Un­ter dem zwei­ten Turm

Der Pharmakonzern Roche baut derzeit in Basel ein neues Bürogebäude auf seinem Areal. Der 205 m hohe Turm braucht ein solides Fundament. Die Ingenieure berichten, welche Lösungen sie für den Bau im beengten Umfeld gefunden haben.

Publikationsdatum
29-10-2020

Das Roche-Areal in Basel erhält in den nächsten Jahren ein neues Gesicht. Der Konzern investiert rund 3 Mrd Fr. in Forschungs- und Büroinfrastruktur. Dazu gehören auch die «Zwillingstürme», bestehend aus dem 2015 eingeweihten «Bau 1» und Bürogebäude «Bau 2».

Die Fundationsarbeiten des zweiten Turmes sind abgeschlossen, die Rohbauarbeiten dagegen noch in vollem Gang. Gemäss Terminprogramm wird der Rohbau seine endgültige Höhe gegen Ende 2020 erreichen. Der Neubau mit 50 Ober- und drei Untergeschossen wird bis zu 2400 Arbeitsplätze bieten, soll 550 Mio. Fr. kosten und voraussichtlich 2022 bezogen werden. Dank der positiven Erfahrungen bei Bau 1 hat sich die Bauherrschaft entschlossen, das gleiche Team mit der Planung und Bauleitung zu beauftragen. So konnte auf bestehendes Wissen aufgebaut und dieses optimiert werden.

Der 205 m hohe «Bau 2» wird den ersten Turm um 27 m überragen. Obwohl er mit einer Gesamtlast von ca. 1800 MN (180'000 t) schwerer sein wird als sein Zwillingsbruder, steht er auf einer kleineren Grundfläche.

Die Lücke nutzen

Um die drei Untergeschosse des neuen Turms zu erstellen, wurde eine bis zu 22.5 m tiefe Baugrube ausgehoben. Der anstehende Rhein-Niederterrassenschotter zeichnet sich in der Regel durch eine gute Tragfähigkeit und geringe Setzungsempfindlichkeit aus. Allerdings wurden auch wenig standfeste Sand- und Rollkieslagen angetroffen, die empfindlich auf Erschütterungen und Vibrationen reagieren können. Vereinzelt treten in den Niederterrassenschottern zu Nagelfluh verkittete Schotterbänke mit einer Mächtigkeit von bis zu 2 m auf.

Erfahrungen aus Bau 1 haben gezeigt, dass diese zementierten Nagelfluhlagen sowohl bei der Ankererstellung als auch bei der Bohrpfahlerstellung grosse Probleme durch ihre hohen Festigkeiten bereiten können. So kann das Antreffen einer zementierten Nagelfluhbank bei der Ankerherstellung erhebliche Bohrlochabweichungen zur Folge haben, was zu einer Verklemmung, im schlimmsten Fall zu einem Abriss des Bohrgestänges führen kann. Nagelfluhlagen können auch grundsätzlich die Leistung des Bohrbetriebs mindern. Zudem besteht die Gefahr, dass es zu Schwierigkeiten beim Rückzug der Verrohrung kommt.

Wasserdichter Verbau

Unter den Niederterrassenschottern folgt ab einer Tiefe von ca. 17 m der tertiäre Molasseuntergrund, bestehend aus Cyrenenmergel und Elsässer Molasse, im Allgemeinen ein gut tragfähiger Baugrund. Sobald die Molasse der Atmosphäre ausgesetzt ist und unter Wassereinfluss steht, geht allerdings die vorhandene Festigkeit schnell verloren und die Molasse zerfällt in einen weichen, je nach Wasserzufuhr gar breiigen Zustand.

In den Niederterrassenschottern zirkuliert das Grundwasser und wird über dem Molasseuntergrund gestaut. Der Grundwasserspiegel auf dem Roche-Areal liegt bis zu 12.3 m über dem Tiefpunkt der Baugrubensohle. Aus diesem Grund fiel die Wahl auf eine überschnittene Bohrpfahlwand, die sich geometrisch optimal an die bestehenden Gebäude anpassen lässt und gleichzeitig bei einer Einbindung in die Molasse einen wasserdichten Verbau darstellt.

Darüber hinaus entstehen beim Bau einer Bohrpfahlwand nur geringe Erschütterungen, so dass die Auswirkungen auf das Umfeld auf ein Minimum reduziert werden konnten. Eine optimale Annäherung des Baugrubenverbaus an den Bestand konnte mithilfe von verankerten Unterfangungselementen sowie einem abgestuften Verbau auf der Ostseite der Baugrube erzielt werden, der aus einer Kombination aus Bohrpfahl- und Rühlwand bestand. Um den Grundwasserdurchfluss im Endzustand sicherzustellen, musste eine Grundwasserdurchleitung durch die Untergeschosse des Neubaus mittels Horizontalfilterbrunnen gewährleistet werden.

Sensible Nachbarn

Eine weitere Herausforderung für die Planer war die Lage des Baufelds im dichten innerstädtischen Gebiet. Die bestehenden sensiblen Roche-Gebäude und -Anlagen durften keinesfalls beeinträchtigt  werden. In unmittelbarer Nachbarschaft zum zweiten Turm steht der erschütterungs- und verformungsempfindliche Bau 95, in dem sich eine Pharmaproduktionsstätte befindet, deren Betriebsstörungen erhebliche Folgeschäden nach sich ziehen würde.

Aufgabe der Planer war es auch, die Anker so zu platzieren, dass diese durch spätere Verankerungsbohrungen für die Baugrubensicherung des neuen Forschungszentrums «pRed» nicht zerstört werden. Auf der südlichen Baugrubenseite forderten die bestehenden Horizontalfilterbrunnen von Bau 1 einen Mindestabstand, der durch die neu zu erstellenden Anker von Bau 2 einzuhalten war, um eine mögliche Unwirksamkeit und Beschädigung der Horizontalfilterbrunnen zu vermeiden. Im Norden erwies sich eine Verankerung der Baugrubensicherung aufgrund des unmittelbaren Bestands als unmöglich.

Der sich aus diesen Anforderungen ergebende Anspruch, eine möglichst geringe Anzahl an Verankerungen zu erstellen, führte zur technischen Lösung einer Aussteifung mittels einer horizontalen, im endgültigen Bauwerk integrierten Betonscheibe von 1 m Dicke, deren mittige Aussparung genügend Freiraum für die Kletterschalung der Hochhauskerne ermöglichte. Diese sogenannte Spriessdecke in Kombination mit einer verstärkten Bohrpfahlwand ermöglichte es, sowohl im Norden als auch im Westen auf eine Verankerung zu verzichten. Auf der Südseite verblieb eine Ankerlage über der Spriessdecke bestehen, um den Höhensprung von über 8 m zwischen Spriessdecke und Gelände zu überwinden. Im Osten musste der gestaffelte Verbau aus Bohrpfahl- und Rühlwand aus statischen Gründen zweifach verankert werden. Für die Baugrube wurden 152 Anker erstellt.

Umfangreiche Tests

Vorgängig zu den Aushubarbeiten wurde eine Serie von 13 vertikalen Versuchsankern teilweise mit Gewebesack-Ausbildung in den verschiedenen Baugrundschichten hergestellt und getestet.1 Für die Baugrubenplanung wurden bewusst geringere Traglasten je Anker angesetzt. Sowohl in den Niederterrassenschottern als auch in der Molasse wurde einheitlich Ra,k = 1200 kN gewählt. Trotz der erfolgreichen Versuche hielten einzelne Bauwerksanker nicht der statisch geforderten Prüfkraft stand. Im Süden konnte das Problem rasch behoben werden, nachdem der Gewebesacktyp ausgetauscht worden war.

Auf der Ostseite hingegen konnten trotz vieler Variationen der Primär- und Nachverpressung mit unterschiedlichen Injektionsparametern, -mengen und Suspensionen kein Ausgleich für die zum Teil verringerte Ankertragkraft erreicht werden. Bei allen Nachbarprojekten (Bau 1, pRed, Bau 10, Bau 8/11) mit über 1000 Ankern in der Molasse wurden nur sehr geringe Ausfallquoten bei zum Teil vergleichbaren Ankertragkräften von Ra,k = 1200 kN festgestellt. Die höhere Ausfallquote auf der Ostseite wird u.a. auf eine vorgängig nicht identifizierte Baugrundanomalie zurückgeführt.

Um der statischen Berechnung des östlichen Baugrubenverbaus gerecht zu werden, wurden Zusatzanker erstellt. Mit Hilfe der Beobachtungsmethode konnte dabei die Anzahl der Zusatzanker auf ein Minimum reduziert werden, indem die positiven Überwachungsergebnisse durch Rückrechnung in die Planung einfliessen konnten. Der ursprünglich durch den Unternehmer erarbeitete terminliche Vorsprung ging durch die Problematik der Anker im Osten und den daraufhin verzögerten Aushub verloren.

Annäherung an die Realität

Wie Bau 1 wird auch Bau 2 auf einer kombinierten Pfahl-Plattenfundation (KPP) gegründet. Diesem Gründungskonzept folgend, wird ein Teil der vertikalen Lasten über die Gründungspfähle und der andere Teil über die Bodenpressung zwischen Bodenplatte und dem darunterliegenden Boden abgetragen. Die Bemessung der kombinierten Pfahl-Plattenfundation (KPP) erfolgte mit Hilfe zweier Finite-Elemente-Modelle in einem iterativen und automatisierten Prozess mit der Tragwerksplanung des Hochbaus.

Dank der Ergebnisse der bei Bau 1 durchgeführten statischen und dynamischen Pfahlversuche und des Monitorings der kombinierten Pfahl-Plattenfundation (gemessene Setzungen von 2 bis 3 cm) lagen wertvolle Messdaten vor, die eine Rückrechnung der Bodenparameter zuliessen und eine Verfeinerung und Kalibrierung des Finite-Elemente-Modells ermöglichten. Mittels dieses Vorgehens wurde eine bestmögliche Annäherung der Simulation an den realen Baugrund geschaffen, sodass die zu erwartenden Verformungen im Untergrund und die Einflüsse auf Bau 2 und seine Umgebung bestmöglich prognostiziert werden können.

Hierbei war die Zielsetzung für Bau 2, eine maximale vertikale Verformung von 3 bis 4 cm zu erreichen. Auf diese Weise konnte eine kosten- und zeitoptimierte Konfiguration der kombinierten Pfahl-Plattenfundation erreicht werden und Roche konnte von den Ergebnissen vorausgegangener Investitionen bei Bau 1 profitieren.

Insgesamt wurden 103 Grossbohrpfähle mit einem Durchmesser von 1.5 m und einer effektiven Länge von 18 bis 28 m im Cyrenenmergel erstellt. Massgebend für die Festlegung der Anzahl und der Länge der Pfähle war in der Regel der Erdbebenlastfall. Infolge der Anwendung der Teil-Deckelbauweise (Spriessdecke) mussten die Fundationspfähle vorgängig und von oberhalb des Grundwassersspiegels hergestellt werden, so dass zusätzlich zur effektiven Pfahllänge noch etwa 10 m Leerbohrungen pro Pfahl erstellt werden mussten.

Darüber hinaus musste für die Verwirklichung der Teil-Deckelbauweise zunächst die umschliessende Bohrpfahlwand sowie 27 in Grossbohrpfählen fundierte Primärstützen erstellt werden, die später als Auflager für die Spriessdecke dienten. Da diese Primärstützen ebenfalls anschliessend dem Rohbau als definitive Hochhaus-Verbundstützen dienen sollten, war die Einhaltung strenger Ausführungstoleranzen der betreffenden Grossbohrpfähle und Primärstützen sehr wichtig. Unter aufwendigem Einsatz von Justierrahmen und geodätischer Einmessung beim Einbau der Primärstützen konnten geringe Abweichungen zur Vertikalen von 0.0 bis 0.8 %, im Mittel von 0.3 % erreicht werden.

Robust und verformungsarm

Gemäss der hohen Anforderungen der Nachbarschaft bezüglich der gering zu haltenden Verformungen wurde ein umfangreiches Überwachungssystem mit Ankermessdosen, Inklinometern, geodätischen Messpunkten, Neigungsmessgeber und Erschütterungssensoren eingesetzt. Im Einklang mit der Prognose und den Berechnungen stellte sich das ausgeführte Baugrubenkonzept mit Bohrpfahlwand in Teil-Deckelbauweise als sehr robust und verformungsarm heraus, denn es wurden sowohl bei der Baugrubenumschliessung, als auch bei den Nachbargebäuden nur Verformungen von maximal 1 cm verzeichnet. Die Überwachung der Fundation wird wertvolle Ergebnisse für die Planung von weiteren Hochhäusern in Molasse-Untergrund liefern.

Eine ausführliche Version des Artikels finden Sie hier.

Anmerkung
1 Bei diesen Versuchen wurden gemäss den vier unterschiedlichen Konfigurationen die folgenden äusseren Tragwiderstände erreicht: Ra,k = 1500 kN im Niederterrassenschotter (NTS) mit Gewebesack, Ra,k = 1800 kN im NTS ohne Gewebesack sowie in den zwei Molasseschichten (Cyrenenmergel (CM) und Elsässer-Molasse (EM)).


 

Literatur

  • Westermann, K.; Grasso, P.; Pitteloud, L. (2020): Reaktivierung einer 45 Jahre alten Schlitzwand als Baugrubensicherung. Kolloquium Bauen in Boden und Fels, Vol: 12, No: 1, S. 307-317

  • L. Pitteloud, J. Meier, High-Frequency Monitoring Results of a Piled Raft Foundation under Wind Loading, ICSMGE 2018: 20th International Conference on Soil Mechanics and Geotechnical Engineering, 20th International Research Conference, London, 2018
     
  • L. Pitteloud, Basels neues Hochhaus auf festem Grund, TEC 21, 19/2014
     
  • L. Pitteloud, Pfahlbemessung nach SIA 267– Erfahrungen aus der Praxis, Frühjahrstagung der Geotechnik Schweiz, Olten, 2012
     
  • L. Pitteloud, Baugrube und Fundation des höchsten Hauses der Schweiz (Roche Bau 1), Herbsttagung der Geotechnik Schweiz, Basel, 2012

Am Bau Beteiligte


Bauherrschaft
F. Hoffmann-La Roche, Basel


Architektur
Herzog & de Meuron, Basel


Generalplanung
Drees & Sommer Schweiz, Basel


Baumanagement
omniCon, Basel und Frankfurt (D)


Planung Baugrube, Fundation, Umwelt, Verkehr und Monitoring
Gruner, Basel


Bauleitung Rückbau und Spezialtiefbau
Gruner im Auftrag von omniCon


Rückbau
Gruner Lüem, Basel


Geologie
Pfirter, Nyfelder+Partner, Muttenz


Tragwerksplanung
WH-P Ingenieure, Basel


Baulogistik, Vermessung
Rapp, Basel


Elektroplanung
Selmoni, Basel


Unternehmen Spezialtiefbau
ARGE Baugrube Roche 2 (Implenia Schweiz, Zürich; Bauer Spezialtiefbau Schweiz, Baden-Dättwil; Eberhard Bau, Kloten (Subunternehmer))


Unternehmen Rohbau
Marti, Basel

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