Der Künstler Markus Gossolt von der Agentur Alltag gestaltete die Fassade.

Rohbau mit Potenzial

Die Mieter teilen sich pro Stockwerk eine WC-Anlage. Auch Dachterrasse, Aussenraum und Sitzungszimmer nutzen sie gemeinsam. Die Module bestehen im Innern aus rohen OSB-Platten und in den WC-Anlagen aus rohen, wasserfest ver­leimten Spanplatten, die die Mieter in­divi­duell gestalten.

Der Ausbaustandard mit Fassade entspricht nach dem Schweizer Baugesetz einem Rohbau II (mit Bedachung, Fenster, Behandlung der Fassaden und Versorgungsanlagen). Ein Gebäude in diesem Zustand zu vermieten ist eher unüblich, doch so können die Mietpreise niedrig gehalten werden, und durch die individuell gestalteten Räume entsteht eine grosse Vielfalt.

Neben dem Gastrobetrieb im Erdgeschoss mit Aussenbereich ist eine bunte Mischung aus Kunstgale­rien, Yoga-Studio, Grafik- oder Architekturbüros und einem Blumenladen entstanden. Das Konzept kommt in St. Gallen so gut an, dass zur Fertigstellung alle Räume vermietet waren. Nach Ablauf der Zeit auf dem ehemaligen SBB-Güterbahnhof soll der Bau an einem anderen Ort Platz für Kreative bieten.

Das Baugesetz sieht keine temporären Bauten vor. Das heisst, die Brandschutzvorschriften mussten beim Lattich-Bau genauso eingehalten werden wie bei einem permanenten Gebäude. Die Toleranz für eine einfache Bauweise und Ausführungsqualität ist bei einem Bau, der nach einigen Jahren wieder entfernt wird, aber grösser. Eine Fassade aus Schalungsplatten oder offen liegende Leitungen hätten bei einem dauerhaften Gebäude nicht ­realisiert werden können.

Gerade weil das Projekt planerisch und konstruktiv einfach konzipiert ist, haben Pascal Angehrn, Projektleiter im Baubüro in situ, und Richard Jussel, Geschäftsführer bei Blumer Lehmann, es genutzt, um einen BIM-Einstieg für die am Bau beteiligten Firmen, die selten in einem 3-D- oder BIM-Prozess arbeiten, zu gestalten. Zudem wollte das Baubüro in situ das Projekt als komplette BIM-Kette realisieren, das heisst mit allen Gewerken.

Daher einigte man sich am Anfang auf die Automatisierung und Optimierung durch computerbasierte Vernetzung. Angehrn und Jussel versuchten, alle Handwerker wie Maler oder Dachdecker einzubinden, was jedoch nicht in jedem Fall gelang – nicht bei allen Partnern waren Vor­wissen und personelle Kapazitäten in ausreichendem Mass ­vorhanden.

Dieser Artikel ist erschienen im Sonderheft «Stadt aus Holz – Module, Elemente, Partizipation, BIM und Provisorien». Weitere Artikel zum Thema Holz finden Sie in unserem digitalen Dossier.
 

Am Bau Beteiligte


Trägerschaft:
Blumer Lehmann, Gossau; Christoph Tobler und Claudia Züger Tobler, St. Gallen; equimo; Hälg & Co. St. Gallen; Stiftung Steinegg St. Gallen und andere Stiftungen; Stutz, St. Gallen;
St. Galler Kantonalbank

Bauherrschaft:
Verein Lattich, St. Gallen

Entwicklung/TU:
Blumer Lehmann, Gossau

Konzept/Architektur:
Baubüro in situ, Zürich;
Blumer Lehmann, Gossau

Statik Holz:
Blumer Lehmann, Gossau

Gebäudetechnik:
Hälg & Co, Bern

 

Gebäude

Geschossfläche: 1530 m2

Volumen: 5100 m3

 

Holz und Konstruktion

DUO/BSH/Latten: 311 m3 (Fichte, Schweiz)

Dreischichtplatten: 59 m3 (Fichte)

OSB-Platten: 67 m3

Betonschalungsplatten: 30 m3 (Fichte)

 

Daten

Bauzeit: 2 Monate (Februar –April 2019)

Produktion Module: 22 Tage für 48 Module

 

Kosten

Marktwert: ca. 3.2 Mio CHF

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