Uni im Qua­drat

UniHub Académique, Neuenburg; Einstufiger Projektwettbewerb im offenen Verfahren

Die Universität Neuenburg wächst kontinuierlich. Mit dem «UniHub» soll direkt am See ein neues Zentrum entstehen. Berrel Kräutler Architekten fügen zwischen der Fakultät der Geistes- und Humanwissenschaften und den Eissporthallen einen prägnanten, quadratischen Schlussstein ein.

Publikationsdatum
17-08-2023

Heute studieren an der Universität Neuenburg etwa 4200 Personen – Tendenz steigend. Der Schwerpunkt liegt in der Lehre und Forschung von Geistes- und Humanwissenschaften. Mit dem Projekt «UniHub» sollen zusätzliche Unterrichtsräume und Büros, ein Learning Center sowie ein grosses Auditorium mit 700 Plätzen entstehen. Die Universität Neuenburg will damit ihre Wettbewerbsfähigkeit in Ausbildung, Forschung und Innovation schweiz­weit und international sichern.

Für das neue Gebäude steht das ehemalige Areal Panespo zur Verfügung, auf dem 1970 eine Sporthalle als Provisorium errichtet wurde. Nach der Eröffnung der sechs Sporthallen auf der Maladière wurde das Provisorium 2007 abgebrochen. Mit dem «UniHub» soll an diesem Ort in Einklang mit dem Bestand ein Leuchtturmprojekt direkt am See­ufer entstehen. Für diese anspruchsvolle Aufgabe schrieb der Kanton Neuenburg einen Pro­jekt­wett­be­-werb im offenen Verfahren aus, worauf 53 Beiträge eingingen.

Noch vor wenigen Jahren vom Aussterben bedroht, sind offene Verfahren im Vergleich zu selektiven Verfahren oder Einladungsverfahren wieder im Aufwind. Sie sind ein bewährtes Instrument zur Nachwuchsförderung und tragen zur Diversifikation bei. Junge Büros können ihre Fähigkeiten ohne die Hürde der Präqualifikation zeigen und spezialisierte Büros haben die Gelegenheit, sich auch mal mit einer ungewohnten Aufgabe aus­ein­an­der­zusetzen.

Le plan libre1

Die Jury empfiehlt den Entwurf «Univers» von Berrel Kräutler Architekten zur Weiterbearbeitung. Der quadratische Solitär reagiert differenziert auf die unterschiedlichen Nachbarschaften. Der Haupteingang liegt ganz selbstverständlich in der Flucht der Espace Tilo-Frey, die den Universitätscampus diagonal durchquert und an der auch die Fakultät der Geistes- und Humanwissenschaf­ten liegt. Vom Place de l’Universe gelangt man über grosse ­Drehtüren ins Foyer, die beiden gegenüberliegenden Nebenzugänge führen direkt in die beiden Treppenhäuser. Die Erschliessung des Gebäudes erfolgt über vier Treppenhäuser, die auf allen Seiten jeweils in der Mitte der Fassade angeordnet sind. Dadurch spielt das Architektenteam die Mitte des Gebäudes gekonnt frei. Das Tragwerk besteht vorwiegend aus Holz. Nur im ersten Obergeschoss kommen Fachwerkträger aus Stahl zum Einsatz, die im Erdgeschoss eine vollverglaste Fassade mit ungehindertem Blick auf den Neuenburgersee ermöglichen. Die Treppenhäuser sind die einzigen aussteifenden Elemente. Der offene Grundriss mit dem Tragwerk aus Stützen und Decken ist frei unterteilbar.

Das Auditorium mit den Unterrichtsräumen befindet sich im ersten und zweiten Obergeschoss. Im Erdgeschoss finden Richtung See lärmintensive Nutzungen wie das belebte Foyer, die Cafeteria und eine Lounge Platz, das ruhigere Learning Center liegt auf der gegenüberliegenden Seite in Bezug zur Stadt. Das grosse Auditorium kann in vier kleinere, ebenfalls quadratische Hör­säle unterteilt werden. Die umlaufen­de Galerie im ersten Obergeschoss öffnet sich zum Erdgeschoss und schafft einen Sichtbezug. Die Büros in den oberen Etagen können sowohl in Einzel- als auch in Grossraum­büros unterteilt werden.

La fenêtre en longueur1

Der mit dem zweiten Preis ausgezeichnete Beitrag «Constellations» von Burrus Nussbaumer Architec­tes besticht durch seine typologische Klarheit. Die Raumgliederung ist mit dem ersten Preis vergleichbar. Das kompakte Projekt fügt sich gut in die Umgebung ein und übernimmt die Flucht des Nachbargebäudes «Tilo Frey». Dank der respektvollen Distanz entsteht im Osten des Neubaus ein Eingangsbereich. Nicht schlüssig hingegen wirkt der stadtwärts liegende Haupteingang in Verbindung mit der Tiefgarage.

Das Learning Center überzeugt dagegen durch seine Einfachheit und den grosszügigen, offenen Raum, der sich gegen Süden mit einer grossen Terrasse zum See öffnet. Vier schmale und lange Erschlies­sungskerne senkrecht zum Seeufer beengen den östlichen Zugang und beeinträchtigen die Qualität der innenliegenden Arbeitsplätze. Die perforierten Bleche, die die Brüstungen der Bandfenster verkleiden, dienen als Schattenspender und schützen das Gebäude im Sommer vor Überhitzung. Einzelne Aspekte sind zwar noch nicht überzeugend gelöst, aber das Raumprogramm ist gut organisiert und die Betriebsabläufe funktionieren.

Les toits-jardins1

Das Projekt «Nouvelle rive» von MAK architecture schaffte es auf den dritten Rang, wurde aber wegen Überschreitung der vorgeschriebenen Bebauungsziffer von der Preiserteilung ausgeschlossen und mit einem Ankauf ausgezeichnet. Auch dieses Projekt basiert auf einem quadratischen Grundriss, diesmal aber mit einem asymmetrisch eingestanzten Innenhof, in dessen Ecken vier Erschliessungskerne andocken. Das transparente Erdgeschoss mit gemischter Nutzung konnte die Jury nicht überzeugen, weil Konflikte zwischen den lärmigeren Bereichen und den ruhigen Arbeitszonen vorprogrammiert sind.

Auditorium und Unterrichts­räume befinden sich auch bei diesem Projekt in der Beletage. Erschlossen ist sie über den Innenhof vom Erdgeschoss her durch zwei einläufige, repräsentative Treppen. Eine nicht beheizte «Orangerie» umhüllt als eine Art Wintergarten das erste und zweite Obergeschoss und ist als Begegnungs- und Aufenthaltsort gedacht. Die grossen Verglasungen können im Sommer weit geöffnet und im Winter zur solaren Ener­gie­ge­win­nung wieder geschlossen werden. Auch hier sind die Büros in den beiden obersten Geschossen untergebracht. Das ganze Dach ist in bester Corbusier’scher Manier als Terrasse ausgebildet und wird durch eine mit Solarpanels gedeckte Pergola beschattet. Dabei stellt sich die Frage, ob das Angebot an Aussenbereichen mit der «Orangerie» und dem «parc des jeunes rives» in unmittelbarer Nähe nicht bereits üppig genug ist.

Flexibel und generös

Ein betörendes Angebot an Aussenräumen, eine eingeschränkte Fle­xibilität oder ein zu kompaktes Gebäude: Am Ende schafft nur das Siegerprojekt «Univers» den Balanceakt. Mit der peripheren und minimalistischen Erschliessung landen Berrel Kräutler Architekten einen Coup, der einen grossen, zusammenhängenden und frei unterteilbaren Bereich erlaubt. Der Hauptzugang liegt folgerichtig in der Verlängerung des Espace Tilo-Frey und empfängt die Besuchenden in einem hohen Raum mit Seeblick – eine wirklich generöse Geste.

Anmerkung

1  Le Corbusier, Pierre Jeanneret, «Les 5 points d’une architecture nouvelle», in: Willy Boesiger, Oscar Stonorov, Max Bill (Hg.), Le Corbusier – œuvre complète, volume 1, 1910–1929, Basel: Birk­häuser 1995.

Dieser Artikel ist erschienen in TEC21 26/2023 «Rohstoff Abfall».

-> Jurybericht auf competitions.espazium.ch.

Auszeichnungen

1. Rang, 1. Preis: «Univers»
Berrel Kräutler Architekten; Dr. Neven Kostic, Zürich
2. Rang, 2. Preis: «Constellations»
Burrus Nussbaumer Architectes, Genf; 2M ingénierie civile, Yverdon-les-Bains; Planair ingénieurs conseils en énergies, La Sagne
3. Rang, 1. Ankauf: «Nouvelle rive»
MAK architecture, Zürich
4. Rang, 3. Preis: «Elisabeth»
Background Architecture; Stratus visualization d’architecture, Lausanne
5. Rang, 4. Preis: «En deux mots»
Comamala Ismail Architectes, Delémont; Muttoni et Fernández Inge­nieurs ­Conseils, Ecublens
6. Rang, 5. Preis: «La planétaire»
Ruprecht Architekten, Zürich
7. Rang, 6. Preis: «Kairos»
Localarchitecture, Lausanne; G8A Architecture & Urban Planning, Genf

FachJury

Serge Grard, Architekt, Fenin (Vorsitz); Geneviève Bonnard, Architektin, Monthey; Fabien Coquillat, Raumplaner, ­Neuenburg; Victoria Easton, Architektin, Basel; Yves-Olivier Joseph, Kantons­architekt, Neuenburg

SachJury

Crystel Graf, Regierungsrätin, Vorsteherin des Departements für Bildung, Digitali­sierung und Sport (DFDS); Laurence Knoepfler Chevalley, Abteilungsleiterin für postobligatorische Bildung und Beratung (SFPO); Ola Söderström, Professorin für Geografie, Vertreterin der Fakultät der Geisteswissenschaften (FLSH); Kilian Stoffel, Rektor der Universität Neuenburg

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