Die Er­fin­dung der Nach­hal­tig­keit

Internationaler Tag des Waldes 2013

Der diesjährige Internationale Tag des Waldes steht in der Schweiz unter dem Thema «300 Jahre Nachhaltigkeit», denn 1713 formulierte der sächsische Berghauptmann Hans Carl von Carlowitz ein forstliches Konzept, aus dem die Idee der Nachhaltigkeit entstand. Zum Jubiläum ist ein Buch mit lesenswerten Aufsätzen zu seinem Leben und Wirken erschienen.

Publikationsdatum
21-03-2013
Revision
28-10-2015

Der Begriff «Nachhaltigkeit» ist in aller Munde. Weil sich der Begriff aber nur schwer fassen lässt und in seiner aktuellen Verwendung immer mehr banalisiert wird, lohnt sich ein Blick zurück zu seinen Ursprüngen. Und dafür bietet sich 2013 eine ausgezeichnete Gelegenheit: Vor 300 Jahren erschien das in Forstkreisen berühmte Buch «Sylvicultura oeconomica» des aus Sachsen stammenden Hans Carl von Carlowitz. Das Werk wurde 1713 an der Ostermesse in Leipzig präsentiert. 

Der 1645 kurz vor dem Ende des Dreissigjährigen Krieges geborene Hans Carl von Carlowitz wirkte praktisch sein ganzes Berufsleben im sächsischen Bergwesen, zuletzt als dessen Leiter. Die Förderung der Erze benötigte riesige Holzmengen; von einer auf Nachhaltigkeit angelegten Bewirtschaftung des Waldes hing deshalb das Berg- und Hüttenwesen und damit das Wohl des ganzen Landes ab. 

Die Sächsische Carlowitz-Gesellschaft nahm das 300-Jahr-Jubiläum zum Anlass, ein Buch zum Leben und Wirken von Hans Carl von Carlowitz herauszugegeben. 15 Autoren verschiedener Fachrichtungen erläutern, wie sich das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung heutiger Prägung herausgebildet hat. Von den Gedanken von Carlowitz` ausgehend, schlagen sie eine Brücke ins 21. Jahrhundert.  

Im Sinne des Gemeinwohls

Ulrich Grober, der bereits 2010 ein sehr überzeugendes Buch über die Entwicklung der Idee der Nachhaltigkeit veröffentlicht hat1, geht in seinem Beitrag der eigentlichen Wortschöpfung nach. In der «Sylvicultura Oeconomica» erscheint das Wort «nachhaltend» lediglich zwei Mal. Carlowitz verwendet es in Zusammenhang mit der Holznutzung. Diese habe so zu erfolgen, dass es «eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe». Daraus wird heute oft vereinfachend abgeleitet, dass nicht mehr Holz aus dem Wald entnommen werden dürfe als nachwachse. Doch wie Grober und vor allem auch Joachim Hamberger, der die «Sylvicultura oeconomica» aus aktuellem Anlass neu herausgegeben hat2, eindrücklich aufzeigen, wird man damit dem Werk von Carlowitz nicht gerecht. Das ganze Buch sei vom Geist nachhaltigen und verantwortungsvollen Handelns im Sinne des Gemeinwohls durchdrungen, schreibt Hamberger. 

Für Franz Josef Radermacher, Mitglied des Club of Rome, beinhaltet das Denken von Hans Carl von Carlowitz bereits alle Dimensionen, die wir aktuell mit dem Dreieck der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Gesellschaft – zu beschreiten versuchen. Doch anders als heute habe der Mensch damals noch nicht die Fähigkeit gehabt, die Ökosysteme weltweit zu destabilisieren. Laut Radermacher besteht die Herausforderung heute darin, für 10 Milliarden Menschen Wohlstand zu schaffen, zugleich aber die Umwelt und die Ressourcenbasis zu schützen. Abgerundet wird der vielfältige Strauss an Beiträgen mit einem Blick auf das heutige Sachsen. Vorgestellt wird unter anderem das Freiberger Weltforum zur nachhaltigen Nutzung der Rohstoffressourcen der Erde. Die Sächsische Carlowitz-Gesellschaft legt im Jubiläumsjahr der Nachhaltigkeit ein inspirierendes Buch vor. Möge es einen Beitrag dazu leisten, dass die Debatte über eine nachhaltige Entwicklung künftig wieder mit mehr Substanz geführt wird.

Anmerkungen / Literatur

  1. Ulrich Grober: Die Entdeckung der Nachhaltigkeit, 2010.
  2. Sylvicultura oeconomica oder Hausswirthliche Nachricht und Naturmässige Anweisung zur Wilden Baum-Zucht. Herausgegeben von Joachim Hamberger, Oekom Verlag, München.
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