«Eine ver­passte Chance»

Wettbewerb für ein Instandsetzungsprojekt

Bauingenieur Christian Menn lehnt die derzeit diskutierten Varianten zur Instandsetzung des Gotthard-Strassentunnels ab. Seine Gedanken zum Thema verdeutlicht er im Gespräch mit TEC21.

 

Date de publication
10-12-2015
Revision
10-12-2015

TEC21: Herr Menn, in der Volksabstimmung Ende Februar 2016 geht es um das Referendum gegen den Parlamentsbeschluss zur Instandsetzung des Gotthard-Strassentunnels. Auch Sie haben sich dazu Ihre Gedanken gemacht.
Christian Menn: Das Bundesamt für Strassen (Astra) hat dem Parlament das Zweiröhrenkonzept (ZR) sowie vier Varianten mit monatelanger Vollschliessung des bestehenden Tunnels während mehrerer Jahre zur Abstimmung vorgelegt. Das Konzept des Astra sieht vor, für die eigentlichen Instandsetzungsarbeiten zunächst einen Paralleltunnel zum bestehenden zu erstellen, den Verkehr auf diesen zu verlagern und nach Beendigung der In­stand­setzungsarbeiten die Spur einer Fahrrichtung wieder zurückzuverlagern.
Das Konzept ist ausser­ordentlich teuer, aber im Prinzip valabel. Die vier Varianten sind sinnlos, da eine weitgehende Abkoppelung des Kantons Tessin von der Deutschschweiz inakzeptabel ist. Auch andere zur Diskussion gestellte Varianten, z. B. der Umbau des Bahntunnels, Transporte über die Neat, Verkehrsreduktion bzw. -rationierung etc., sind meines Erachtens nicht zielführend.

TEC21: Welches Vorgehen hätten Sie in dieser Frage begrüsst?
Christian Menn: Zuerst sollte man eigentlich wissen, was man will. Will man mit dem teuren ZR-Vorschlag möglichst bald zu einem vierspurigen Autobahntunnel kommen und legt man auch während der eigentlichen zweieinhalb Jahre dauernden Instandsetzung grosses Gewicht auf einen Paralleltunnel, oder will man mit einem Instandsetzungskonzept, das mehrere hundert Millionen Franken weniger kostet, die Gelegenheit nutzen, die Gotthardkantone miteinander zu verbinden, um ihre touristisch/wirtschaftliche Entwicklung nachhaltig zu fördern?
Und dann müsste ein Konzeptwettbewerb durchgeführt werden. Bei einem öffentlichen Bau­vorhaben von etwa 25 Millionen Franken wird fast immer ein Wettbewerb durchgeführt. Bei einer Tunnelinstandsetzung mit einer 100 Mal höheren Bausumme verzichtete man jedoch darauf. Das ist eine verpasste Chance, die zu einer falschen Information des Parlaments führte und das dortige Abstimmungsergebnis verfälschte. Zudem hat man das ZR-Konzept nur mit deutlich schlechteren, unbrauchbaren Alternativen verglichen und daraus geschlossen, dass die zweite Röhre die beste Lösung sei.

TEC21: Sie sind überzeugt, dass es bessere Varianten geben würde?
Christian Menn: Das Konzept, das ich entwickelte und das möglicherweise nicht einmal das wirtschaftlichste ist, zeigt, dass – mit den Zahlen des Astra gerechnet, ohne die hohen Kosten für Betrieb und Unterhalt beider Röhren – mehrere hundert Millionen eingespart werden könnten. Der Verfassungsartikel des Alpenschutzes würde eingehalten, und die Sicherheit gegen die weitaus gefährlichste Einwirkung, den Fahrzeugbrand im Tunnel, wäre trotz Gegenverkehr wegen der viel kürzeren Tunnellänge etwa gleich gross wie beim Konzept des Astra. Und schliesslich dürfte mit der Verbindung der Gotthardkantone ein markanter, nachhaltiger wirtschaftlich-touristischer Aufschwung zu erwarten sein.

TEC21: Sie lehnen die derzeit diskutierten Varianten ab. Führt der richtige Weg über den Pass?
Christian Menn: Im Prinzip hat mein Konzept eine gewisse Ähnlichkeit mit dem ZR-Vorschlag; nur befindet sich die «zweite Röhre» auf einem höheren Niveau, demselben wie der San-Bernardino-Tunnel. Der vorgesehene sogenannte Scheiteltunnel ist auch gleich lang wie dieser, und die Zufahrten sind wie beim Ber­nardino-Tunnel «schwarz geräumt».
Eine Verkehrsverlagerung auf die Bernardino-Route ist somit ganz bestimmt ausgeschlossen; und in die abwechslungsreiche Gotthardregion lässt sich in moderner ­Architektur mit relativ kleinem Aufwand eine einzigartige Panoramastrasse, ein künftiges Weltkultur­erbe einfügen. Davon sind jedenfalls auch der weltbekannte Architekt Mario Botta und der Direktor der Stiftung für Landschaftsschutz, Dr. Raimund Rodewald, überzeugt.

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