Der Wald als nachwachsendes Roh- und Baustoffreservoir

Warum die Holznutzung dem Klima und der Umwelt nicht immer gleichzeitig nützt

Wissenschafter an der ETH Zürich haben im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms NFP 66 «Ressource Holz» die ökologischen Auswirkungen von Holz in der Schweiz für die gesamte Wertschöpfungskette systematisch untersucht: vom Fällen der Bäume bis zum Recycling oder Verbrennen, einschliesslich der Herstellung von Halbfabrikaten wie Papier, Platten und Holzpellets.

Holzbau

Forschung

Date de publication

28-10-2016

Revision

28-10-2016

Schweizerische Depeschenagentur sda

Paul Knüsel

Fachjournalist

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Die Waldfläche der Schweiz nimmt vor allem in den alpinen Regionen leicht zu.

Karte: Swisstopo/WSL

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Wie viel Schweizer Holz kann zusätzlich genutzt werden? Fast ein Drittel der Schweiz ist bewaldet; die Waldfläche nimmt vor allem in den Bergregionen leicht zu. Darauf wächst ein Baumbestand, der letztes Jahr einer Holzmasse von 419 Mio. m3 entsprach und jährlich um 2 % zunimmt. Davon werden neun Zehntel geerntet und genutzt. Gemäss ETH-Analyse hätte die Erhöhung dieses Anteils einen unmittelbaren ökologischen Benefit; allerdings basiert dieses Fazit auf einer rein quantitativen Analyse, die den Klimaschutz gegenüber anderen Umwelteingriffen zudem priorisiert. Ob eine Zunahme der Holznutzung in der Schweiz sinnvoll und machbar ist, hängt auch von den Standortqualitäten bislang zu wenig genutzter Wälder ab. Bieten letztere tatsächlich das Sortiment und die Holzarten an, die vom Baumarkt nachgefragt werden? Oder: Muss die Holznutzung selbst in schwer zugänglichen Regionen mobilisiert werden, wo die Waldfläche am stärksten zunimmt?

Alessandro Della Bella, Zürich/LIGNUM

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Was wird in der Schweiz aus (inländischem und importiertem) Holz fabriziert? Die Hälfte der Holzstoffflüsse gelangt in die Energieerzeugung; ein Viertel konsumiert die Papierindustrie. Etwa 10 % des genutzten Anteils findet Verwendung im Baubereich; die Möbelbranche verbarbeitet weitere 3 %. Die Papierfabrikation kommt aber ohne Schweizer Holz aus; das gesammelte Altpapier wird mit ausländischem Brei ergänzt. Auch die übrigen Branchen führen das Gros an Holzendprodukten ein; exportiert werden vor allem Zwischenfabrikate und Holzabfälle. Die Ökobilanz wirft einen ehrlichen Blick auf diese Handelsstatistik: Ein grosser Anteil der Umwelt- und Klimaschäden werden im Ausland verursacht. Insbesondere für die Produktion von Faserplatten wird viel fossile Energie verbraucht; zudem ist oft unsicher, ob die dafür verwendeten Holz-Rohstoffe aus nachhaltiger Bewirtschaftung stammen.

CFPF, Le Mont-sur-Lausanne/LIGNUM

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Wie viel inländischer Baustoff steckt in einem modernen Holzbau? Das aktuelle, vielbeachtete Beispiel steht auf dem Zürcher Freilager: drei Langhäuser, sechsgeschossigen Wohnbauten, die in hybrider Holzbau-Beton-Bauweise erstellt worden sind. Die tragenden Innen- und Aussenwände entsprechen einer Holzständerkonstruktion. Die Decken sind aus Brettsperrholz gefertigt, wobei die nachgefragte Baustoffmenge (über 1'000 m3) vor allem aus Kapazitätsgründen aus dem nahen Ausland, teilweise roh und teilweise als Zwischenfabrikat, zur Endfertigung importiert werden musste. Die Fassadenverschalung mit Weisstanne stammt dagegen zu 100 % aus einheimischen Wäldern aus dem westlichen Mittelland. Dieses Bauteil konnte von Lignum Schweiz mit dem Herkunftslabel HSH ausgezeichnet werden. Alle Gebäude sind ECO-zertifiziert, weshalb der Baustoff Holz für Konstruktion und Ausbau aus nachhaltiger FSC-Waldbewirtschaftung stammt.

Zürcher Freilager AG / Z. Gataric

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Ist die Verwendung von Holz automatisch klimaneutral? Langfristig darf die Klimabilanz von Wäldern gemäss der ETH-Ökobilanz als neutral bezeichnet werden. Im Zeitraum von etwa 100 Jahren ist der CO2-Kreislauf bei der Holznutzung daher geschlossen: Was bei der natürlichen Zersetzung oder Verbrennung in die Umwelt frei gesetzt wird, nimmt ein Baum während des Wachstums wieder auf. Allerdings trägt die Verbrennung respektive Energiegewinnung von Biomasse temporär ebenfalls zur Klimaerwärmung bei. Die Kurzzeitbetrachtung der CO2-Bilanz von Holz wird tatsächlich kontrovers diskutiert und soll durch eine Folgestudie an der ETH evaluiert werden.

Arboretum National du Vallon de l'Aubonne Frédéric Beaud, Stetten/LIGNUM

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Abfallholz verbrennen oder stofflich recyceln? Auf lange Sicht darf auch das natürliche Holzreservoir nur schonend genutzt werden. Aber aktuell steht das stoffliche Recycling nicht besonders hoch im Kurs: In der ETH-Ökobilanzierung wird sogar befürchtet, dass die vermehrte Nutzung der Wälder dadurch verhindert werden könnte. Zusätzlich verringert sich der ökologisch besonders relevante Substitutionseffekt, wenn mehr Energie aus Abfallholz und nicht aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird. Im Klimavergleich schneidet die energetische Nutzung daher besser ab als die stoffliche Kaskadennutzung. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass einige Recyclingverfahren und auch die konventionelle Abfallholzverbrennung energetisch und rationell zu verbessern wären, so die NFP-Studie.

Alessandro Della Bella, Zürich/LIGNUM

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Was tut dem Klima gut, aber schadet der Umwelt? Der ökologische Vorteil von Holz ist eindeutig, wo immer fossile Brennstoffe sowie mineralische Baustoffe oder Kunststoffe ersetzt werden können. Den positiven Klimaeffekten in der Holznutzungskette sind jedoch die Feinstaubemissionen bei der Verbrennung entgegenzustellen; ebenso sind die mit viel Energieaufwand verarbeiteten Holzfaserplatten durchaus kritisch zu würdigen. Und grundsätzlich gilt: Die Holzernte aus Schweizer Wäldern wirkt sich weder auf die Bodenbeanspruchung noch auf die Biodiversität besonders negativ aus. Importierte Halbfabrikate erfüllen ähnlich nachhaltige Bewirtschaftungsvorgaben jedoch nicht immer, so die ETH-Ökobilanz

Alessandro Della Bella, Zürich/LIGNUM

Kies, Wasser und Holz gehören zu den wenigen Ressourcen, die die Schweiz im umfangreichen Stil selbst gewinnt und damit deren Energie- oder Stoffkreisläufe eher schliessen könnte. Diese an sich ergiebige Ausgangslage wird allerdings unterschiedlich genutzt: Zwar wird viel Schotter aus dem Untergrund geholt. Doch das Betonrecycling wäre ein ökologisches Substitut; es wird erst zögerlich betrieben. Auch die Grauwassernutzung ist bislang ein zartes Pflänzchen. Und beim Holz bleibt die Gretchenfrage unbeantwortet, ob die stoffliche Kaskadennutzung umweltverträglicher ist als das Wärme erzeugende Verbrennen von Altholz. Forschende der ETH Zürich haben in einer vom Nationalfonds geförderten Studie die Wertschöpfungskette von einheimischem Holz erstmals umfassend analysiert: Als Bau- und Brennstoff verwendet werden Umwelt und Klima mehrheitlich geschont. In der Quintessenz leitet der Pressedienst des Nationalfonds daraus ab, dass «mehr einheimisches Holz genutzt werden soll».

Ökonomische Warenflüsse oder ökologische Kreisläufe?

Diese pauschale Aussage wird jedoch von der Ökobilanz selbst relativiert. Ein Ausbau der Holznutzung ist nicht immer ein Gewinn für die Umwelt. Denn auch in diesem Sektor sind die Warenflüsse und Lieferketten vor allem auch ökonomisch organisiert. In der obigen Bildserie werden die wichtigsten, ökologischen Erkenntnisse aus dem Teilprojekt «Life Cycle Impacts and Benefits of Wood along the Value Chain: The Case of Switzerland» des Forschungsprogramms NFP 66 «Ressource Holz» differenziert erklärt. Tatsächlich sind die meisten Inhalte bereits punktuell bekannt; nun stellt der Forschungsbericht die Auswirkungen der Holznutzungskette auf Umwelt und Klima umfassend dar.

Quelle: F. Suter, B. Steubing, S. Hellweg, Life Cycle Impacts and Benefits of Wood along the Value Chain: The case of Switzerland. Industrial Ecology (2016).

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