Umgang mit Regenwasser: Wie «Schwämme» das Stadtklima verbessern
Starkregen, Überschwemmungen, Hitze und Trockenheit häufen sich in der Schweiz. Planen und Bauen mit Rücksicht auf Naturgefahren gewinnen deshalb an Bedeutung. Dazu gehört das aktive Bewirtschaften von Regenwasser nach dem Konzept der «Schwammstadt».
In der Schweiz leiden bereits heute viele Städte und Agglomerationen unter sommerlicher Hitze und Wasserknappheit in Trockenperioden. Hitzetage (≥ 30 °C) und Tropennächte (≥ 20 °C) belasten die Gesundheit und Lebensqualität der Bewohner/-innen. Gemäss den Klimaszenarien CH2018 häufen und intensivieren sich Hitzewellen und anhaltende Trockenheit im Sommer. Dazu treten aufgrund des Klimawandels zunehmend Überschwemmungen durch vermehrten Starkregen auf. Das hat den SIA unter anderem dazu veranlasst, das Positionspapier «Klimaschutz, Klimaanpassung und Energie» zu verfassen – denn die Schweiz ist ungenügend auf die Herausforderungen des Klimawandels vorbereitet. Asphalt, Beton, Stahl und Glas heizen Strassen und Gebäude im Sommer auf. Regenwasser versickert aufgrund von versiegelten Flächen nicht, was die Überschwemmungsgefahr durch Oberflächenabfluss und die Überlastung von Kanalisationen verschärft. Deshalb sind intelligente Lösungen für den temporären Rückhalt der Ressource Regenwasser gefragt.
Aufnehmen, zwischenspeichern, abgeben
Das Konzept der «Schwammstadt» ist bestechend einfach und bringt die Themen Klimaanpassung, Naturgefahrenprävention, Biodiversität und Lebensqualität unter einen Hut: Urbane Räume sollen ähnlich einem Schwamm möglichst viel Wasser aufnehmen und zwischenspeichern. Dieses Wasser steht während Trockenperioden den Pflanzen zur Verfügung und reichert das Grundwasser an. Naturnahe, wasserdurchlässige Oberflächen mit Bewuchs speichern zudem weniger Wärme als die meist dunklen, versiegelten Flächen und kühlen über Verdunstung und Schattenwurf ihre Umgebungsluft. Der Effekt gleicht einer natürlichen Klimaanlage für die Stadt und ist deshalb ein Schlüssel der modernen Stadtplanung zur Bekämpfung von Hitzeinseln. Wenn Regenwasser versickert, reduziert das ausserdem den Oberflächenabfluss und entlastet die Kanalisation, die durch die häufigeren Starkregen immer schneller an ihre Kapazitätsgrenze stösst. Diese sogenannten «blau-grünen» Infrastrukturen bieten Pflanzen, Nützlingen und Bestäubern neue Lebensräume. Das fördert wiederum die Biodiversität und erhöht die Attraktivität der Wohn- und Arbeitsumgebung und damit die Lebensqualität der Anwohnenden.
Starkregen: Zwei von drei Gebäuden gefährdet
Der Klimawandel wirkt sich auch auf den Regen aus: Denn wärmere Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf, die sich wiederum in häufigeren und intensiveren Starkregen entlädt. Die in den letzten Jahren steigenden Schäden durch Hagel, Sturm und Überschwemmungen verdeutlichen den Handlungsbedarf. Gemäss den Schadenstatistiken der Kantonalen Gebäudeversicherungen ist jeder zweite Überschwemmungsschaden auf lokale Starkregen – sogenannten Oberflächenabfluss – und nicht auf ausufernde Bäche, Flüsse oder Seen zurückzuführen. So treten auch in den «weissen Bereichen» der kantonalen Gefahrenkarten, für die keine Gefährdung von einem nahen Gewässer ausgewiesen wurde, Überschwemmungen auf. Die seit 2018 landesweit vorliegende Gefährdungskarte Oberflächenabfluss zeigt sogar, dass zwei von drei Gebäuden bei Starkregen potenziell gefährdet sind. Die klimabedingte Verschärfung der Starkregengefahr birgt deshalb erhebliche Risiken.
Resilient gegen Wetterextreme
Nebst verstärktem Klimaschutz müssen Gebäude auch im Hinblick auf zukünftig zu erwartende Naturgefahren geplant werden. Gebäude und Infrastrukturanlagen müssen widerstandsfähiger werden – insbesondere gegen Hitze, Trockenheit und Überschwemmungen. Die Norm SIA 261/1 Einwirkungen auf Tragwerke formuliert Schutzzielvorgaben, wonach beispielsweise ein Wohnhaus eine 300-jährliche Überschwemmung überstehen muss respektive mit permanenten Massnahmen entsprechend zu schützen ist. Ein Oberflächenabfluss, der aus einem lokalen Gewitterregen entsteht, wird dabei gleichbehandelt wie Hochwasser durch ausufernde Gewässer. Auf der Suche nach geeigneten planerischen Lösungen für den Überschwemmungsschutz steht eine Erstabklärung der Gefährdung ganz am Anfang: Welche Gefahren sind am Standort relevant? Eine einfache, erste Abklärung bietet der «Naturgefahren-Check» der Plattform www.schutz-vor-naturgefahren.ch. Dort finden sich zugleich auf die Situation zugeschnittene Empfehlungen für Massnahmen.
Geschützt vor Starkregen und Oberflächenabfluss
Beim Gebäudeschutz vor Starkregen stehen planerische, bauliche und technische Massnahmen sowie Nutzungsanpassungen im Vordergrund. Für organisatorische Massnahmen fehlt im Notfall die erforderliche Vorwarn- und Reaktionszeit. Sämtliche Gebäudeöffnungen im überschwemmungsgefährdeten Bereich müssen permanent geschützt sein. In die Planung müssen Details wie Lüftungsöffnungen oder Leitungsdurchführungen ebenfalls miteinbezogen werden. Im Grundsatz braucht es eine weitsichtige und risikoorientierte Planung mit Fokus auf die gesamte Lebensdauer des Gebäudes. Werden bereits zu Beginn der Planung mögliche Risiken erkannt, entstehen im interdisziplinären Diskurs elegante Lösungen im Gesamtkonzept. Zielführend sind beispielsweise die erhöhte Anordnung des Erdgeschosses und der Gebäudezugänge. Diese Massnahmen lassen sich optimal mit einer Umgebungsgestaltung, die den Wasserabfluss gezielt um die Gebäude herumleitet, kombinieren. Für das integrale Regenwassermanagement ist der Blick über die Parzellengrenzen hinweg zentral: Wo kommt das Wasser her? Wo kann es versickern oder staut es sich auf? Wo soll das Wasser weiterfliessen? Klar ist: Wo im Ereignisfall viel Wasser abfliessen soll, braucht es Platz.
Integrales Wassermanagement braucht integrale Planung
Der SIA zeigt in seinem Positionspapier, welche Hebel für das Planen und Bauen mit Klimaanpassung und Naturgefahren in Bewegung gesetzt werden müssen. In der Praxis halten beispielsweise begrünte Flachdächer Regenwasser zurück. Gärten und unversiegelte Plätze geben dem Regen Raum zum Versickern. Naturnahe Speichervolumen wie Baumrigolen halten aufgrund ihres Aufbaus im Boden mehr Wasser als herkömmliche Stadtbäume zurück. Dieses Potenzial lässt sich auch vielerorts im Bestand realisieren. Das Ziel lautet: Durch eine integrale Herangehensweise ökologisch wertvolle «blau-grüne» Infrastrukturen zu schaffen (siehe Abbildungen). Damit das Konzept der Schwammstadt zum Erfolg wird, müssen die Stadt- und Verkehrsplanung gut mit der generellen Entwässerungsplanung und dem Überschwemmungsschutz koordiniert werden. Wenn der Überlastfall bei Starkregen also bewusst mitgedacht wird, dann werden Liegenschaften robuster, ökologischer und sicherer.
Weiterführende Informationen
- Partnerprojekt VSA Schwammstadt
- Informationsplattform Gebäudeschutz vor Naturgefahren
- BAFU-Publikation «Regenwasser im Siedlungsraum»
- SIA-Positionspapier Klimaschutz, Klimaanpassung und Energie
- SIA 261/1 Einwirkungen auf Tragwerke - Ergänzende Festlegungen
- SIA 4002 Hochwasser
- SIA 0260 Entwerfen & Planen mit Naturgefahren im Hochbau