Zwis­chen Bett und Trep­pen­haus

Vor zehn Jahren kam das iPhone auf den Markt. Seither hat ein rasanter Wandel in der digitalen Arbeitswelt stattgefunden. Die Hochschule Luzern – Technik & Architektur erforscht in zahlreichen Projekten, wie sich diese Veränderungen auf das physische Büro auswirken und welche Gestaltung neue Arbeitsformen und produktives Arbeiten unterstützt. 

Date de publication
20-10-2017
Revision
20-10-2017
Prof. Sibylla Amstutz
Leiterin Forschungsgruppe Innenarchitektur an der Hochschule Luzern – Technik & Architektur

Vor zehn Jahren kam das iPhone auf den Markt. Seither hat ein rasanter Wandel in der digitalen Arbeitswelt stattgefunden. Die Hochschule Luzern – Technik & Architektur erforscht in zahlreichen Projekten, wie sich diese Veränderungen auf das physische Büro auswirken und welche Gestaltung neue Arbeitsformen und produktives Arbeiten unterstützt.

Kaum ein Tag vergeht ohne einen Zeitungs- oder Zeitschriftenartikel zum Thema neue Arbeitswelten, oftmals verbunden mit dem Erscheinen von ak­uellen Forschungserkenntnissen aus den Bereichen Arbeitsorganisation, Förderung von Innovation und Gestaltung der Büroarbeitsräume. Kaum ein Gebiet aus unserer alltäglichen Welt scheint besser beforscht als die sogenannte «Zukunft der Arbeit».

Dabei könnten die Aus­sagen in den Medien zum Teil kaum widersprüchlicher sein, zum Beispiel beim Thema Homeoffice: Während die einen die Meinung vertreten, dass zu Hause arbeiten kreativer mache, warnen andere vor sozialer Isolation und zu­nehmender Anonymisierung und weisen mehr Krankheitsfälle nach. Das Beispiel zeigt, dass es für die Komplexität des «New Way of Working» keine Wahrheit gibt. Der Schlüssel liegt vielmehr in einer ganzheitlichen Sichtweise, die Tätigkeiten, Technologien, Prozesse und Firmenkultur sowie die Anforderungen an das Arbeitsumfeld einbezieht.

Konkurrenz für das Corporate Office 

Als Treiber für diese Veränderung der Arbeitswelt gelten die wachsende Bedeutung des Dienstleistungssektors und der Wissensarbeit  sowie eine räumliche und zeitliche Flexibilisierung, die durch digitale Arbeitsmittel ermöglicht wird. 

Das firmeneigene Büro steht dadurch immer stärker in Konkurrenz zu alter­nativen Arbeitsorten wie Homeoffice, Remote Offices oder Coworking Spaces. An diesen zeigen Unternehmen bereits Inter­esse: Sie hoffen, dass die Vernetzung ihrer Mitarbeitenden mit externen Firmen und Personen an diesen Arbeits­orten neue Ideen für die eigene Unternehmung generieren. Die Folge davon sind Leerstände in den Corporate Offices, die durch Flächenreduktion und non­terri­toriale Konzepte kompensiert werden. Bei diesen Massnahmen sollten die Flächeneffektivität und die Qualität jedoch vor die Effizienz gestellt werden, damit das Office für die Mitarbeitenden attraktiv bleibt, produktives Arbeiten ermöglicht und damit sich die unterschiedlichen Generationen mit ihren Bedürfnissen dort wiederfinden. 

Trotz oder gerade wegen der zu­nehmenden Digitalisierung ist das Bewusstsein für die Wichtigkeit von physischer Kommunikation und Teamarbeit gewachsen. Insbesondere vor dem Hintergrund der wachsenden Komplexität der Arbeitsaufgaben sind Kollaboration, Austausch und Begegnung wichtige Erfolgskriterien für Unternehmen. 

Räumliche Gestaltung von Kommunikation 

Laut einer Studie entfallen im Bürobereich bereits heute 46 % der Arbeitszeit auf kommunikative Tätigkeiten und 35 % auf Team- und Projektarbeit. Die räum­liche Gestaltung und Organisation von Kommunikation und Kollaboration wird deshalb künftig ein wichtiges Kriterium bei der Büroplanung sein. Eine grosse Her­ausforderung stellen dabei vertikal, über mehrere Stockwerke organisierte Büros dar. Denn bekannt ist, dass die persönlichen Kontakte mit wachsender räumlicher Distanz drastisch abnehmen. Wenn immer möglich, sollten deshalb offene Treppenhäuser und interne Verbindungen zwischen den Geschossen eingeplant werden, die Sichtkontakte und schnelle Wege erlauben. 

In einem Forschungsprojekt hat die Hochschule Luzern – Technik & Architektur untersucht, wie die Orte für spontane Begegnungen und für Teamarbeit in einem Hochhausbüro idealerweise angeordnet sind, um die Kommunikation zwischen den Geschossen zu fördern. Die Ergebnisse zeigen, dass Projekträume für physische Zusammenarbeit und Orte für informellen Austausch dezentral, über Team- und Bereichsgrenzen hinweg über die Geschosse verteilt angeordnet werden sollten. Dabei können unterschiedliche Angebote in Ausstattung oder Raumgrösse die Mitarbeitenden zu Wechseln zwischen den Stockwerken motivieren und so auch den Kontakt zwischen den Teams fördern. 

Das Büro ist da, wo wir arbeiten

Die Entwicklungen bei der Digitalisierung werden auch künftig den Wandel in der Arbeitswelt mitbestimmen und vorantreiben. So werden die mobil-fle­xible Arbeit weiter zu- und die Anzahl persönlicher Schreibtische weiter abnehmen. Künftig werden jedoch die Beschäftigten mit cloudbasierten Buchungssystemen bei der Suche nach einem freien Arbeitsplatz oder bei der Lokalisierung von Kolleginnen und Kollegen unterstützt.

Und sie können bereits zu Hause ab­fragen, ob der benötigte Rückzugs- oder Besprechungsraum frei ist und ob es sich somit lohnt, ins Büro zu gehen. Im Bereich Kommunikation werden die soge­nannten «Remote face to face»-Meetings mit 3-D-Projektionen der Teilnehmenden die Qualität von herkömm­lichen Videokonferenzen verbessern helfen. 

Trotzdem werden Zusammenarbeit und informeller Austausch auch künftig das Layout der Bürokonzepte wesentlich mitbestimmen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Corporate Office für die Identitätsbildung einer Firma wichtig ist und die Beschäftigten da die Unterstützung bei der Ausübung ihrer Tätigkeit erhalten. 


Hochschule Luzern – Technik & Architektur | Forschungsgruppe Innenarchitektur

Die Forschungsgruppe Innenarchitektur (FG IA) beschäftigt sich mit der Wahrnehmung und Funktion von Räumen und deren Gestimmtheit. Im Zentrum ihrer Tätigkeit steht die systemische Betrachtung von raumkonstituierenden Elementen, wie Raumstruktur, Raumklima, Akustik, Licht, Material, Farbe und Ausstattung mit dem Ziel, Komfort und Identität für die Nutzerinnen und Nutzer zu schaffen.

Dabei lauten die übergeordneten Fragen: 

• Wie müssen Räume konzipiert und gestaltet sein, um neue Lebens- und Arbeitsformen zu ermöglichen sowie sich verändernden Nutzerbedürfnissen zu entsprechen? 
• Wie können vor dem Hintergrund von Technisierung und Digitalisierung Einflussnahme und Aneignungsmöglichkeiten der Nutzenden gewährleistet werden? 
• Wie kann der Raum Identität, Privacy, Produktivität und Wohlbefinden der Nutzenden fördern? 

Die FG IA arbeitet interdisziplinär mit internen und externen Spezialisten aus den Fachgebieten Architektur, Technik, Design, Soziologie, Psychologie und Gesundheit. Sie ist u. a. in folgenden Forschungsfeldern der Innenarchitektur tätig:
• Büro und Arbeitswelten 
• Spital und Gesundheitswesen
• Wohnen und Demografie

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