Rot­ter­dam baut

Rotterdam ist im Wandel. Mehrere richtungweisende Projekte am Hafen und in der City wurden in jüngster Vergangenheit fertiggestellt.

Date de publication
13-04-2018
Revision
13-04-2018

Groos (2017

Groos ist ein stadtbekannter Laden mit einer kuriosen Mischung aus Design, Kunst, Kunsthand­werk und Lebensmitteln. Das Geschäftskonzept besteht darin, Rotterdams kreativer Szene ein merkantiles Forum zu geben. Die neue exquisite Adresse mit einer Grundfläche von 300 m² entstand an der Achter­klooster-Strasse in Hugh Maaskants «Het Industriegebouw». Die Zu­sammenarbeit zwi­schen Architekten und Designern erinnert an ein anderes MVRDV-Projekt – Ams­ter­dams Lloyd-Hotel.

Während die Designerin Sabine Marcelis einen mintfarbenen Block als Ladentheke kreierte, schuf MVRDV eine erfreulich lichte Fassadenstruktur mit Glasbausteinen, die über drei Seiten viel Tageslicht ins Innere hineinlassen. Unbestrittener Blickfänger ist eine sich über die gesamte Längsseite erstreckende, begehbare Regalwand mit den Kuriosa von Groos.

Architektur
MVRDV, Rotterdam
Tragwerksplanung
MVRDV, Rotterdam
Bauherrschaft
Groos, Rotterdam
 

gMVRDV House

Das neue Büro von MVRDV befindet sich im Achterklooster, in dem 1952 errichteten «Het Industriegebouw». Einprägend ist die ondulierende Dachformation des 2400 m² einnehmenden Gebäudetrakts. Mit etwas Fantasie könnte man an ein über­dimensioniertes Einfamilienhaus denken – mit Wohn- und Esszimmer. Als grellbunte Eye­catcher wurden die einzelnen Besprechungsräume gestaltet, die im Erdgeschoss und auf einer weiteren Geschossebene eingerichtet sind.

Der grösste Arbeitsbereich ist durch Tageslicht und Weiträumigkeit gekennzeichnet, denn das zum Innenhof ausgerichtete Grossraumbüro wird direkt mit Oberlicht ver­sorgt. Während der mittlere Trakt eine kommunikative Zone für Empfang, Essen und Veranstaltungen ist, wird das offen wirkende Grossraumbüro entlang der Gewölbebögen durch eine Glaswand abgetrennt. Transpa­renz, Sichtbarkeit und Atmos­phäre überzeugen als Leitideen des Umbaus.

Architektur
MVRDV, Rotterdam
Tragwerksplanung
MVRDV, Rotterdam
Bauherrschaft
MVRDV, Rotterdam
 

Centraal Station (2014)

Rotterdams Centraal Station von Benthem Crouwel beendete die jahre­lange erfolglose Suche nach einer Neustrukturierung des schwierigen Nadelöhrs für Züge, Strassenbahnen, Autos und Metro. Das Amsterdamer Büro wählte eine verblüffend einfache und überzeugende Lösung. Dabei dürften die Fussgänger die grössten Nutzniesser des lichten Neubaus mit der futuristisch-spitzen Dachauskragung sein. Aus dem einst beengten Vorplatz schufen Benthem Crouwel zusammen mit dem Rotterdamer Landschaftsarchitekten Adriaan Geuze ein einladendes Stadtentree.

Selbst das Foyer gestalteten sie wie einen öffentlichen Platz. Der Innenraum besticht durch Funktionalität, Helligkeit und Weiträumigkeit. Auch die Bahngleise wirken nun offen und übersichtlich. Über dem Dach lies­sen Benthem Crouwel 130 000 Solar­zellen anbringen, die die CO2-Emissionen des Bahnhofs um 8 % verringern. Kurz und gut: Station Centraal ist eine überzeugende Visitenkarte für Rotterdam.

Architektur
Benthem Crouwel, Amsterdam
Tragwerksplanung
Arcadis, Amsterdam
Bauherrschaft
Gemeentewerken Rotterdam, Prorail
 

Recycled Park (2016)

Im Hafen von Rotterdam, unmittelbar hinter Wilhelmina-Pier und ­Renzo Pianos KPN-Turm, entstand der Recycled Park, den das Team um den Architekten Ramon Knoester mit Unterstützung der Recycled Island Foundation, der Stadtverwaltung, des HEBO Maritiemservice und der Universität Wageningen betreibt. Die Stadt Rotterdam ist bestrebt, eine Grünzone als «Floating Islands» entlang der Wasserstrassen entstehen zu lassen. Knoester liess nach dem Vorbild von Buckminster Fullers geodätischer Kuppel drei glä­serne Pavillons errichten, die über Stege mit dem Festland verbunden sind. Sie dienen als Forschungslabore, Büros und Veranstaltungssaal.

Die eigentliche Aufgabe des Recycled Parks besteht darin, die Maas zwischen Rotterdam und Nordsee von Plastikmüll zu reinigen und schliesslich, mithilfe neuer Recyclingtechniken, haltbare Substanzen für die Floating Islands im Hafenbecken zu entwickeln. Auf diese Weise werden biologische Verbundstoffe eingesetzt, die das Wachstum von Bäumen und Algen sowie die Vermehrung von Fischen begünstigt. Der Recycled Park setzt auf Wachstum: Langfristig sollen sich die Floating Islands vermehren und miteinender zu einem grünen Archipel vernetzen. Dann – davon jedenfalls ist Ramon Knoester überzeugt – dürfte sich auch die Wasserqualität verbessern.

Architektur
Public Domain Architecten, Rotterdam
Tragwerksplanung
Bartels & Vedder, Bunschoten-Spakenburg (NL)
Bauherrschaft
Recycled Island Foundation, Rotterdam
 

Luchtsingel (2015)

Der Hofplein ist ein reiner Verkehrsknotenpunkt in der Rotterdamer City und war lang ein Ärgernis für Fussgänger. Deswegen baute das Architektenteam ZUS über dem Areal eine mehrteilige Holzbrückenkonstruktion, die durch das grelle Gelb unverkennbar aus der unwirtlichen Umgebung heraussticht. Die markante Fussgängerbrücke bringt drei schlecht miteinander verbundene Stadtviertel näher zusammen. Sie überquert eine Eisenbahn- und Autobahntrasse, die früher der Stadtentwicklung im Weg standen, und mündet – von einer als Verteiler funktionierenden Aussichtsplattform abzweigend – unmittelbar in den Hofplein-Bahnhof und schliesslich in den Pompenburg-Park.

Den Ausgang nimmt die 390 m lange Brücke am sechsgeschossigen Schieblock, dort, wo sich die ZUS-Architekten ihr Büro eingerichtet haben. Die beiden Zielpunkte sind nun für die Fussgänger bequem zu erreichen. Schliesslich haben die Architekten auf dem L-förmigen Flachdach des Blocks das Urban-Gar­dening-Projekt «DakAkker» angelegt, das den neu gewonnenen öffentlichen Raum der Luchtsingel durch eine grüne Stadt­insel bereichert. Derweil entwickelt sich das einstige Speicherquartier Pompenburg zusehends in einen städtischen Naherholungsbereich, für Stadtteil­kooperativen und Sportaktivitäten.

Architektur
ZUS (Zones Urbaines Sensibles), Rotterdam
Tragwerksplanung
ZUS, Rotterdam
Bauherrschaft
Stadtverwaltung Rotterdam, private Finanzierung
 

Timmerhuis (2015)

«Urbanisierung des Hafenareals und Verdichtung des Zentrums» lautet die Devise der Stadtverwaltung. An dem Projekt von OMA lässt sich die Strategie bestens nachvollziehen. Nachdem die Bahnlinie in den Untergrund verlegt und Platz für den Binnenrotte-Platz und die neue Markthalle von MVRDV geschaffen worden war, setzte man auf die Stärkung des Laurensviertels. Das denkmalgeschützte Timmerhuis aus Rotterdams Wiederaufbaujahren sollte renoviert und mit dem Neubau vereint werden. Das Resultat: Der Altbau umklammert den Neubau und zwingt zwei höchst dissonante Stile zusammen.

Die zu einer gleissenden Gebirgslandschaft gefügten Stahlmodule des Timmer­huis nehmen 84 unterschiedlich geschnittene und verschieden grosse Wohnungen auf, die sich jeweils um die beiden Turmbauten legen. Die meisten verfügen über begrünte Terrassen. Es entstand ein Niedrigenergiehaus mit der günstigsten Energieeffizienz der Niederlande. Für den Nachhaltigkeitsrekord sind die beiden Atrien verantwortlich, die über der öffentlichen Passage sichtbar sind und als grüne Lungen des Bau­körpers funktionieren: Sie lassen Tageslicht hindurch und speichern über Energieaustauscher die Wärme für kalte und die Kälte für heisse Tage.

Architektur
Reinier de Graaf/OMA, Rotterdam
Tragwerksplanung
Katrien van Dijk und Alex de Jong, Rotterdam
Bauherrschaft
Stadtverwaltung Rotterdam
 

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