Tiefbahnhof Stuttgart: Nochmal hingeschaut
Der Kern des Verkehrs- und Städtebauprojekts Stuttgart 21 ist der tiefliegende, achtgleisige Durchgangsbahnhof, der den bisherigen Kopfbahnhof ersetzen wird. Sein Schalendach wird von 28 architektonisch und ingenieurtechnisch aussergewöhnlichen Kelchstützen getragen, die nach oben offen sind. Die letzte wurde nun Ende Juni fertiggestellt.
Über die Kelchstützen, die sogenannten «Lichtaugen», die durch eine Stahl-Glas-Konstruktion geschlossen werden, fällt Tageslicht auf die Bahnsteige und erfolgt die natürliche Be- und Entlüftung der Halle. Jeder Dachkelch unterscheidet sich in Neigung, Form und Höhe (9 Meter bis 12 Meter) von den anderen. Die ausladende Kelchschale spannt sich jeweils über den sich nach unten verjüngenden Fuss. Um eine Stütze zu bewehren, werden etwa 32'000 Stäbe mit rund 11'000 unterschiedlichen, teils dreidimensional gekrümmten Stabformen benötigt. Die Bewehrungskonzentration erreicht stellenweise Werte bis zu 550 kg/m3.
Die erste Kelchstütze wurde Ende Oktober 2018 fertiggestellt. Nachdem Nummer sieben gebaut war, berichtete TEC21 ausführlich über die Arbeiten (vgl. TEC21 15-16/2020 «Tiefbahnhof Stuttgart: Champions League des Freiformbaus»). Am 21. Juni 2023 wurde nun die letzte der insgesamt 28 Kelchstützen ausgeschalt. Interessant ist die dunkle Farbe des Betons kurz nach dem Ausschalen. Seine helle Oberfläche entwickelt sich erst, wenn er mit Sauerstoff in Berührung kommt und damit mit zunehmendem Alter.
Damit ist das Bahnhofsdach fast geschlossen. Der Einbau der Glas-Stahl-Konstruktion für die Lichtaugen soll diesen Sommer ebenso beginnen, wie die Gleisbauarbeiten. Die Inbetriebnahme des Durchgangsbahnhofs ist für den Fahrplanwechsel am 14. Dezember 2025 geplant. Besucherinnen und Besucher der Internationalen Bauausstellung 2027 können also bereits bei Ihrer Ankunft in der Stadt über ein besonderes Beispiel der Ingenieurbaukunst staunen.