Der Sp­öl er­holt sich

Mehr als ein Jahr nach der Kraftwerkspanne und dem grossen Fischsterben im Schweizerischen Nationalpark zeigt sich, dass sich die Bachforellenbestände im Spöl erholen. Die Engadiner Kraftwerke haben Sofortmassnahmen ergriffen, um weitere solche Vorfälle zu verhindern.

Publikationsdatum
18-06-2014
Revision
25-08-2015

Ende März 2013 versagte bei der Stauanlage in Punt dal Gall der Engadiner Kraftwerke (EKW) die Restwasserversorgung. Aufgrund des tiefen Wasserstands im Stausee Livigno gerieten Ablagerungen im See in Bewegung und verstopften die Dotieranlage. Als Folge davon gelangte kein Dotierwasser mehr in den Spöl. Nachdem Parkwächter des Schweizerischen Nationalparks dies bemerkt und Alarm geschlagen hatten, entschieden Mitarbeiter des Kraftwerks, den Grundablass zu öffnen, um den Bach möglichst schnell wieder mit Wasser zu versorgen. Doch ins Bachbett ergoss sich vor allem Schlamm, der sich am Grund des Stausees angesammelt hatte. Für die Bachforellen war dies fatal; insbesondere im obersten Teil des Spöls, der durch den Nationalpark fliesst und in Zernez in den Inn mündet, hatten sie keine Chance zu überleben. 

Die Bilder mit den verendeten Bachforellen im Nationalpark schreckten auf. Ebenso die vielen toten Seesaiblinge, die im Staubecken von Ova Spin an der Ofenpassstrasse trieben. Sie waren vermutlich wegen des ungewöhnlich tiefen Wasserstandes im Livignosee und den mobilisierten Schlammmassen in den Druckstollen und in die Turbinen in Ova Spin geraten.

Bilanz nach einem Jahr 

Um die Ursachen und die ökologischen Auswirkungen zu untersuchen, wurde unmittelbar nach der Panne eine Task Force aus Vertretern der betroffenen eidgenössischen und kantonalen Ämtern, des Kraftwerks, dem Schweizerischen Nationalpark und Gewässerfachleuten gebildet. Etwas mehr als ein Jahr nach dem Unglück hat die Task Force nun Bilanz gezogen. 

Dabei gibt es Erfreuliches zu vermelden. Im Spöl herrschen wieder gute ökologische Verhältnisse. Dies ist vor allem der Spülung mit viel Wasser vom Juli 2013 zu verdanken. Mit Abflussspitzen von bis zu 40m3 Wasser pro Sekunde ist es gelungen, das Bachbett vom Schlamm weitgehend zu befreien. Damit wurde der Grundstein für eine erfolgreiche Wiederbesiedlung durch Lebewesen gelegt.

Eine erste Fischbestandsaufnahme einen Monat nach dem Unfall ergab, dass etwa ein Drittel der Bachforellen überlebt hatte. Gemäss der zweiten Erhebung im April 2014 hat sich die Zahl der Bachforellen gegenüber 2013 bereits verdoppelt. Der Forellenbestand liegt aber noch deutlich unter demjenigen vor dem Unfall. Eine Kartierung der Laichplätze der Bachforellen vom Dezember 2013 belegt zudem, dass die überlebenden Fische ihre bevorzugten Stellen zum Laichen wieder aufsuchen.

Erstaunliche Regenerationsfähigkeit

Der Spöl weist eine für einen Restwasserbach erstaunliche Regenerationsfähigkeit auf. Dies ist nicht zuletzt den künstlichen Hochwassern zu verdanken, die seit dem Jahr 2000 ein- bis zweimal jährlich durch den Spöl rauschen. Damit ist es unter anderem gelungen, die Laichbedingungen für die Bachforellen zu verbessern. Durch die periodische Umschichtung der Bachsohle entstand ein lockerer Kiesgrund, in dem die Weibchen ihre Eier ablegen können. 

Die Task Force hat deshalb beschlossen, die künstlichen Hochwasser beizubehalten. Damit wird einerseits die ökologische Qualität gefördert, andererseits kann der Grundablass, der dabei jeweils geöffnet wird, von Sedimentablagerungen freigehalten werden. Das nächste solche Hochwasser soll noch im Juni stattfinden. Das ökologische Monitoring wird unter der Leitung der Forschungskommission des Nationalparks fortgesetzt und mit Fischbestandsaufnahmen ergänzt.

Die Task Force wünscht sich zudem, dass im Bereich der Sedimentbewegungen weiter geforscht wird. Denn es ist wichtig zu verstehen, was sich im Livignosee genau abspielte. Der Seespiegel lag bei 1717.40 m. ü. M. und damit mehr als 17m über dem gemäss Konzession nicht zu unterschreitenden Wert – und trotzdem gerieten zahlreiche Seesaiblinge in die Druckleitung. Und die Messinstrumente der EKW zeigten nicht an, dass mit der Restwasserversorgung etwas nicht stimmte. Mit der Abklärung der Prozesse im See sowie den Ursachen der Panne beauftragten die Verantwortlichen des Kraftwerks die EPFL. 

Verzicht auf Seeabsenkung

Aufgrund der ersten Ergebnisse haben die EKW Sofortmassnahmen ergriffen. So soll etwa der Seespiegel nicht mehr unter 1735 m. ü. M. fallen. Zudem prüft das Unternehmen im Rahmen der in den nächsten Jahren vorgesehenen Sanierung der Stauanlage in Punt dal Gall verschiedene technische Verbesserungen. Denkbar wäre etwa, den Einlauf für das Restwasser höher zu legen. Die Sanierungsarbeiten sollen zudem durchgeführt werden, ohne den See abzusenken. Damit wird sich das Bild eines ganz leeren Stausees, wie es sich 2012 im Valle di Lei im Avers präsentierte, nicht wiederholen. Laut Medienmitteilung begrüsst die Task Force das Vorgehen der EKW. Im Herbst werden sämtliche Ergebnisse der Task Force in einem Schlussbericht veröffentlicht. 

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