«Va­lue app» – mit­ten in der Eva­lua­ti­on

Der SIA und die ETH Zürich arbeiten mit Hochdruck an der Entwicklung der «Value app». Nach einem Test durch SIA-Mitglieder sind insgesamt vier Workshops mit den Testerinnen und Testern durchgeführt worden. Was halten sie von der Applikation, und wie geht es weiter?

Publikationsdatum
11-03-2022

Noch Ende Dezember 2021 hat der SIA, in Kooperation mit der Professur für Architektur und Bauprozess an der ETH Zürich unter Leitung von Prof. Sacha Menz, sämtliche Mitglieder der SIA-Berufsgruppe Architektur für einen ersten breit angelegten Test der «Value app» eingeladen. Der Rücklauf war ausserordentlich erfreulich: Nahezu hundert SIA-Mitglieder erklärten sich bereit, die Applikation erstmals zu testen und an einem nachfolgenden Workshop Mitte Februar 2022 ihren Input dazu zu liefern. Damit haben die Testenden einen wichtigen Entwicklungsschritt unterstützt und persönliche Anliegen eingebracht; bereits jetzt haben sie einen vertieften Einblick in das künftige Tool gewonnen.

An der Delegiertenversammlung 2020 wurde mit über 90 % Zustimmung der Beschluss gefasst, innert fünf Jahren ein Tool zur Kalkulation des Stundenaufwands zu schaffen. Diesem Ziel ist der SIA durch die Testphase deutlich näher gekommen, denn die ersten Resultate können positiv gewertet werden.

Paradigmenwechsel benötigen Zeit

Das Projektteam – bestehend aus Fachverantwortlichen seitens SIA und ETH Zürich – forderte die Teilnehmenden vor den Workshops dazu auf, die «Value app» in ihrem Büro kennenzulernen und mit Daten aus eigenen Projekten zu nutzen. An den vier halbtägigen Workshops äusserten dann die Teilnehmenden in Live-Umfragen und in einem Fragebogen ihre Meinung. Zu Beginn gaben 54 % an, ihre Erwartungen an das Tool hätten sich «gar nicht» bis «weniger» erfüllt. Weiter meinten 7 %, der errechnete Selbstkosten­ansatz in Franken pro Stunde sei «zu niedrig» ausgefallen, 49 % beur­teilten ihn als «zu hoch» und 44 % als «gerade richtig». Die Schlussumfrage zeigte sodann, dass 74 % der Teilnehmenden ein Potenzial in der «Value app» sehen.

«Value app» – ein Tool für die Kalkulationshilfe

 

Die «Value app» ermöglicht einfach transparente Aufwandschätzungen und zeigt die notwendigen Entscheide, die Planende zur Bewertung ihrer intellektuellen Dienstleistung benötigen. Sie schafft Transparenz und ist damit für Auftraggebende und Auftragnehmende eine grosse Hilfe bei Vertragsverhandlungen und der Festlegung von Vergütungen. Die Applikation ist eine von vier Ersatzmassnahmen – neben den Kompass-Kursen, Honorarerhebungen und der Referenzdatenbank –, die der SIA seinen ­Mitgliedern für die weggefallene Honorarkalkulationsformel der LHO ­bietet. Das Tool ist ursprünglich von der ETH Zürich entwickelt worden. Gemeinsam mit ihr entwickelt der SIA die Applikation weiter. Hierbei bringt jeder Partner seine Expertise mit: Der SIA verfügt über die Praxiserfahrung, und mit der Professur Menz an der ETH Zürich hat er einen unabhängigen Partner mit methodischer Fachkompetenz für die Ent­wicklung an seiner Seite.

Ebenfalls ein Bestandteil des Workshops war die Schritt-für-Schritt-Erklärung der App durch Axel Paulus, Projektverantwortlicher der ETH Zürich. Die Teilnehmenden konnten dabei Fragen stellen und ihre Meinung abgeben. Bei der Frage, wie die Applikation gefällt, dominierten Attribute wie «einfach», «intuitiv» und «übersichtlich». Für Kritik sorgte vor allem die Unkenntnis über die im Hintergrund verwendeten Methoden und Daten. Ebenfalls bemängelten die Teilnehmenden, dass die Komplexität von Planungsleistungen über die vier von der «Value app» verwendeten Grössen zurzeit noch zu ungenau abgebildet würde. Den Entwicklern ist dieser Punkt bekannt. Allerdings ist die Justierung einer solchen App nicht ein alleiniges Unterfangen der Entwickler, sondern eine gemeinsame Aufgabe aller Nutzerinnen und Nutzer. Darum sind dazu plausible Daten aus der Praxis notwendig.

Offenbar haben das auch die Workshop-Teilnehmenden so gesehen: Verblüffende 100 % sind bereit, ihre Daten anonym für die Justierung zur Verfügung zu stellen. Und ganze 76 % stören sich nicht daran, dass für registrierte Benutzerinnen und Benutzer einsehbar ist, woher diese Daten stammen. Fazit: Die Entwicklung einer neuen Methode, wie sie hinter der «Value app» steckt, erfordert eine intensive Beschäftigung mit der Materie mit Einführung und der Möglichkeit, verschiedene Erfahrungen unmittelbar einzubringen und die Reaktionen der Entwickler zu erfahren.

Einige Stimmen aus den Workshops begrüssten die Abkehr der Bindung der Honorare an die Baukosten als Chance, den Architektinnen und Architekten eine neue Orientierung und mehr Selbstbewusstsein zu geben. Der Tenor: Planende sollen darauf beharren, dass eine komplexe Arbeit fair honoriert wird – genau hier setzt die «Value app» an. Dabei muss berücksichtigt werden: Ein Tool ist immer nur ein Hilfsmittel. Ohne ein solides Geschäftsverständnis funktioniert die Anwendung nicht, denn «a fool with a tool is still a fool».

Eine valide Methodik

Die Workshop-Teilnehmenden haben sich bereit erklärt, im Nachgang an der Evaluation der Applikation mitzuwirken. Dazu werten sie zurzeit zwei bis vier eigene Projekte aus und geben den Entwickelnden über ein eigens dafür entwickeltes Formular Rückmeldung. Zudem finden Mitte März weitere Workshops mit interessierten Nutzerinnen und Nutzern statt. Dazu zählen auch Auftraggebende von öffentlicher und privater Seite, denn bereits jetzt sehen knapp 60 % der Teilnehmenden die Applikation, obwohl sie noch nicht ausgereift ist, als Verständigungsbasis zwischen Auftraggebenden und Planenden. 70 % würden sogar in Zukunft ihre Angebote mit der «Value app» kalkulieren. Des Weiteren werden ganze Projektteams, inklusive Vertreterinnen und Vertreter auf Seite von Bauherrschaften, zu speziellen Workshops eingeladen, um zu überprüfen, ob das Tool das Finden eines fairen Honorars auch hier adäquat abbildet. Zu guter Letzt wird die bereits erfolgte Expertenüberprüfung der Benutzerfreundlichkeit im Detail ausgewertet, damit diese Erkenntnisse in die nächste Version einfliessen können.

Die Workshops haben gezeigt, dass die hinter der «Value app» stehende Methodik Bestand und viel Potenzial zur Weiterentwicklung hat. Auch das Interesse an einer Mitarbeit bei der Entwicklung ist gross. Die Integration der Disziplinen «Ingenieurbau», «Landschaftsarchitektur» und «Gebäudetechnik» muss das Projektteam frühzeitig in Angriff nehmen, denn das Übertragen der Methodik benötigt noch einige Vorarbeiten, bevor mit der Umsetzung und dem Testprozedere wie beim Teil «Architektur» begonnen werden kann.

Theorie und Praxis vereint

Die Rückmeldungen der Workshop-Teilnehmenden bieten eine solide Grundlage für den Vorstand des SIA in der Diskussion über die Ersatzmassnahmen im Bereich der Leistungs- und Honorarordnungen (LHO) und zur Weiterentwicklung der «Value app». Die «Value app» wurde ursprünglich als Lehrmittel für Architekturstudierende für die Grund- und Weiterbildung an der Professur für Architektur und Bauprozess der ETH Zürich entwickelt. Bereits Studierende können sich mit ihren Leistungen und Kompetenzen auseinandersetzen und haben beim Einstieg ins Berufsleben ein vertrautes Tool, das sie in professioneller Umgebung nutzen können.

Der SIA dankt dem Team der ETH Zürich und ganz besonders den engagierten Testerinnen und Testern für die span­nenden Workshops und die vielen hilfreichen Rückmeldungen.

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