«Wir wol­len kei­nen Hype be­frie­di­gen»

Der Bedarf nach effizient geschnittenem Wohnraum wird wachsen, glaubt der Projektent­wickler des «Tiny House»-Projekts am Zürcher Zollikerberg.

Publikationsdatum
19-12-2019

TEC21: Herr Lehmann, was ist das Motiv für das «Tiny House»-Projekt?

Niels Lehmann: Die Bauherrin, eine private Investorin, hat sich explizit einer nachhaltigen Anlagestrategie verschrieben, wobei gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Dimensionen gleich gewichtet werden. In ihrem Auftrag versuchen wir nun, das spannende Konzept «Wohnen auf kleinem Raum» für den Schweizer Mietwohnungsmarkt zu übersetzen. Der bewusste Verzicht auf viel Wohnfläche bei gleichzeitig hoher Wohnqualität und der Nähe zur Natur ist eine interessante Ergänzung zu gängigen Wohnformen.

TEC21: Ist das Konzept ein temporärer Trend oder eine langfristige Marktnische?

Niels Lehmann: Wir wollen damit keinen Hype befriedigen. Vielmehr meinen wir, dass die Nachfrage nach dieser Wohnform auch in ferner Zukunft vorhanden sein wird. Im Wirtschaftsraum Zürich, der von einer Million Einwohnern bevölkert wird, finden solche Nischenprojekte immer Bewohner. Wir glauben sogar, dass der Bedarf nach effizient geschnittenem Wohnraum wachsen wird. Das bisherige Angebot ist zu gering.

TEC21: Wen spricht eine Kleinwohnung an?

Niels Lehmann: Wir sprechen nicht nur Mieter mit tiefer Kaufkraft an, sondern auch jene, die ihr Konsumverhalten bewusst reduzieren wollen. Diese Menschen könnten, aber wollen nicht viel Fläche verbrauchen und bezahlen. Wir müssen aber auch über den Standort dieses Projekts sprechen: Er befindet sich am Waldrand am Zollikerberg und liegt in einem Umfeld mit geringer Bebauungsdichte. Hier sind Mietwohnungen in der Qualität von Einfami­lienhäusern – mit eigenem Garten, direktem Zugang zur Wohnung oder Wohnen auf mehreren Geschossen – kein «Nischenprodukt», sondern das richtige Wohnangebot.

TEC21: Sind weitere Projekte zu erwarten?

Niels Lehmann: Der Markt ist mit Kleinwohnungen für ein Existenzminimum oder junge Singles gut bestückt. Was fehlt, sind Angebote, die auf die Individua­lisierung und den demografischen Wandel in der Gesellschaft abgestimmt sind. Ein steigender Anteil von Bewohnern lebt ausserhalb einer klassischen Familiensituation und fragt andere Wohnangebote nach. Basierend auf solchen Überlegungen sind wir in ähnliche Projekte an anderen Stand­orten in der Agglomeration Zürich involviert. Je nach Lage, Bauzone und Marktnachfrage ist die bauliche Dichte aber unterschiedlich ausformuliert. Einige sind bodennahe Wohnformen; andere sind in die Vertikale gedacht.

TEC21: Stossen Sie mit der Idee auf Hindernisse?

Niels Lehmann: Überaschenderweise sind wir bislang auf keine unüberwindbaren Hürden bei der Umsetzung gestossen. Die baurechtlichen Rahmenbedingungen halten aber nicht immer mit den Vorstellungen mit, wie zeitgenössischer Wohnraum aussehen soll. Manchmal fehlt es an der Vorstellungskraft von Projektbeteiligten. Doch gute Architektur und räumlich hohe Quali­täten sind wichtige Argumente, um solche Projekte voranzubringen. Deshalb ist der beigezogene Architekt als Kommunikator zusätzlich gefordert.

TEC21: Wie steht es mit den Normen? Lassen sie derart innovative Baukonzepte zu?

Niels Lehmann: Klärungsbedarf gibt es schon, etwa weil vielerorts Mindestraumgrössen definiert sind. Oder bei den Lärmschutzvorgaben. Hinzu kommen kantonal und kommunal sehr unterschiedliche Auslegungen von übergeordneten Regelungen zum Beispiel für das hindernisfreie Bauen oder die Zahl von Parkplätzen. Interessanterweise sind die Konventionen weniger starr: Das Nutzerverhalten ist Wohnalternativen gegenüber sehr offen; solche sind sogar ausdrücklich gesucht.

TEC21: Was sind die aktuellen Erkenntnisse aus dem Projekt in Zollikon?

Niels Lehmann: Die Resonanz ist sehr positiv; die Wohnungen könnten wir wohl schon heute mehrfach vermieten. Allerdings stellen wir fest, dass der Bewilligungsprozess komplizierter ist als bei konventionellen Gebäuden. Die Behörden kennen diesen Typus kaum. Für solche Projekte benötigt man als Investor und Bauherr deshalb eine Portion Wagemut. Wir sind optimistisch, die «Tiny Houses» 2021 eröffnen zu können.

TEC21: Vielen Dank für das Gespräch!

 

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