Der VSETH fei­ert

150 Jahre Verband der Studierenden an der ETH

Mit einem eindrücklichen Fackelumzug und einem Feuerwerk auf der Polyterrasse feierten die Studierenden das Jubiläum des VSETH. Ein Buch zeichnet die zum Teil bewegte Geschichte des Studentenverbandes nach. Die Studierenden wollen im Jubiläumsjahr aber auch ihre Identifikation mit der ETH zum Thema machen.

Publikationsdatum
05-03-2012
Revision
01-09-2015

Neben wenig spektakulären Zeiten gibt es immer wieder auch Sternstunden der Studentenschaft. Für den Verband der Studierenden an der ETH (VSETH) zählt das 1968 ergriffene Referendum gegen das ETH-Gesetz und die im folgenden Jahr gewonnene Volksabstimmung zu den Sternstunden. Eigentlich ging es damals nur um eine kleine Änderung, damit die Ecole Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) als Hochschule des Bundes anerkannt werden konnte. Doch in der politisch heissen Zeit nutzten die ETH-Studierenden die Gunst der Stunde und forderten mehr Mitsprache – also etwas, das in der damaligen Gesetzesvorlage so gut wie nicht vorgesehen war. Und sie bekamen Recht von den Schweizern (die Schweizerinnen waren damals noch nicht stimmberechtigt).

2000 Fackeln und ein Feuerwerk

Und 44 Jahre später gelingt dem VSETH wieder etwas Aussergewöhnliches. Da ist einmal der Besuch von Bundesrat und ETH-Alumni Johann Schneider-Ammann zu erwähnen (Bundesräte kommen immer wieder mal die ETH besuchen, aber nicht unbedingt auf Einladung der Studierenden). In Erinnerung bleiben wird aber auch der Fackelumzug der Studierenden in der Zürcher Innenstadt. Die NZZ schrieb von einem «Fackelzug von eindrücklicher Länge». Das ist richtig. Noch bemerkenswerter ist jedoch die gute Stimmung, die an diesem frühlingshaften Abend herrschte. An der Spitze des Zuges marschierten Offizielle und Ehemalige des VSETH. Rahel Zoller, die amtierende VSETH-Präsidentin, trug die Verbandsfahne, und schien über den grossen Aufmarsch selber etwas überrascht zu sein. Der VSETH bestellte 2000 Fackeln – und laut der Stadtpolizei könnten auch etwa so viele Personen am Umzug teilgenommen haben. Mit dem Fackelumzug griffen die Studierenden eine alte Tradition auf. In früheren Zeiten wurden verdiente Professoren mit solchen Umzügen geehrt (wollte man hingegen Unmut ausdrücken, wurde die lärmige «Katzenmusik» ausgesandt). Mit einem Fackelzug drückten die Studierenden nach der Niederschlagung des Volksaufstandes 1956 in Ungarn ihre Solidarität mit den Betroffenen aus. Der letzte Umzug fand vermutlich 1963 anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums des VSETH statt. Die bewegte Zeit von 1968 brachte dann den Bruch mit vielen alten Traditionen.
Nach dem Fackelumzug versammelte man sich auf der Polyterrasse und trank heissen Punsch aus Jubiläumstassen, und nachdem die Aussenbeleuchtung des Hauptgebäudes ausgeschaltet worden war, startete das Feuerwerk. Die Raketen stiegen von der Terrasse des Dozentenfoyers in den Himmel, so dass das von Gottfried Semper entworfene strenge Hauptgebäude in einem völlig neuen Licht erstrahlte.

Geringe Identifikation der Studierenden mit der ETH

Doch der VSETH möchte in seinem Jubiläumsjahr nicht nur festen und feiern. Nach Einschätzung der Aktiven im VSETH könnte das Wir-Gefühl an der ETH stärker sein. Und sie fragen auf der Jubiläumswebseite: «Weshalb fühlen wir, die Studierenden der ETH, uns oft nicht zugehörig zu unserer Hochschule, obwohl unsere Alma Mater einen hervorragenden internationalen Ruf geniesst » Aus diesem Grund will sich der VSETH mit dem Thema Identifikation beschäftigen. Laut Rahel Zoller ist das Thema an einem Vorbereitungs-Wochenende geboren worden. Und alle hätten es spontan gut gefunden.

Ohne Identifikation kein Engagement

Das Thema der Identifikation war ein Steilpass für die Ansprachen an der offiziellen Jubiläumsfeier. Und Bundesrat Johann Schneider-Ammann nahm den Ball prompt auf. Er gehe zwar davon aus, dass sich alle Anwesenden mit der ETH identifizierten. Denn sonst wären sie nicht gekommen. Wer sich für den VSETH engagiere, engagiere sich für Interessen der Studierenden. Doch ohne Identifikation sei kein Engagement möglich. Laut Schneider-Ammann steht die Gesellschaft vor grossen Herausforderungen, etwa bei der Energieversorgung, der Biotechnologie oder Umweltfragen. Um diese zu meistern, brauche es einen ernsthaften Meinungsaustausch. Und diese Diskussionen dürfe man nicht allein den Geistes- und Sozialwissenschaftlern überlassen, und schon gar nicht den Politikern, meinte der Bundesrat. Die Diskussionen müsse vor allem auch von den Naturwissenschaftlern geführt werden. Und da nehme die ETH einen wichtigen Platz ein. Von der ETH erwarte man nicht eine Meinung, sondern die Darstellung von Alternativen mit all ihren Vor- und Nachteilen. Schneider-Ammann, der als Volkswirtschaftsminister ab 2013 neben der Berufsbildung auch für die Universitäten und den ETH-Bereich zuständig sein wird, sagte, Bildung sei das Kapital und der Rohstoff der Schweiz. Der Bundesrat betonte aber auch, dass Bildung weit mehr sei als die Vermittlung von Wissen oder das Erlernen von Fertigkeiten. In seinen Augen muss Bildung heute mehr denn je den Menschen die Fähigkeit vermitteln, sich auszutauschen und verantwortungsvoll entscheiden zu können. Die Studierenden bräuchten nicht nur eine erstklassige Infrastruktur, sondern vor allem Vorbilder sowie Professorinnen und Professoren, die nicht nur wissenschaftlich, sondern auch menschlich überzeugten.

Die Zukunft der Schweiz mitgestalten

Von den ETH-Absolventen erwarte er, dass sie ihr grosses Wissen und Können für die Gesellschaft einsetzten und dazu beitrügen, die anstehenden Herausforderungen zu meistern. «Packen Sie die Chance und gestalten Sie die Zukunft der Schweiz mit», rief Schneider-Ammann den Studierenden zu. Wenn sie diese Herausforderung annähmen, dann blieben sie, so wie er, der ETH ein Leben lang verbunden. Und er schloss mit einem Bekenntnis: «Ich identifiziere mich mit Ihnen, ich identifiziere mich mit dem VSETH, und ich identifiziere mich natürlich mit unserer ETH».
Beim Bundesrat ist die Frage des VSETH nach der (fehlenden) Identifikation also angekommen. Es würde sich lohnen, darüber vertieft nachzudenken. In einem Artikel des Polykum, der Zeitschrift des VSETH, ist bereits ein Artikel publiziert worden, der den möglichen Gründen nachgeht. So wird etwa auf die helvetische Besonderheit hingewiesen, dass die meisten Studierenden in der Schweiz Pendler oder Wochenend-Heimfahrer sind. Viele von ihnen würden deshalb selbst gegen Ende ihres Studiums noch weit mehr Kontakte in ihrem Herkunftsort pflegen als an ihrer Hochschule. Der VSETH will unter anderem mit einer Artikelserie im Polykum die nun lancierte Diskussion vertiefen.

Weitere Informationen
Fotogalerie zum Jubiläumsfeierlichkeiten auf der Webseite des VSETH
Jubiläumspublikation

Der VSETH


Der Verband der Studierenden an der ETH (VSETH) ist die Vertretung der rund 12'000 Studierenden an der ETH Zürich. Mit rund 10'000 Mitgliedern ist der VSETH die grösste Studierendenvertretung der Schweiz. Der Verein wurde nur sieben Jahre nach der ETH Zürich im Winter 1862 gegründet. Der Verband wird heute von einem ehrenamtlich arbeitenden Vorstand geleitet. Der VSETH besteht aus 16 Fachvereinen, welche die Vertretung auf Ebene der Departemente wahrnehmen, 14 Kommissionen, die verschiedenste Angebote organisieren und 15 anerkannten Organisationen, die dem Verband angegliedert sind.

 

 

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