War­um der Ef­fi­zi­enz­pfad un­ver­zicht­bar ist

Der Verzicht auf das 2000-Watt-Areal-Label betrifft auch den Planungs­sektor. Die Kommission, die die künftige Norm für den SIA-Effizienzpfad Energie entwickelt, befürchtet, dass wesentliche methodische Errungen­schaften und die Weitsicht beim nachhaltigen Bauen verloren gehen.

Publikationsdatum
13-07-2022

Das Bundesamt für Energie (BFE) hat in diesem Frühjahr über die Harmonisierung der Gebäude­label informiert. In deren Rahmen wird das Zertifizierungsverfahren für 2000-Watt-Areale eingestellt, und beim Standard Nachhaltiges Bauen SNBS wird die Möglichkeit abgeschafft, das Nachweisverfahren mit dem SIA-Effizienzpfad Energie (SIA Merkblatt 2040) zu kombinieren. Ein weiteres Anliegen der angestrebten Harmonisierung ist, dass nur noch die natio­nalen Energiegewichtungsfaktoren für eine Aggregation des Betriebs­energiebedarfs von Gebäuden verwendet werden sollen.

Für den SIA stellt sich die Frage, was dies für die aktuelle Weiterentwicklung des SIA-Effizienzpfads zur Norm SIA 390 bedeutet. Im Namen der Kommission, die sich derzeit damit beschäftigt, nehme ich dazu nun Stellung.

Vom Merkblatt zur Norm
Im letzten Jahr beschloss der SIA, den Effizienzpfad Energie aufzuwerten, und die Berechnungsgrundlage für ein 2000-Watt-kompatibles Bauen in eine Norm zu überführen. Aus dem bisherigen Merkblatt SIA 2040 soll die Norm SIA 390 entstehen, die auf eine gebäudespezifische Lebenszyklusbetrachtung ausgerichtet werden soll. Unter anderem geht es darum, den bis­herigen Absenkpfad der 2000-Watt-Gesellschaft an das Netto-Null-Ziel anzupassen. Vorgesehen sind methodische und quantitative Vorgaben für eine etappierte Umsetzung bis 2030 und 2050. Die Normenkommission will bis Ende Jahr einen Vorschlag formulieren und diesen Anfang 2023 in die Vernehmlassung geben. Die Veröffentlichung der Norm SIA 390 ist für 2024 geplant.
(Paul Knüsel, Redaktor Umwelt/Energie, stv. Chefredaktor TEC21)

Netto-Null-Ziel bis 2050

Der SIA-Effizienzpfad soll auch in Zukunft eine einfache Analyse- und Bewertungsmethode darstellen, um das übergeordnete Ziel, Netto-Null bis 2050, zu erreichen – unter Betrachtung des gesamten Gebäude­lebenszyklus. Ein Grundgedanke des SIA-Effizienzpfads ist deshalb, dass Planungsentscheide neben dem Gebäudebetrieb auch die Erstellung und die durch ein Gebäude indu­zierte Mobilität massgeblich beeinflussen.

Weitsichtige Planerinnen und Planer, Bauträgerschaften, Gemeinden, Energiestädte und Arealträgerschaften brauchen deshalb ein Instrument, das eine Optimierung von Energiebedarf und Treibhausgasemissionen über die drei Bereiche Erstellung, Betrieb und Mobilität erlaubt. Diese Betrachtung erfordert eine Bewertungsmethodik, die neben den Energieträgern auch die Umweltbilanz von Baumaterialien und Transportsystemen erfasst. Die nationalen Energiegewichtungsfaktoren, die auf Grundlagen der Kantone beruhen, beschränken sich dagegen auf Energieträger.

Eine weitere Eigenheit des SIA-Effizienzpfads ist, dass Energieträger, die den Siedlungsraum leitungsgebunden versorgen, nicht nur in Bezug auf die Menge, sondern auch hinsichtlich ihrer Qualität zu betrachten sind. Gebäudeeigentümerschaften können sich bei Strom, Gas und zunehmend bei Fernwärme für rein erneuerbare Produkte entscheiden. Damit leisten sie einen Beitrag zum dringend benötigten Ausbau der erneuerbaren Energien sowie zur Dekarbonisierung der Gas- und Fernwärmeversorgung. Die nationalen Energiegewichtungsfaktoren verunmöglichen eine solche Differenzierung, weshalb ihre Berücksichtigung in der neuen Norm zum SIA-Effizienzpfad keine Option darstellt. Der Effizienzpfad wird sich weiterhin auf die Primärenergie- und Treibhausgasfaktoren gemäss den KBOB-Ökobilanzdaten im Baubereich abstützen.

Methodische Fragen

Die Absicht des BFE, energetische Berechnungen von Gebäuden zu harmonisieren, ist grundsätzlich zu begrüssen. Die Harmonisierung der Baunormen ist auch für den SIA ein zentrales Anliegen. Dabei sind die Entwicklungen in der internationalen Normierung zu berücksichtigen; die Schweiz ist als Mitglied der CEN- und ISO-Gremien vertraglich dazu verpflichtet. Eine Harmonisierung versteht sich für uns primär als ­methodische Aufgabe, etwa indem die Systemgrenzen vereinheitlicht werden.

Demgegenüber erscheint es weniger zentral, auch inhaltliche Bewertungen gleichzuschalten. Vielmehr sind die für ein Gebäude ermittelten Endenergieflüsse unterschiedlich zu bewerten; abhängig von Planungsvorgaben und -instrumenten eignen sich dafür entweder nationale Energiegewichtungsfaktoren – insbesondere für die Betrachtung der Betriebs­bilanz – oder ökobilanzbasierte Primärenergie- und Treibhausgasemissionsfaktoren, die für weitergehende Nachhaltigkeitsanalysen beizuziehen sind.

Der SIA formuliert seine Position zum Klimaschutz, zur Klimaanpassung und zur Energiewende in einem eigenen Dokument. Darin werden die Netto-Null-Ziele für den Gebäudebereich umfassend und verantwortungsvoll definiert. So sind Gebäude und Infrastrukturbauten CO²-neutral zu betreiben und soweit möglich auch CO²-neutral zu erstellen. Darin inbegriffen ist ebenso die induzierte Mobilität, die ihrerseits möglichst CO²-neutral erfolgen soll. Nur der gesamtheitliche Ansatz gewährleistet richtige Entscheidungen: Die begrenzten Ressourcen – in der Natur wie in einer Projektierung – werden dort eingesetzt, wo sie relevante Verbesserungen erzeugen.

Breite Abstützung gesucht

Die Kommission SIA 390 bespricht aktuell, wie das Netto-Null-Ziel für den inländischen Gebäudepark bzw. für den gesamten Lebenszyklus einzelner Gebäude zu definieren und konkret umzusetzen ist. Die Erarbeitung des Vorschlags für die neue Norm und das nachfolgende Vernehmlassungsverfahren sind zwar zeit- und arbeitsintensiv. Aber das aufwendige Vorgehen garantiert, dass die Haltung, die dem fachlichen Konsens auf gesamtschweizerischer Ebene entspricht, breit abgestützt werden kann. Ziel dabei ist nicht eine politische, sondern die inhaltliche Harmonisierung, die relevante Antworten auf die derzeit grösste Herausforderung bereitstellen kann: den Schutz des Klimas beim Bauen.

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