Bau­haus: Hannes Meyer und das Prin­zip CO-OP

Zwei Ausstellungen in Lausanne

«Volksbedarf statt Luxusbedarf!» war die Parole des progressiven Schweizer Architekten Hannes Meyer, 1928 bis 1930 Direktor am Bauhaus Dessau. Archizoom und das f’ar Lausanne zeigen bis 15. Oktober zwei Ausstellungen unter dem Titel Le principe CO-OP – Hannes Meyer et le concept du design collectif.

Date de publication
25-09-2016
Revision
29-09-2016

Der 1889 in Basel geborene Hannes Meyer lernte Maurer und Bauzeichner war in Basel und Berlin tätig und unternahm Studienreisen nach England. Ab 1919 war er selbstständiger Architekt in Basel und wurde 1927 von Walter Gropius als Meisterarchitekt an das Bauhaus in Dessau berufen. Er wurde 1928 in dessen Nachfolge Direktor, förderte neu die technischen Fächer und war mit seinen Stadtbauplänen vorab an genossenschaftlichen Zielen orientiert. Hannes Meyer sah Kunst, Design und Architektur nicht als getrennte Disziplinen. Gemeinsam mit den Wissenschaften betrachtete er sie als Teil eines umfassend verstandenen Ansatzes. Sein Interesse lag vor allem beim Wohnungsbau, und er suchte systematisch die Architektur über die Formel «Funktion x Ökonomie» zu definieren. Elitäre Ideen und Entwürfe lehnte Meyer ab, für ihn war Architektur ein Instrument im Dienste der Gesellschaft.

Architektur als Analyse und Organisation

Die Ausstellungen zeichnen den Weg nach, den Hannes Meyer mit seinen Entwürfen und Bauten gegangen ist. Er hatte eine Vorliebe für sozialen und gewerkschaftlich geprägten Wohnungsbau. Sein kurzes Mandat am Bauhaus hat mit seinen Gedanken und Entwürfen zum Ideal der «Volkswohnung» deutliche Spuren hinterlassen. Es waren Ideen, die letztlich auch sein gesamtes Schaffen prägten.

Für Wohnungen und Siedlungen untersuchte Meyer systematisch Ausrichtung, Belichtung, Durchlüftung, Störfaktoren (Schall, Geruch), Sichtbeziehungen und Nachbarschaft. Er analysierte die funktionalen und psychologischen Faktoren von Grundrissen und hielt seine Befunde in Tabellen und Diagrammen fest. Architektur wurde demnach zu einem logisch-rationalen Prozess, der bei absoluter Optimierung zum einzig richtigen Ergebnis führen musste. Meyer sagte: «Bauen ist kein ästhetischer Prozess und Bauen ist nur Organisation». Konsequent führte er Projekte im Rahmen interdisziplinärer Teamarbeit durch, in so genannten «vertikalen Brigaden».

Während seines Direktorats kommt es denn auch zu einer zunehmenden Radikalisierung der Bauhaus-Studenten. Das Bauhaus galt in den nationalsozialistischen Kreisen, die in Deutschland ab Ende Januar 1930 führende politische Kraft wurden, sogleich als «rote Kaderschmiede». Am 1. August 1930 wird Meyer aus politischen Gründen fristlos entlassen. Seine sozialdemokratische Gesinnung stand in krassem Gegensatz zu den aufkommenden nationalsozialistischen Kreisen. Gropius wirkte offensichtlich im Hintergrund und beförderte die Entlassung, gleichzeitig empfahl er Ludwig Mies van der Rohe als Nachfolger. Er war bereits am 5. August im Amt.

Der Bauhausleiter, der den Bauhausstil bekämpfte

Sein kurzes Wirken am Bauhaus und sein Rauswurf haben möglicherweise dazu geführt, dass ihn manche Architekturpublikationen wie ein Fussnote des Bauhauses behandeln. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Hannes Meyer das Bauhaus mit seinem Wirken geprägt hat. Er äusserte sich darüber später (1940) in der mexikanischen Zeitschrift Edificación klar: «Das Bauhaus war ein ausgesprochenes Kind der deutschen Republik, mit der es das Geburts- und Todesjahr teilte, aber ebenso ausgesprochen war es von Anbeginn ein europäisches, ja internationales Bildungszentrum. 1919 im Wirrsal der Nachkriegszeit von dem Architekten Walter Gropius gegründet zu Weimar, war es in seiner Urform ein typischer Zeuge des damaligen gefühlsbetonten Expressionismus. Denn obwohl es von Anbeginn als ein Ausbildungszentrum für viele Zweige polytechnischer Betätigung bestimmt war, wirkten in seinem Lehrkörper neben zwei Architekten sieben abstrakte Künstler, und darunter Kapazitäten von späterem Weltruf, wie der Amerikaner Lyonel Feininger, der Russe W. Kandinsky, der Deutsche Paul Klee. Der exakte Wissenschaftler fehlte völlig. Unter den Studierenden überwogen Anhänger jeder Art von ‹Lebensreform›.»

Damit hat Meyer während seiner Direktionszeit Schluss gemacht. Er hat am Bauhaus das vordem eher vernachlässigte Fach Architektur ausdrücklich gefördert, er wollte ein Bauhaus, das seinem Namen entspricht. Er beschrieb das in einem Brief, den er nach seinem Hinauswurf an den Oberbürgermeister von Dessau richtete: «Was fand ich bei meiner, Berufung vor? Ein Bauhaus, dessen Leistungsfähigkeit von seinem Ruf um das Mehrfache übertroffen wurde und mit dem eine beispiellose Reklame getrieben wurde. Eine Hochschule für Gestaltung, in welcher aus jedem Teeglas ein problematisch-konstruktives Gebilde gemacht wurde. (...) Überall erdrosselte die Kunst das Leben. So entstand meine tragikomische Situation: Als Bauhausleiter bekämpfte ich den Bauhausstil.1

Zwei Ausstellungen zum Prinzip CO-OP

Die Ausstellung «Le principe CO-OP – Hannes Meyer et le concept de design collectif» (Das Prinzip CO-OP – Hannes Meyer und die Idee der kollektiven Gestaltung) in zwei Teilen gezeigt, nämlich bei archizoom an der EPFL in Ecublens und im Forum für Architektur f’ar in der Stadt Lausanne. Die Ausstellungen illustrieren, warum Meyer wie er selber sagte nie allein projektierte und wie er die «Cooperative» in Lehre und Praxis umsetzte. Sie zeigen auf, was hinter der Parole «Volksbedarf statt Luxusbedarf» steckt.

Meyer hat in den zwei Jahren als Direktor des Bauhauses Dessau die «Volkswohnung» zur zentralen Aufgabe und zum Leitmotiv gemacht. Die damals entstandenen Möbel und Einbauten sind konzeptueller Ausdruck des Bestrebens nach maximaler Sparsamkeit in Form, Konstruktion und Material.

Archizoom in Ecublens konzentriert sich auf Projekte und Bauten in der Schweiz, Deutschland, Russland und Mexiko. Bemerkenswert sind die Modelle, darunter eine Rekonstruktion des Projekts für den Völkerbundpalast in Genf. Beim f’ar in Lausanne zu sehen sind Replika seiner Möbelentwürfe (Tisch-Hocker Ensemble für das Bauhaus), ein Modell der ADGB und vor allem Dokumente zur Bauphilosophie von Hannes Meyer sowie Auszüge aus seinen Schriften und jenen des Umfelds.

Anmerkungen

  1. Zitate aus dem Artikel «Wer hat Angst vor Hannes Meyer?» von Hermann Funke in «Die Zeit», 24. Februar 1967.

Hinweis


Informationen zur Ausstellung
 

Le principe CO-OP – Hannes Meyer et le concept de design collectif
Zwei sich ergänzende Ausstellungsteile in Lausanne vom 20. September bis 15. Oktober 2016

Archizoom,EPF Lausanne
Ecublens (Building SG 1211), mit Metro M2 ab Lausanne Flon
Montags bis freitags 9.30–17.30 Uhr, samstags 14.00–19.00 Uhr
Sonntag geschlossen

«forum d’architectures lausanne» f’ar
Villamont 4, Lausanne (Bus No. 1, 2, 4, 8, 9 bis Station Georgette)
Mittwochs bis freitags 12.00–14.00 und 16.00–19-00 Uhr
Samstags und sonntags 11.00–18.00 Uhr

Anlässe/Vorträge
Montag, 26. September, 18.00 Uhr
Vortrag von Raquel Franklin, Co-Kuratorin der Ausstellung, Mexiko
Amica Dall, Architektin, Assemble, London
Archizoom, Auditorium SG1-EPFL

Montag, 10. Oktober, 18.30 Uhr
Christof Mayer, Architekt, raumlabor, Berlin
Archizoom, Auditorium SG1-EPFL

Freitag, 14. Oktober, 17.30 Uhr
Table ronde
«Lausanne, le Canton de Vaud et la culture du bâti : Une tradition mêlant humanisme et modernisme, une inspiration pour l’avenir»
Moderation: Matthieu Jaccard

Literatur
Claudia Perren, Werner Möller, Astrid Volpert: das prinzip co-op – Hannes Meyer und die Idee einer kollektiven Gestaltung, Stiftung: Bauhaus Dessau. 
Katalog zur Ausstellung im Bauhaus Dessau, 2015.
Aristide Antonas, Pier Vittorio Aureli, Raquel Franklin: Hannes Meyer – Co-op Interieur, Leipzig 2015.
Britta Merten: Der Architekt Hannes Meyer und sein Beitrag zum Bauhaus, Saarbrücken 2008.
Hannes Meyer, 1889–1954. Schriften der zwanziger Jahre im Reprint. Acht Hefte in Kartonmappe. Zürich 1990 (vergriffen).
Martin Kieren (Hg.): Hannes Meyer, Dokumente zur Frühzeit. Architektur- und Gestaltungsversuche 1919–1927. Zürich 1990 (vergriffen).
Klaus-Jürgen Winkler: Der Architekt Hannes Meyer, Berlin (Ost) 1989 (vergriffen).

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