Va­ria­ti­on in Grün

Zweistufiger Projektwettbewerb im offenen Verfahren «Parco Viarno, Lugano»

Der Parco Viarno in Lugano soll aus seinem Dornröschenschlaf erwachen und zu einem Stadtpark mit öffentlicher Nutzung werden. Westpol Landschaftsarchitekten liefern dafür das beste Projekt mit vielfältigen Grünräumen, überzeugender Architektur und einem neuen Hauptzugang.

Publikationsdatum
05-03-2020

Das Gebiet Viarno im Quartier Pregassona in Lugano stellt eine wichtige Grünflächen­reserve dar. Der Gemeinderat von Lugano ergriff 2017 die einmalige Gelegenheit und beschloss einstimmig, dort einen neuen Stadtpark mit einer Fläche von 27 500 m2 zu schaffen. Die Stadt Lugano als Eigentüme­rin des Parks Viarno enteignete den südlich gelegenen Teil in Privatbesitz, um den Park zu arrondieren. Der Ort am Fuss des Monte Brè umfasst auch die Villa Viarnetto, wegen ihres roten Verputzes meist «Casa Rossa» genannt. Sie soll sanft renoviert werden. Der später angebaute, viergeschossige Südflügel soll abgebrochen und durch einen eingeschossigen Neubau ersetzt werden.

In der Villa befinden sich öffentliche Nutzungen wie Bibliothek, Mediathek, Haus der Fotografie und Veranstaltungsräume, während im Neubau ein Restaurant mit Bar geplant ist. Der Auftraggeber will sich zudem die Möglichkeit offenhalten, auf dem Areal zusätzliche Räume für Ausstellungen, Veranstaltungen und Vereine mit höchstens 2000 m2 zu realisieren.

Die Stadt Lugano schrieb deshalb einen zweistufigen Projektwettbewerb im offenen Verfahren aus. Teilnahmeberechtigt waren Teams mit den Kompetenzen Landschaftsarchitektur und Architektur, wobei die Federführung bei den Landschaftsarchitekturbüros lag. Der SIA hat das Wettbewerbsprogramm geprüft und für konform zur Wettbewerbsordnung befunden.

Ziel des Verfahrens sind die Aufwertung des Areals zu einem Stadtpark, aber auch der Erhalt und die Erweiterung des Gebäudebestands. Das Siegerprojekt soll die Grundlage für einen Quartierplan und zur Änderung des Zonenplans bilden. In der ersten Stufe gingen 47 Beiträge ein, davon schafften es zehn Projekte in die zweite Stufe.

Orthogonale und freie Form

Das Preisgericht empfiehlt den Beitrag «Un giardino per la città» von Westpol Landschaftsarchitekten und Demattè Fontana Architekten einstimmig zur Weiterbearbeitung. Das Projekt sieht eine Umfassungsmauer als Neuinterpretation des historischen Gartens vor. Die rechtwinklig angelegten Bauten und die Gärten kontrastieren wohltuend mit der freien Wegführung, die nicht nur den Park durchquert, sondern auch der Umfassungsmauer folgt.

Überzeugend ist zudem die Unterteilung in thematische Bereiche wie Gärten, Erholungsräume, Spielplätze und naturbelassene Flächen. Die Grünräume variieren vom Wald im Nordwesten und den vor der Casa Rossa angelegten Gärten bis zu den Naturwiesen. Sie enthalten vielfältige Angebote wie die Spielplätze in den Waldlichtungen, das «Belvedere», eine begrünte Pergola mit Sitzbänken und die Fruchtbäume im Südosten.

Die Casa Rossa wird auf die originale Bausubstanz zurückgebaut. Sie erhält einen frei stehenden Neubau, die «Orangerie» mit einer Cafeteria und einer Bar. Davor ist der Wasser-, Gemüse-, Blumen- und Kräutergarten angelegt. Im Süden zur Via Guioni sind der Veranstaltungssaal und die flexibel unterteilbaren Räume für die Vereine vorgesehen. Sie sind halb in das Terrain eingesenkt und auf den neuen Platz ausgerichtet. Eine Treppe mit Lift verbindet die gepflasterte Piazza mit dem Parco Viarno und bildet einen zusätzlichen Zugang zum Stadtpark. Damit wird nicht nur das Areal innerhalb der Umfassungsmauer aufgewertet, sondern auch die Beziehung zum angrenzenden Wohnquartier gestärkt.

Ellipse

Das zweitrangierte Projekt von Laboratorium KLG und IttenBrechbühl schlägt eine grosse Ellipse als Begrenzung des Parks vor. Sie fasst die Grünräume ein und scheidet die befestigten Flächen aus. Ein Anbau erweitert die Casa Rossa geschickt, ohne dabei aber die verschiedenen Niveaus überzeugend zu verbinden.

Der Veranstaltungsraum ist auch hier im Süden ins Gelände eingepasst. Die variablen Vereins­räume hingegen sind unter einer «Pergola panoramica» als serielle Pavillons untergebracht. Die Konkurrenzierung der Ellipse mit der orthogonalen Struktur ist unverständlich, und die separaten Pavillons bieten nicht die gewünschte Flexibilität. Die Qualitäten des Beitrags liegen in der ökologischen Diversität, den viel­­fäl­tigen Nutzungsmöglichkeiten und der einprägsamen Fassung des öffent­lichen Raums.

Terrassen

Referenz des drittrangierten Beitrags von Oikos 2000 und Felix Wettstein sind die Tessiner Gelän­deterrassen. Das von Westen nach Osten ansteigende Gelände wird ­terrassiert und in Querrichtung mit Rampen und Treppen entlang den Stützmauern erschlossen. Dies führt zu einem unverwechselbaren Ort mit einer starken Identität. Allerdings hat die Terrassierung auch Nachteile. Das starre System behindert die zukünftige Entwicklung des Parks. Die unflexible Erschliessung beschränkt sich auf die vorgezeichneten Wege in Nord-Süd-Richtung. Die Stützmauern mit ihren beachtlichen Höhen und Abwicklungen können zur Überhitzung im Sommer führen und schränken das ökologische Potenzial ein. Die erheblichen Terrainveränderungen und die damit verbundenen umfangreichen baulichen Massnahmen führen zu hohen Erstellungs- und Unterhaltskosten.

Ein Garten für die Stadt

Das Projekt «Un giardino per la città» überzeugt mit einer sorgfältig ausgearbeiteten Landschaftsarchitektur und mit einer Architektur von hoher Qualität. Die vielfältigen Grünräume weisen ein reichhaltiges Angebot auf. Die Erweiterung der Casa Rossa mit einer Orangerie und den verschiedenen Gärten wirkt selbstverständlich. Der eigentliche Coup des Beitrags liegt aber in der neuen Anbindung an die Stadt über die neue Piazza mit Mehrzweckraum und Vereinssälen. Die Umfassungsmauer definiert den Stadtpark klar und öffnet sich mit einem grosszügigen Schaufenster zur Stadt.

Weitere Pläne und Visualisierungen zum Wettbewerb finden sich auf competitions.espazium.ch

 

Auszeichnungen

1. Rang / 1. Preis: «Un giardino per la città»
Westpol Landschaftsarchitekten, Basel; Demattè Fontana Architekten, Zürich
2. Rang / 2. Preis: «LineaContinua»
Laboratorium KLG, Zürich; IttenBrechbühl, Paradiso
3. Rang / 3. Preis: «Cinque Terre»
Oikos 2000, Bellinzona; Studio d´architettura Felix Wettstein, Lugano

Fachjury

Stefan Rotzler, Landschaftsarchitekt, Gockhausen; Jonathan Sergison, Architekt, London/Zürich; Christian Bettosini, Landschaftsarchitekt, capo area verde pubblico, Lugano; Paolo Poggiati, Landschaftsarchitekt, Sezione dello sviluppo territoriale del Dipartimento del territorio del Cantone Ticino (Ersatz)

Sachjury

Michele Bertini, Stellvertretender Bürgermeister Lugano (Vorsitz); Gino Boila, Architekt, Direttore Divisione immobili – Città di Lugano; Marco Hubeli, Architekt, Coordinatore del Dicastero sviluppo territoriale della Città di Lugano, direttore della Divisione pianificazione, ambiente e mobilità (Ersatz)

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