Vom Büro zur Bildungsstätte
Für den wachsenden Bedarf an Schulraum muss nicht immer gleich ein Neubau realisiert werden. Mit wenigen Eingriffen nutzten Vischer Architekten ein bestehendes Verwaltungsgebäude auf dem Areal Rosental Mitte in Basel zum provisorischen Sekundarschulhaus um und schufen damit auf vorbildliche Weise einen neuen Lernraum.
Wir befinden uns am Badischen Bahnhof, dem Grenzbahnhof in Kleinbasel. Auf der gegenüberliegenden Strassenseite fällt sofort ein repräsentatives Gebäude mit Sandsteinfassade auf – es gleicht dem Bahnhofsgebäude, das 1913 von Karl Moser erbaut wurde. Das Verwaltungsgebäude realisierten Eduard und Paul Vischer 1930 für die Firma J. R. Geigy. Der Zufall will es, dass fast hundert Jahre später Vischer Architekten aus Basel mit dem Umbau des Gebäudes ihrer Gründungsväter beauftragt werden.
Heute gehört das ehemalige Direktionsgebäude der Syngenta zum Areal Rosental Mitte, einem der vielen Entwicklungsgebiete in der Region, und ist in Besitz des Kantons Basel-Stadt. Das ehemalige Industrieareal wird in Etappen zu einem neuen Stadtteil entwickelt. Der Leerstand des ehemaligen Verwaltungsgebäudes bot die einmalige Chance, diesen Zeitzeugen der Basler Industriegeschichte zum Schulbau umzunutzen. Damit bleiben nicht nur die räumlichen Qualitäten erhalten, sondern es zeigt sich auch, dass sich eine derart aussergewöhnliche Architektur mit wertvollen Materialien im Innenausbau auch für die Schulnutzung eignen kann.
Bereits beim Eintreten beeindruckt die zweigeschossige Eingangshalle, in der die dreiläufige Treppenanlage mit Stufen aus Eichen- und Geländern aus Nussbaumholz in das Obergeschoss weist. Durch die originalen geschliffenen Gläser der Fenster dringt viel Tageslicht in die imposante Halle ein. Auch die indirekte Beleuchtung in den gevouteten Wandabschlüssen und die gusseisernen Deckenlampen sind wunderbare architektonische Details, die für eine Schule alles andere als gewöhnlich sind.
Blitzschnelle Umsetzung
Zwischen der Idee und der Umsetzung lagen kaum zehn Monate. Seit dem Schuljahr 2023/24 ist das Gebäude für zehn reguläre Sekundarschulklassen geöffnet, ab dem kommenden Schuljahr können alle 17 Klassen untergebracht werden.
Um den sehr engen Zeit- und Kostenrahmen einhalten zu können, griffen Vischer Architekten so wenig wie möglich in die Bausubstanz ein und verwendeten Bestehendes wenn möglich weiter. Die gute Substanz erleichterte die Umnutzung. Die grössten Eingriffe waren die Ergänzung der Sanitärinstallationen mit Waschbecken in jedem Schulzimmer und die Anpassung der Elektroinstallationen. Vier Schächte vom zweiten Unter- bis zum fünften Obergeschoss integrieren sich unauffällig jeweils in den äusseren Ecken der Klassenzimmer.
Da das Gebäude als Inventarobjekt der Denkmalpflege eingetragen ist, mussten die Sandsteinfassaden – aus dem gleichen Stein wie der gegenüberliegende Bahnhof –, die Tragstruktur sowie das Haupt- und ein Nebentreppenhaus erhalten bleiben. Mit dem Rückbau eines Zwischenbaus erhielt die Nordfassade wieder ihre ursprüngliche Gestalt. Dies bedingte den Abbruch einer im Lauf der Jahre zusätzlich eingebauten Verbindungstreppe zum Nachbargebäude und das Einziehen von neuen Böden. In den anderen Bereichen konnten in Absprache mit der Denkmalpflege Veränderungen vorgenommen werden, um den Schulbetrieb zu ermöglichen.
So wurden nachträglich eingefügte abgehängte Decken und überflüssige Zwischenwände entfernt, gewisse Unterlagsböden erneuert und einzelne Beläge neu verlegt. Die Fenster wurden in Anlehnung an die ursprüngliche Ausführung in Holz wiederhergestellt und zugleich nach heutigen technischen Standards angefertigt. Für die Beschattung sind Stoffstoren vorgesehen.
Die Eingriffe von Vischer Architekten beschränkten sich auf das Wesentliche. Fehlende Stücke in den bestehenden Teppichen oder Leuchten wurden repariert oder ergänzt. Um den Anforderungen an Geländerhöhe und Absturzsicherheit gerecht zu werden, füllen Lochbleche die Zwischenräume der Geländer im Nebentreppenhaus und der massiven Holzbalustraden der Haupttreppe zusammen mit einem zusätzlichen Handlauf. Diese Elemente integrieren sich in den eleganten Treppenaufgang des Foyers. Fast unversehrt blieben das grosse Sitzungszimmer mit seinem nussbaumfurnierten Wandtäfer und die Liftkabinen.
Farbakzente gegen den Bürocharakter
Um den Bürocharakter etwas aufzulockern, entwickelte der Künstler Jörg Niederberger ein eigenes Farbkonzept. Mäandernde Bänder in jeweils zwei Komplementärfarben winden sich über die Wände der Gänge und des Nebentreppenhauses. Die logische Sprache der in jedem Geschoss unterschiedlichen Farben unterstützt die Orientierung im Gebäude. Gleichzeitig wirken die Farbakzente als verspieltes Gegenstück zum schweren Interieur und dem zurückhaltenden, einfachen Innenausbau. Die neuen Linoleumböden und gestrichenen Unterlagsböden ergänzen das Farbkonzept. Farblich abgestimmt sind auch die neuen Vorhänge in den Klassenzimmern, die die bestehenden Glaswände entlang der Gänge verdecken und die Raumakustik verbessern.
Das Raumprogramm umfasst auch eine Bibliothek und Hauswirtschaftsräume. Die ursprünglich nicht begehbaren Flachdächer über den Seitenflügeln wurden zu Dachterrassen für die integrierte Tagesstruktur umgenutzt. Da eine Turnhalle im Gebäude fehlt, werden für den Schulsport die Turnhallen der Schulstandorte Erlenmatt, Vogelsang und Schoren genutzt. Der eigene Schulsportplatz im Freien wird jedoch im Frühjahr fertiggestellt, ein Teil des Aussenraums ist schon nutzbar.
Um diese für die Dauer des Provisoriums benötigten Freiflächen zur Verfügung stellen zu können und um den Zugang von der Schwarzwaldallee zu dem sich im Umbau befindenden Nachbargebäude zu gewährleisten, wurde der bestehende Arealzaun versetzt. Das Provisorium der Sekundarschule soll nun für mehrere Jahre betrieben werden.
Sinnvolle Zwischennutzung
Im Hinblick auf die Nachhaltigkeit ist die Zwischennutzung von Gebäuden sehr sinnvoll. Vor allem Bauten mit architektonischem Wert und gut erhaltener Bausubstanz bieten eine hohe Nutzungsflexibilität. Im früheren Verwaltungsbau und heutigen Sekundarschulhaus können in der nächsten Generation eventuell noch weitere Schulnutzungen Platz finden. Aus dem «Schulhaus Rosental» kann aber auch wieder ein Bürogebäude werden: Dank sorgfältiger Planung und reversibler Eingriffe in die bestehende Bausubstanz ist das ehemalige Verwaltungsgebäude flexibel nutzbar.
Einbau provisorische Sekundarschule Rosental, Basel
Bauherrschaft
Immobilien Basel-Stadt; vertreten durch Bau- und Verkehrsdepartement
Nutzer
Erziehungsdepartement Basel-Stadt
Architektur/Gesamtleitung
Vischer Architekten, Basel
Bauleitung/Baumanagement
g2y baumanagement, Basel
Farbkonzept
Jörg Niederberger, Kleinlützel
Tragkonstruktion/Bauphysik
Gruner, Basel
HLK-Planung
Herbst Beratung + Planung, Frick
Sanitärplanung
Bad Konzept, Basel
Elektroplanung
Eplan, Reinach
Baujahr Bestand
1930
Schutzstatus
Inventarobjekt
Baukosten (BKP 2)
4.6 Mio. Fr.