Öffnung und Verdichtung einer «Verbotenen Stadt»
Zwischen der Basler Messe und dem Badischen Bahnhof liegt das in sich geschlossene Areal Rosental-Mitte. Bis dato nahm man in Basel wenig Notiz von diesem Geviert zwischen Schwarzwaldallee, Rosentalstrasse, Mattenstrasse und Maulbeerstrasse. Nun stellte der Kanton das städtebauliche Leitbild für das Gebiet vor.
Bisher stand das Rosental im Schatten der Entwicklungen im Basler Norden oder auf dem Roche-Areal am Rheinufer. Tatsächlich befindet sich im Rosental eines der ältesten Basler Chemieareale. Auf dem Fabrikgelände wurden Farbstoffe für Textilien hergestellt, entstanden Produkte für die Pharmazie und Landwirtschaft. Über die Jahrzehnte wandelte sich der Produktionsstandort zu einem Forschungs-, Büro und Verwaltungsort. Heute sind hier über dreissig Firmen angesiedelt sowie Forschungseinrichtungen der Universität Basel, der ETH und der FHNW in den Bereichen Biosysteme, Zahnmedizin und Life Sciences.
Sukzessiv erwarb der Kanton Basel-Stadt den Grossteil der Parzellen im Geviert. Heute vermietet Immobilien Basel-Stadt die Gebäude an die Nutzer – so auch an den Hauptnutzer, das Schweizer Agrarunternehmen Syngenta. Das ermöglicht dem Kanton eine gesamtheitliche städtebauliche Entwicklung. Zuerst soll das Areal geöffnet werden; damit werden Stadträume innerhalb des heute zerschnittenen Rosental-Quartiers wieder verbunden. Die schrittweise Transformation und Erneuerung gestalten aus dem bislang abgeriegelten Areal einen öffentlichen Stadtteil. Und der heutige monofunktionale Arbeitsstandort wird zum multifunktionalen Quartier.
Hauptziel ist die städtebauliche Verdichtung. Das Potenzial wurde 2016 berechnet. Damals erwarb der Kanton die ersten 47'000 m2 und bezifferte das Potenzial für zusätzliche Bauten auf 80'000 m2. Seit 2019 gehören dem Kanton auch die Anteile von Syngenta und damit 68'000 m2. Nun legte der Kanton die erste Entwicklungsstrategie vor.
An der Medienorientierung betonte Beat Aeberhard, Kantonsbaumeister Basel-Stadt, dass es sich hier um ein städtebauliches Leitbild handle, nicht um eine konkrete Planungsvorgabe. Verdichtung, Bauen im Bestand und entlang der öffentlichen Infrastruktur sind die Leitideen gemäss Raumplanungsgesetz. Auf dem Stadtmodell sind sechs abgestufte gläserne Hochhäuser im Zentrum des Gevierts und entlang des Badischen Bahnhofs sichtbar. Sie überragen teilweise den Messeturm.
Laut Aeberhard sieht das städtebauliche Konzept Gebäude mit einer Höhe von bis 175 m vor. Die definitiven Höhen sollen im Rahmen von Varianzverfahren geprüft werden. Grundlage für das Leitbild ist ein städtebaulicher Entwurf der Architekten Herzog & de Meuron. Pierre de Meuron hebt ebenfalls hervor: «Dieser Entwurf ist nicht als ein endgültiges Architekturprojekt zu verstehen.» Es ist vielmehr ein Orientierungsrahmen.
Die konkrete Entwicklung findet in Etappen statt. Kurzfristig können bereits bis 2023 erste Bauten realisiert bzw. bestehende Gebäude umgenutzt werden. «Im Grunde muss nur noch der Schlosser kommen und die Drehkreuze an den Gates entfernen», erklärt Pierre de Meuron an der Medienorientierung. Langfristige Planungen sind ab 2023 und bis etwa 2035 vorgesehen. Strassen und Plätze sind vorhanden, müssen nur wieder reaktiviert werden. Als Haupterschliessung quert in Nord-Süd Richtung die bestehende Sandgrubenstrasse das Geviert.
Die Öffnung des Areals ermöglicht eine direkte Verbindung von der Erlenmatt bis zum Sandgrubenschulhaus. Entlang der Strasse und im Zentrum liegt der zukünftige Rosental-Platz. Diese Grünräume und der parkartige Aufenthaltsort sowie die Riehenteichanlage entlang der Ost-West-Durchquerung zeigen auf, wo die Verdichtung in die Höhe gehen soll. Bestandsbauten und Neubauten begrenzen die neu gestalteten Plätze. Wichtiger Aspekt der Entwicklung ist, die Identität des Areals zu bewahren. Dafür sollen Bautypologien wie Laborgebäude aus den 1960er- bis 1980er-Jahren und Wohnbauten aus der Gründerzeit erhalten bleiben. Der Vorteil: Der gute Zustand einiger leer stehender Gebäude erlaubt vielfältige Zwischennutzungen oder auch dauerhafte Nutzungen und damit eine schnelle Belebung des neuen Quartiers. Dazu gehört der Bau1 von Syngenta, der weiterhin als Büro genutzt werden kann.
Fünf historische Wohnbauten, die in den letzten Jahren als Bürofläche dienten, sollen nun ihrer ursprünglichen Nutzung wieder zugeführt werden. Diese Gebäude und die Liegenschaft des Friedrich Mischer Instituts sind im Inventar der schützenwerten Bauten eingetragen. Die «Morphologie» im Quartier, so Pierre de Meuron, soll vervollständigt werden. So liegen Bestandsbauten an den Ecken zwar ausserhalb des Perimeters des Transformationsgebiets, bilden aber die Pfeiler des Gevierts. In diesem Sinn wird auch der offene Blockrand an der Rosentalstrasse geschlossen.
Um das Areal möglichst schnell zu beleben, gibt es schon konkrete Ideen für Nutzungen. Etwa ein Gastronomiebetrieb im historischen Verwaltungsbau. Den Grossteil des Areals besetzen weiterhin Flächen für Arbeitsplätze und Forschung; diese sind in Bahnhofsnähe angesiedelt. Derzeit gibt es 3’500 Arbeitsplätze auf dem Areal, laut dem städtebaulichen Leitbild könnten je nach Marktnachfrage 3’000 bis 5’000 weitere hinzukommen. Auf dem Gebiet westlich der Hauptachse ist vor allem Wohnraum für 1’100 bis 2’200 Menschen vorgesehen.
Unterschiedliche Preissegmente könnten für eine soziale Durchmischung sorgen. Mindestens ein Drittel der realisierten Wohnfläche sollte auf jeden Fall im preisgünstigen Bereich liegen. Für die Belebung des Quartiers sind zudem Läden, Restaurants, Cafés, Freizeit- und Sporteinrichtungen sowie Flächen für Gewerbe und Kultur geplant. Als nächster Schritt erfolgt die Vernehmlassung. Rückmeldungen zum städtebaulichen Leitbild sind bis 27. März 2020 an das Planungsamt einzureichen.
Der Kanton geht nicht davon aus, dass es aufgrund der Altlasten zu Verzögerungen des Projekts kommt. Im städtebaulichen Leitbild heisst es dazu: «Eine langjährige Grundwasserüberwachung hat für den heutigen Zustand keine Gefährdung identifiziert und wurde eingestellt. Bei den Baumassnahmen wird der Zustand jedoch verändert. Es ist mit belastetem Aushubmaterial sowie einer erneuten Grundwasserüberwachung während der Bauzeit zu rechnen.»